Leopold Fischer (Manager)

Leopold Fischer (geboren 23. März 1853 in Linden vor Hannover;[1] gestorben 10. Juni 1927 ebenda)[2] war ein deutscher Kaufmann, Kommunalpolitiker und Lindener Senator,[3] Manager und Vorsteher der hannoverschen Synagogengemeinde.[1]

Leben

Geboren zur Zeit des Königreichs Hannover in der später selbständigen Industriestadt Linden,[3] diente Leopold Fischer in den Jahren 1874 bis 1875 in der Preußischen Armee.[4]

Nach seiner Verlobung 1878 mit Martha Helfft[5] und der anschließenden Hochzeit wurde er Schwiegersohn[6] des in Berlin tätigen Hofbankiers[7] Moritz Helfft (gestorben 1898).[8]

Später wurde Fischer kaufmännisch tätig[3] und engagierte sich politisch seit 1889 im Lindener Bürgervorsteherkollegium als Schriftführer und Vertreter des dritten Bezirks. Um die Wende zum Jahr 1897 wurde er erst zum[9] „lebenslänglichen“[10] Deputierten für die Stadt Linden in die Ritterschaft der Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft gewählt und kurz darauf am 28. März 1897[9] zum unbesoldeten Senator Lindens.[3]

Fischer nahm Anfang des 20. Jahrhunderts gemeinsam mit anderen bekannten Persönlichkeiten der Stadt unter anderem das Amt des Lokalvorstehers des Schüler-Unterstützungs-Vereins für die Schüler an der hannoverschen Bildungsanstalt für jüdische Lehrer wahr.[11] Im April 1901 wurde er Mitglied des Vorstandes im Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs in Hannover.[12]

1902 wurde Fischer Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, die sich in der Neuen Synagoge versammelte; das Amt übte er bis 1914 aus.[13] Daneben war er Mitglied im Zentralkomitee des Hilfsvereins der deutschen Juden[14] und engagierte sich ähnlich wie seine Ehefrau als stellvertretender Vorsitzender des Vereins der Israelitischen Erziehungsanstalt zu Ahlem.[15]

1903 datierte Ansichtskarte „Villa Fischer, Hannover-Linden

Unterdessen hatte Fischer 1903 die dann nach ihm Villa Fischer benannte Villa Niemeyerstraße 12 als eigenen Wohnsitz gekauft.[16] Er war Mitglied der in Hamburg ansässigen Freimaurerloge Ferdinande Caroline.[17]

Neben seinen politischen und kulturellen Aufgaben stand Fischer zudem der Häute- und Fellhandlung Louis A. Fischer nahe dem städtischen Lindener Schlachthof vor.[1] Zu Beginn des 20. Jahrhunderts übte der Großkaufmann weitere wirtschaftliche Funktionen aus, etwa als Vorstandsvorsitzender der Aachener Lederfabrik AG mit Sitz in Aachen, als Vorstandsvorsitzender der Schallplattenfabrik Schallplattenfabrik Favorite in Linden[18] und späteren Aktiengesellschaft Favorite Record mit Sitz in Berlin,[19] als Mitglied im Aufsichtsrat der Hannoverschen Baumwollspinnerei und -weberei sowie der Hannoverschen Straßenbahn[18] Üstra.

Versteigerung des Inventars der Norddeutschen Geschosswerke GmbH im Juli 1918 in der Nenndorfer Chaussee 80;
Anzeige im Hannoverscher Courier des Jahres

Nach Beginn des Ersten Weltkrieges gründete Fischer im Januar 1915 in Linden die Firma Norddeutsche Geschosswerke, ein Füllwerk für Munition. Um Aufträge durch das Militär zu erhalten, verschaffte er sich bei dem in der Königlichen Geschossfabrik Spandau dienstverpflichteten Heinrich Nürnberger entsprechende Informationen. Wegen des Verdachts der Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit kamen Fischer und Nürnberger im Februar 1916 in Untersuchungshaft, wurden aber im Oktober durch das Kriegsgericht erstmals freigesprochen und erneut im Februar 1918 in der Berufungsverhandlung vor dem Oberkriegsgericht, da der Informationsaustausch im Kern ein Akt patriotischer Pflichterfüllung gewesen sei, um die Munitionsversorgung des deutschen Heeres zu verbessern.[20]

Ehrengrab für Senator Leopold Fischer und Martha, geb. Helfft, auf dem Jüdischen Friedhof An der Strangriede

Leopold Fischer wurde auf dem Jüdischen Friedhof An der Strangriede beigesetzt, wo sich sein Ehrengrab nahe der Predigerhalle erhalten hat.[13]

Nach Fischers Tod bewohnte sein Verwandter Alfred Fischer, Prokurist in der Lindener Firma „Louis A. Fischer Rohhäute- und Fellhandlung“, die Villa in der Niemeyerstraße 12.[16]

Schriften

  • Die „Jüdische Turnerschaft in Hannover“, in: Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus, Bd. 14 (1904), S. 195f.; Google-Books
  • Linden sonst und jetzt. Eine Reihe von Lichtbildern mit verbindendem Text, [o. O., o. D., 1910][21]
  • Handbuch für jüdische Gemeindeverwaltung und Wohlfahrtspflege (Statistisches Jahrbuch), hrsg. vom Büro des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes, aktualisierter Sonderdruck für die Provinz Hannover, 1913
    • Faksimile in: ASARIA. Die Juden in Niedersachsen, 1979, S. 665–676[22]

Siehe auch

Literatur

  • Barūkh Zvi ʾOfir: Pinḳas ha-ḳehilot, [2]: Germanyah - Bawaryah: entsiḳlopediyah shel ha-yeshuvim ha-yehudim le-min ha-yusadam ṿe-'ad la-aḥer sho'at milḥemet ha-'olam ha-sheniyah (= Pinkas hakehillot. Encyclopedia of Jewish communities from their foundation till after the Holocaust), Ausgabe 4, Teil 2, Yerushalayim: Yad ṿa-Shem, 1972, S. 802; Vorschau über Google-Bücher

Archivalien

Archivalien von und über Leopold Fischer finden sich beispielsweise

Commons: Leopold Fischer (1853-1927) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Sigilla veri, 1929, S. 358; Vorschau über Google-Bücher
  2. Inschrift auf dem Ehrengrab auf dem Jüdischen Friedhof An der Strangriede
  3. a b c d Amtsblatt für den Regierungsbezirk Hannover, Jahrgang 1897 (Stück 20 vom 7. Mai 1897), S. 117; Google-Books
  4. a b Dokumentenmappe der Familie Kauffmann aus Hannover (1811 - 1941) / Bestand B. 3/31 (Zugang: 98/8) auf der Seite zentralarchiv-juden.de [ohne Datum], zuletzt abgerufen am 7. August 2025
  5. Beilage zu Nummer 102 der Germania vom 4. Mai 1878; Google-Books
  6. Jahres-Bericht des Rabbiner-Seminars für das Orthodoxe Judenthum pro ... ; vom Curatorium, 1879, S. 28; Google-Books
  7. Auskunftserteilung über den Geheimen Kommerzienrat und Bankier Edmund Helfft und seine Söhne, Hofbankier Moritz Helfft und den Bankier Georg Helfft, Landesarchiv Berlin, Archiv-Signatur A Pr.Br.Rep. 030 : 10570
  8. 2. Beilage des Berliner Börsen-Courier Nr. 179 vom 19. April 1898; Google-Books
  9. a b Ludwig Scharf (Red.): Mittheilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus, Band 7 (1897), S. 112; Google-Books
  10. Dr. Blochs Oesterreichische Wochenschrift. Centralorgan für die gesammten Interessen des Judenthums, Jahrgang 1897, S. 3; Google-Books
  11. Allgemeine israelitische Wochenschrift, Band 10 (1901), S. 269; Google-Books
  12. Vanessa Erstmann: Hannover. Die historische Genese eines Stadtimages. Zum Einfluss von Stereotypisierungen auf die städtische Imageprofilierung und urbane Identität, Dissertation 2023 an der Philosophischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover, S. 177; PDF-Download
  13. a b Peter Schulze: Ein Rundgang über den Friedhof An der Strangriede, in ders.: Juden in Hannover. Beiträge zur Geschichte und Kultur einer Minderheit, Hannover 1989, S. 128ff.; hier: S. 129
  14. Dritter Geschäftsbericht (1904) des Hilfsvereins der deutschen Juden erstattet der Generalversammlung am 26. Februar 1905, Berlin 1905, S. 62; PDF-Download über das Maison de l'Orient et de la Méditerranée Jean Pouilloux (MOM)
  15. Bericht über die Israelitische Erziehungsanstalt zu Ahlem bei Hannover für das Jahr 1903, S. 12, 13, 24; Vorschau über Google-Bücher
  16. a b Robin Beck: HAZ-Serie "Denkmale in Hannover" / 150 Jahre alt: So wurde die Villa Fischer an der Niemeyerstraße 12 in Linden einst erbaut, illustrierter Artikel hinter Bezahlschranke auf der Seite der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 4. August 2025, zuletzt abgerufen am 7. August 2025
  17. Mitteilungen aus dem Verein deutscher Freimaurer 1904–1905, Leipzig: Druck von Bruno Zechel, 1905, S. 42, 45; Google-Books
  18. a b Adressbuch der Directoren und Aufsichtsrats-Mitglieder der Actien-Gesellschaften, 1908, S. 245; Google-Books
  19. Adreßbuch der Direktoren und Aufsichtsräte, Jahrgang 1928, S. 425; Vorschau über Google-Bücher
  20. Michael Jürging: Heinrich Nürnberger, ein Mann zwischen Beruf und Berufung, illustrierter Artikel auf der Seite lebensraum-linden.de vo88m 23. Januar 2016,88 zuletzt abgerufen am 7. August 2025
  21. Walter Buschmann: Linden : Geschichte einer Industriestadt im 19. Jahrhundert ( = Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens), zugleich Dissertation 1979 an der Universität Hannover, Hannover 1980, S. 564, 584; Vorschau über Google-Bücher
  22. Stefan Brüdermann: Geschichte Niedersachsens, Bd. 4: Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, Göttingen: Wallstein Verlag, ISBN 978-3-8353-1585-3, S. 1004; Vorschau über Google-Bücher