Leo Nachtlicht

Grabstätte auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee, Feld Q 4
Stolperstein vor dem Haus, Trautenaustraße 10, in Berlin-Wilmersdorf

Leo Nachtlicht (* 12. August 1872 in Bielitz; † 22. September 1942 in Berlin)[1] war ein jüdischer deutscher Architekt.

Leben

Leo Nachtlicht kam im Alter von sieben Jahren nach Berlin, besuchte dort zuerst die Gemeindeschule, später das Realgymnasium.[2] Nach dem Studium an der Technischen Hochschule Charlottenburg und an der Technischen Hochschule Karlsruhe, das er mit dem akademischen Grad eines Diplom-Ingenieurs in Karlsruhe abschloss, arbeitete er zunächst im Architekturbüro von Bruno Möhring in Berlin. Von 1904 bis 1933 führte er ein eigenes Atelier in Berlin. Er baute dort Villen, Landhäuser, den Gourmenia-Palast am Zoologischen Garten,[3][4] diverse Inneneinrichtungen[5][6] für Wohnungen, Läden, Kunstgewerbe- und Architekturausstellungen. 1913 unterrichtete er an der 1910 unter Mitwirkung des Deutschen Werkbunds gegründeten Höheren Fachschule für Dekorationskunst; von 1928 bis 1930 war Hermann Henselmann sein Mitarbeiter.

Leo Nachtlicht war Mitglied im Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin, im Deutschen Werkbund und im Bund Deutscher Architekten. Seine Kunstsammlung zeitgenössischer Malerei, darunter Bilder von Emil Nolde, Ernst Oppler und Paula Modersohn-Becker, wurde 1932 während der Weltwirtschaftskrise versteigert.[7][8] Nachtlicht wurde als Jude 1933/1934 nicht in die Reichskammer der bildenden Künste übernommen und verlor damit die Möglichkeit, in Deutschland als selbständiger Architekt zu arbeiten. 1938 bewarb er sich vergeblich um eine Arbeitserlaubnis in London.

Ca. 1908 hatte Nachtlicht Anna Levy geheiratet, geboren am 28. Mai 1880 in Marienwerder (Westpreußen) / Kwidzyn.[7] Den gemeinsamen Töchtern Ursula (1909–1999) und Ilse (* 1912) gelang es, am 18. April 1939 nach London zu emigrieren.[9] Ursula konnte dort als Fotografin Fuß fassen. Spätestens ab 1946 nutzten die Schwestern den Nachnamen „Knight“.[9] Leo Nachtlicht starb 1942 kurz vor der Deportation in der Privatklinik Wilmersdorf an einer Darm-Blasen-Fistel,[10] nach anderen Angaben möglicherweise an den Folgen eines Selbstmordversuchs.[1] Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee begraben.[11] Seine Frau Anna Nachtlicht wurde am 19. Oktober 1942 nach Riga deportiert und dort am 22. Oktober 1942 ermordet.[7]

Am 29. April 2012 wurde ein Stolperstein für Leo Nachtlicht in Berlin-Wilmersdorf verlegt,[1] im November 2012 würdigte BIKINI Berlin sein Werk und Schaffen mit einer Ausstellung.[12]

Werke (Auswahl)

Gebäude der Berliner Secession

Literatur

  • Robert Volz: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild. Band 2: L–Z. Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1931; DNB 453960294.
  • Myra Warhaftig: Deutsche jüdische Architekten vor und nach 1933. Das Lexikon. Reimer, Berlin 2005, ISBN 3-496-01326-5.
  • Stefan Roloff: Die Rote Kapelle. Ullstein, München 2002, ISBN 3-550-07543-X.
  • Leo Nachtlicht (1872–1942). In: Harald Bodenschatz, Benedikt Goebel, Hans-Dieter Nägelke (Hrsg.): Im Gleichschritt. Der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin im Nationalsozialismus. Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin, Berlin 2023, ISBN 978-3-943164-23-7, S. 16.
Commons: Leo Nachtlicht – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Leo Nachtlicht. stolpersteine-berlin.de; Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin.
  2. Maschinenschriftlicher Lebenslauf von Leo Nachtlicht, vom 24. Juni 1931. In: Otto Schneid Papers – Correspondence before 1939 – Nachtlicht, Leo, 5:2, University of Toronto; Textarchiv – Internet Archive.
  3. Leo Nachtlicht, Architekt der Weißensee-Villa. TAG24 News, 5. Oktober 2015, abgerufen am 26. April 2019 (Credit: BikiniBerlin, Idee: Torsten Hilscher).
  4. Jan-Peter Wulf: Gourmenia-Palast, gastronomischer Vorgänger des Bikini Berlin. 3. April 2014, abgerufen am 26. April 2019.
  5. Arbeiten von Architekt Leo Nachtlicht. In: Innendekoration: mein Heim, mein Stolz; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort. Nr. 31, 1920 (uni-heidelberg.de).
  6. Leo Nachtlicht: Warenhausdekorationen. In: Berliner Architekturwelt. Nr. 6, September 1907, S. 201 (zlb.de).
  7. a b c Anna Nachtlicht geb. Levy. stolpersteine-berlin.de; Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin.
  8. Max Perl: Sammlung Dipl.-Ing. Leo Nachtlicht und Beiträge aus anderem Besitz; Sonnabend, den 6. Februar 1932 (Katalog Nr. 170) (Berlin, 1932). In: Heidelberger historische Bestände – digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, abgerufen am 5. Februar 2024.
  9. a b Nachtlicht Family Collection | The Center for Jewish History ArchivesSpace. Abgerufen am 5. Februar 2024 (englisch).
  10. StA Wilmersdorf von Berlin, Sterbeurkunde Nr. 1993/1942
  11. Drehort: Nachtlicht-Villa Das Haus in Sacrow hat eine bewegte Geschichte. Potsdamer Neueste Nachrichten, 19. November 2011, abgerufen am 26. April 2019.
  12. Hommage an Leo Nachtlicht. In: urbanite.net. 2012, abgerufen am 26. April 2018.
  13. –t.: Die moderne Ausstellung bei Keller und Reiner. In: Berliner Architekturwelt. Nr. 12, März 1910, S. 450–464 (zlb.de).
  14. Landhaus Corts, Frohnau. In: Berliner Architekturwelt. Nr. 7, Oktober 1912, S. 281–288 (zlb.de). Eintrag 09012375 in der Berliner Landesdenkmalliste
  15. Landhaus Müller, Berlin-Zehlendorf. In: Berliner Architekturwelt. Nr. 7, Oktober 1912, S. 279 (zlb.de).
  16. Andres Imhof: Villa Tiede in Brandenburg an der Havel. In: kudaba, die Kulturdatenbank. 19. Februar 2005, abgerufen am 26. April 2019.
  17. Deutsche Kunst, Band 50.
  18. a b c Heinrich de Fries: Moderne Villen und Landhäuser. Wasmuth, Berlin 1925.
  19. Vermischtes. In: Zentralblatt der Bauverwaltung. Nr. 37, 1925, S. 457 (zlb.de).
  20. Elisabeth M. Hajos, Leopold Zahn: Berliner Architektur der Nachkriegszeit. Albertus Verlag, Berlin 1928, S. 48, S. 128.
  21. Roman Heiligenthal: Wettbewerb für einen Bebauungsplan des Messe- und Ausstellungsgeländes in Berlin. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst. Nr. 2, 1926, S. 44–58 (zlb.de). Vermischtes. In: Zentralblatt der Bauverwaltung. Nr. 51, 1925, S. 625 (zlb.de).
  22. Anja Himmelsbach: Das „Landhaus Perlis“ in Sacrow von Leo Nachtlicht. In: Brandenburgische Denkmalpflege, 2010, 19. Jahrgang, Heft 2, S. 72–78.
  23. Wettbewerbe. In: Zentralblatt der Bauverwaltung. Nr. 23, 1929, S. 377–378 (zlb.de).
  24. Eintrag 09011874 in der Berliner Landesdenkmalliste