Leo Koenigsberger
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Leo Koenigsberger (* 15. Oktober 1837 in Posen; † 15. Dezember 1921 in Heidelberg) war ein deutscher Mathematiker und Hochschullehrer.
Leben
Koenigsberger wurde als erstes von 12 Kindern in eine reiche jüdischen Kaufmannsfamilie in der Provinz Posen geboren. Er besuchte das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium (Posen). 1853 wurde Lazarus Fuchs für ein Jahr sein Hauslehrer; ihm gelang es, seinen bis dahin desinteressierten und schlechten Schüler für die Mathematik zu begeistern. Nachdem Koenigsberger 1857 sein Abitur abgelegt hatte, folgte er Fuchs an die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Dort wurde er maßgeblich von Karl Weierstraß geprägt. 1860 schoss er sein Studium mit der Promotion (De motu puncti versus duo fixa centra attracti) bei Weierstraß ab und legte anschließend die Prüfung pro facultate docendi ab, die zum Gymnasialunterricht befähigte. An die Prüfung schloss sich eine unbezahlte Probezeit an, die Koenigsberger am mathematisch-pädagogischen Seminar des Friedrichs-Wilhelms-Gymnasiums ableistete. Von 1861 bis 1864 wirkte er als Mathematik- und Physiklehrer an der Berliner Kadettenanstalt.
Er habilitierte sich in Berlin und wurde 1864 Professor für Mathematik an der Universität Greifswald. 1869 übernahm er die Professur von Otto Hesse an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 1875 wechselte er an das Königlich Sächsische Polytechnikum nach Dresden und 1877 an die Universität Wien. 1884 kehrte er nach Heidelberg zurück, wo er die letzten 36 Jahre seines Professorenlebens verbrachte. 1893 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Seit 1909 war er ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und von 1909 bis 1915 deren Sekretar.[1]
Koenigsbergers Forschung galt vor allem der Theorie elliptischer und hyperelliptischer Integrale sowie komplexer Differentialgleichungen, letzteres in enger Zusammenarbeit mit Lazarus Fuchs. Seine wichtigsten Werke sind seine Monographien über elliptische und hyperelliptischen Integrale von 1874 bzw. 1878 sowie seine Biographien von Hermann von Helmholtz (1902/03) und Carl Gustav Jacobi. Er hinterließ auch Memoiren. Wie viele andere Hochschullehrer verzichtete Leo Koenigsberger auf seine englischen Auszeichnungen und beteiligte sich an der gegen England gerichteten Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches vom Oktober 1914.[2]
Koenigsberger war seit 1873 mit Sophie Koenigsberger, geborene Kappel, verheiratet. 1874 wurde sein Sohn Johann Koenigsberger geboren, der später Physikprofessor in Freiburg wurde. Zwei Jahre später kam seine Tochter Ani zur Welt. Leo Koenigsberger liegt neben seiner Frau am so genannten Professorenweg des Heidelberger Bergfriedhofes begraben.
Schriften (Auswahl)
- Die Transformation, die Multiplication und die Modulargleichungen der elliptischen Funktionen. Leipzig 1868.
- Vorlesungen über die Theorie der elliptischen Functionen, nebst einer Einleitung in die allgemeine Functionenlehre. Teubner, Leipzig 1874 (University of Michigan Library).
- Vorlesungen über die Theorie der hyperelliptischen Integrale. Teubner, Leipzig 1878 (Projekt Gutenberg).
- Allgemeine Untersuchungen aus der Theorie der Differentialgleichungen. Teubner, Leipzig 1882.
- Zur Geschichte der Theorie der elliptischen Transcendenten in den Jahren 1826–29. Teubner, Leipzig 1879 (Projekt Gutenberg).
- Lehrbuch der Theorie der Differentialgleichungen mit einer unabhängigen Variablen. Teubner, Leipzig 1889.
- Die Prinzipien der Mechanik. Teubnier, Leipzig 1901.
- Hermann von Helmhotz's Untersuchungen über die Grundlagen der Mathematik. Teubner, Leipzig 1896. (archive.org)
- Hermann von Helmholtz. 3 Bände. Braunschweig 1902–1903.
- Carl Gustav Jacob Jacobi. Teubner, Leipzig 1904. (Digitale Bibliothek Univ. Heidelberg)
- Die Mathematik – eine Geistes- oder Naturwissenschaft? Festrede in der Sitzung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Heidelberg 1913.
- Mein Leben. Winter-Verlag, Heidelberg 1919. (Erw. Ausgabe. Univ. Heidelberg 2015.)
Literatur
- K. Bopp: Leo Koenigsberger als Historiker der mathematischen Wissenschaften. In: Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, 33. Jg. 1924, S. 104.
- Eberhard Knobloch: Koenigsberger, Leo. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 355 f. (Digitalisat).
- Dagmar Drüll: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932. ( Hrsg.): Rektorat der Ruprecht-Karls-Universität-Heidelberg. Springer Berlin Heidelberg Tokio. 2012, ISBN 978-3-642-70761-2.
- Alfred Pringsheim: Leo Koenigsberger. In: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1921, S. 45–49.
Einzelnachweise
- ↑ Mitglieder der HAdW seit ihrer Gründung im Jahr 1909. Leo Koenigsberger. Heidelberger Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 28. Juni 2016.
- ↑ Heidelberger Tageblatt vom 8. September 1914, S. 5.
Weblinks
- Literatur von und über Leo Koenigsberger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Koenigsberger, Leo in: Heidelberger Texte zur Mathematikgeschichte
- Gabriele Dörflinger: Leo Koenigsberger. Eine Materialsammlung aus Historia Mathematica Heidelbergensis.
- Gabriele Dörflinger: Leo Koenigsberger (1837-1921). Berliner Mathematische Gesellschaft e.V.
- Schriftenverzeichnis Leo Koenigsberger
- John J. O’Connor, Edmund F. Robertson: Leo Koenigsberger. In: MacTutor History of Mathematics archive (englisch).
- Leo Koenigsberger im Mathematics Genealogy Project (englisch)