Leonhard Wacker

Leonhard Heinrich Wacker (* 22. August 1895 in Düsseldorf; † nach 1945) war ein deutscher Maler, Restaurator und Kunstfälscher.

Leben

Leonhard Wacker war der älteste Sohn des Düsseldorfer Malers Hans Wacker und dessen Ehefrau Elise, geborene Allkemper. Er wurde Maler und Restaurator und hatte ein Atelier in Düsseldorf. 1922 beteiligte er sich an einer Ausstellung der Künstlergruppe Das Junge Rheinland.[1] Noch nach 1945 betrieb er mit seinem Bruder Otto Wacker eine Restauratorenwerkstatt in Berlin.[2]

Kunstfälschungen

Fälschung Seascape at Saintes-Maries-de-la-Mer (um 1928, Kröller-Müller Museum)

Ende der 1920er Jahre war Leonhard Wacker in einen Kriminalfall um die Fälschung von Gemälden des Malers Vincent van Gogh verwickelt. Sein Bruder Otto hatte unter Berufung auf Veräußerungen eines angeblichen russischen Sammlers, der aus der Sowjetunion geflohen war, in dieser Zeit immer mehr Bilder des gefragten niederländischen Malers in den Berliner Kunsthandel gebracht. Obwohl keine tragfähigen Provenienz-Nachweise vorlagen, wurde die Echtheit der Bilder von einigen Fachleuten, darunter Julius Meier-Graefe und Hans Rosenhagen, bestätigt. Verschiedene Kunsthändler und -sammler kauften Van-Gogh-Gemälde von Wacker, etwa der US-amerikanische Bankier und Kunstpatron Chester Dale (1883–1962). Auf Empfehlung des Kunstsachverständigen Hendricus Petrus Bremmer erwarb die Kunstsammlerin Helene Kröller-Müller über den Kunstzaal d’Audretsch des Kunsthändlers Herman Eduard d’Audretsch (1872–1966) in Den Haag Otto Wackers angebliches Van-Gogh-Bild Seascape at Saintes-Maries-de-la-Mer (um 1928, Öl auf Leinwand, 43 × 56 cm, Kröller-Müller Museum).[3]

1928 sollten in einer Van-Gogh-Ausstellung bei dem Kunsthändler Paul Cassirer 90 Bilder des berühmten Künstlers ausgestellt werden. Aus den Beständen Otto Wackers sollten davon vier gezeigt werden. Die Kunsthistorikerin und Geschäftsführerin Grete Ring zweifelte die Echtheit der Bilder an und wies sie zusammen mit ihrem Geschäftspartner Walter Feilchenfeldt ab, nachdem sie im Rahmen der Kuratierung der Ausstellung festgestellt hatten, dass sie nicht zu anderen Werken van Goghs aus der gleichen Schaffensphase passten. Nach Recherchen erhärtete sich ihr Verdacht, dass die Bilder von Otto Wacker Fälschungen seien. Sie zeigte den Fall bei der Kriminalpolizei an. Die Angelegenheit führte zu einem Gerichtsprozess, in dem Otto Wacker 1932 am Ende zu einer Freiheitsstrafe von 19 Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt wurde. Im Zuge der Ermittlungen gegen Otto Wacker hatte die Polizei Wohnungen und Werkstätten von Vater Hans und Bruder Leonhard Wacker durchsucht. Dort fand sie sowohl Vorstudien als auch weitere Fälschungen. Bei Leonhard Wacker wurden zwölf Bilder beschlagnahmt, von denen man annahm, dass sie zu Betrugszwecken hergestellt worden waren, unter anderem das Gemälde Schnitter im Kornfeld (um 1928, Öl auf Leinwand, 40 × 55 cm, Alte Nationalgalerie).[4] Um eine Fälschung zu beweisen, wurden erstmals Untersuchung mit Röntgenstrahlung durchgeführt. Die Kunsttechnologen Kurt Wehlte, Helmut Ruhemann und Martin de Wildt (1899–1969) verglichen dafür Wackersche Bilder mit Vergleichswerken Van Goghs.[5] Obwohl einige der Vergleichswerke heute ebenfalls in ihrer Echtheit angezweifelt werden, ergab sich, dass sich die Wackerschen Fälschungen deutlich unterschieden: Während bei den Vergleichsbildern die einzelnen Pinselstriche zur Entwicklung einer Tiefenperspektive unterschiedlich stark waren, gab es bei den Wackerschen Fälschungen keine solche Abstufung.[6]

Angenommen wird, dass die von Otto Wacker in den Handel gebrachten Fälschungen von Hans und Leonhard Wacker angefertigt worden waren. Eindeutig geklärt ist ihre Urheberschaft unter den beiden Malern nicht.[7] 16 bis 18 der 33 von dem Kunsthistoriker Jacob-Baart de la Faille in dessen Van-Gogh-Werkverzeichnis[8] noch für echt gehaltenen Falsifikate wurden später Leonhard Wacker zugeschrieben.[9][10][11][12][13] Einige der Fälschungen befinden sich heute in bedeutenden Museen und werden dort in der Regel in Depots verwahrt. Andere befinden sich wohl noch in Privatbesitz. Ein gefälschter Olivenhain, der im April 1964 auf einer Auktion von Sotheby’s in New York versteigert werden sollte, konnte erst im letzten Moment als bereits entlarvte Fälschung identifiziert und zurückgezogen werden. 1965 wurden in Paris möglicherweise 16 der Wackerschen Fälschungen in Anwesenheit von Sachverständigen verbrannt.[14]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Susanne Anna, Annette Baumeister: Das Junge Rheinland. Vorläufer, Freunde, Nachfolger. Stadtmuseum Düsseldorf, Hantje Cantz, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-7757-1989-6, S. 164
  2. Peter Köhler: Fake. Die kuriosesten Fälschungen aus Kunst, Wissenschaft, Literatur und Geschichte. C. H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-4066-8129-5 (Google Books)
  3. Leonhard Wacker: Zeegezicht te Saintes-Maries-de-la-Mer, c. 1927–1928, Seascape at Saintes-Maries-de-la-Mer, Objektdatenblatt im Portal krollermuller.nl, abgerufen am 8. September 2025
  4. Schnitter im Kornfeld, Objektdatenblatt im Portal recherche.smb.museum, abgerufen am 9. September 2025
  5. Monika Kammer: Möglichkeiten der Bildauswertung digitalisierter historischer Gemälde-Röntgenaufnahmen am Beispiel des wissenschaftlichen Nachlasses des Künstlers, Maltechnikers und Restaurators Kurt Wehlte (1897–1973). In: Digitale Dingwelten. Datengestützte Objekt- und Sammlungsforschung. Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin 2023, S. 93–101 (PDF)
  6. Kurt Wehlte: Röntgenuntersuchungen im Wacker-Prozeß. In: Kunst und Künstler. Illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe. Jahrgang 1932, Heft 5, S. 175–178
  7. Susanna Partsch: Tatort Kunst. Über Fälschungen, Betrüger und Betrogene. C. H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60621-2, S. 187 (Google Books)
  8. Jacob-Baart de la Faille: L’oeuvre de Vincent van Gogh. Catalogue raisonné. G. van Oest, Paris 1928
  9. Jacob-Baart de la Faille: Les Faux Van Gogh. G. van Oest, Paris und Brüssel 1930
  10. Henk Tromp: A Real van Gogh. How the Art World Struggles with Truth. Amsterdam University Press, Amsterdam 2010, ISBN 978-90-8964-176-2, S. 57 (Google Books)
  11. Anett Göthe: Der falsche Vincent. staedelmuseum.de, 12. Dezember 2019, abgerufen am 8. September 2025
  12. Modris Eksteins: Solar Dance. Van Gogh, Forgery, and the Eclipse of Certainty. Harvard University Press, 2012, ISBN 978-0-6740-6954-1, S. 68, 173, 179 f., 224, 232
  13. Sophie Gurjanov: Von Fälschern und aufmerksamen Blicken. In: Sarah Hampel, Franziska Kabelitz, Angelika Walther (Hrsg.): (Un)seen stories. Suchen, Sehen, Sichtbarmachen. Katalog zur Ausstellung im Kupferstichkabinett Berlin, Heidelberg 2024, S. 81 f.
  14. Henry Keazor: Täuschend echt! Eine Geschichte der Kunstfälschung. wbg, Darmstadt 2015, Neuauflage Frölich & Kaufmann Verlag, Berlin 2025, ISBN 978-3-911527-14-9, S. 187 (Google Books)