Leo Feichtmeier
Leo Feichtmeier (* 28. Juli 1933 in Freihung; † 24. Mai 2025 in Regensburg) war ein deutscher römisch-katholischer Priester und Gegner der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf (WAA).
Leben und Wirken
Feichtmeier wuchs in Freihung (heute Landkreis Amberg-Sulzbach) zusammen mit zwei Brüdern und einer Schwester auf. Seine Mutter war Schneiderin und der Vater arbeitete bei der Post. Mit elf Jahren kam Feichtmeier ins Internat im Priesterseminar Regensburg. Nach dem Abitur 1952 begann er sein Noviziat bei den Jesuiten in München und studierte dort Theologie und Philosophie. Nach zwei Jahren pädagogischen Praktikums in St. Blasius setzte er sein Studium in Innsbruck fort, wo er dieses abschloss.[1] Auch zwei seiner Brüder wurden Priester, wobei die Mutter eher kirchenkritisch eingestellt war. Einen großen Teil seiner Priesterausbildung hatte Feichtmeier bei den Jesuiten absolviert, danach entschied er sich, Diözesangeistlicher zu werden. Am 29. Juni 1964 wurde er im Regensburger Dom zum Priester geweiht. Als Kaplan war er in Windischeschenbach und in Roding im Einsatz. Ab 1970 war er Pfarrer und Religionslehrer am Regental-Gymnasium in Nittenau.[2]
Feichtmeier starb am 24. Mai 2025 im Alter von 91 Jahren.[3]
Kirchenkritische Haltung
Seine kritische Einstellung zur Kirche führte Feichtmeier auf seine Erziehung und Ausbildung bei den Jesuiten zurück. Er meinte, die Kirche sei ein „Feudalsystem“, in der man sich füge und vieles schlucke, und man solle sich „nicht von Rom und den Bischöfen herumkommandieren lassen“. Er forderte, dass die Kirche zum Beispiel anders mit dem Priestermangel umgehen müsste. Man sollte auf die Vorschläge maßgeblicher Theologen eingehen und bewährte verheiratete Männer weihen und auch Männer ohne Abitur zur Priesterweihe zulassen. Daneben sollte man jedem Priester die Entscheidung freistellen, ob er zölibatär leben wolle, denn der derzeitige Zustand sei unhaltbar.[4]
Feichtmeier schrieb oft kirchenkritische Artikel für das Magazin Pipeline[5] des Aktionskreises Regensburg.[6] Er forderte „viel mehr Mitspracherecht der Basis“ in der Kirche, dazu müssten auch Frauen „aufgewertet“ werden und die Bischöfe sollten von der Basis gewählt werden. Auch die Gottesdienste müssten lebendiger werden und mehr für die Jugend bieten. „Wir sind eine langsam dahinsiechende Kirche mit vielen älteren Leuten.“ Die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare sah er nicht als Problem und widersprach dabei seinem Bischof Rudolf Voderholzer.[4]
Er war u. a. im Aktionskreis Regensburg und bei Wir sind Kirche engagiert und wurde dreimal zum Bischof zitiert.[7]
Gegner der WAA Wackersdorf


Feichtmeier wurde als Gegner der und Demonstrant gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf in den 1980er Jahren bekannt.[9] Er war Religionslehrer am Gymnasium, Pfarrer in Nittenau und bei den allsonntäglichen Gottesdiensten am Franziskus-Marterl aktiv. Das bayerische Kultusministerium leitete ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein, weil er sich agitatorisch gebärdet und so gegen das Mäßigungsgebot des Beamtengesetzes verstoßen habe.[10][11]
Feichtmeier schrieb den Text zur Weihe des „Gestohlenen Kreuzes von Wackersdorf“; als das Kreuz im Hüttendorf eine Woche später von der Polizei abgesägt wurde, verlas er über Lautsprecher den Bibeltext über die Kreuzabnahme Jesu (Joh 19,38–40 ).[12] Bei einer ökumenischen Andacht auf dem Schwandorfer Marktplatz im Juni 1986 verlas Feichtmeier den ersten Hirtenbrief gegen die WAA im deutschsprachigen Raum vom Linzer Bischof Maximilian Aichern.[13] Der Regensburger Generalvikar Fritz Morgenschweis meinte, er dürfe sich nicht einmischen, „wenn es um unser Kraftwerk geht!“ „Langsam“ stellte er das Establishment aus Kirchenoberen und CSU in Frage und verlor die Furcht vor den Mächtigen.[14][15]
Die Pfarrer Leo Feichtmeier, Andreas Schlagenhaufer, Richard Salzl, Albert Kobler, Siegfried Felber hielten die sonntäglichen ökumenischen Andachten am Franziskus-Marterl.[16] Der Regensburger Generalvikar Karl Morgenschweis wies 1986 in einem Brief im Namen von Bischof Manfred Müller die fünf Pfarrer darauf hin, dass keine kirchliche Versicherung für die Versammelten am Franziskus-Marterl bestünde und Eucharistiefeiern am WAA-Gelände verboten wären.[17]
Auszeichnungen
2021 wurde er mit der Verdienstmedaille des Landkreises Schwandorf ausgezeichnet. In der Begründung heißt es, Feichtmeier ermutige „seit jeher seine Zuhörer und Schüler“, sich eine eigene Meinung zu bilden: „So stand er auch gegen [den] Widerstand der Obrigkeit als ‚WAA-Pfarrer‘ am Bauzaun und predigte für die Demonstranten.“[18] 2024 durfte er sich in das Goldene Buch der Stadt Nittenau eintragen.[19]
Dokumentationen
- Atomstreit in Wackersdorf – Die Geschichte einer Eskalation 2017, Feichtmeier ab Min. 10 und 41[20]
- Einweihung des Solarparks Fronberg durch Leo Feichtmeier und weitere WAA-Gegner 2018[21]
- Zeitzeugen des WAA-Widerstands[22][23] u. a. mit Hans Schuierer, Leo Feichtmeier, Hubert Weiger 2018
- Franziskus-Marterl in Wackersdorf: Christlicher Widerstand gegen Atomkraft auf DLF 2024 mit Leo Feichtmeier, Hans Schuierer, Andreas Schlagenhaufer, Wolfgang Nowak[24]
Publikationen (Auswahl)
- Interview mit Leo Feichtmeier, Mitglied des Arbeitskreises Theologie und Kernenergie in Regensburg, über die Erfahrungen mit der Amtskirche und der weltlichen Obrigkeit: Ein Traum von Kollegialität. In: Roman Arens, Beate Seitz, Joachim Wille: Wackersdorf. Der Atomstaat und die Bürger. Essen 1987, ISBN 978-3-88474-424-6, S. 98–103.
- Leo Feichtmeier – Arbeitskreis Theologie/Kernergie, in: Radi Aktiv 5/1985, S. 34[25]
Siehe auch
Weblinks
- Heribert Prantl: Leo der Zornige. Nachruf auf einen kreuzbraven Widerständler. In: Süddeutsche Zeitung. 1. Juni 2025
Einzelnachweise
- ↑ Susanne Christina Weiss: Kulturell tätige Lehrer in Nittenau. Regensburg 1992, S. 30.
- ↑ Nun schweigt der WAA-Pfarrer für immer in: Mittelbayerische Zeitung vom 26. Mai 2025.
- ↑ Pfr. i. R. Leo Feichtmeier verstorben. Bistum Regensburg, 26. Mai 2025, abgerufen am 2. Juni 2025.
- ↑ a b Ein kreativer und kritischer Ordensmann ( vom 13. September 2024 im Internet Archive) Interview in: Mittelbayerische Zeitung vom 1. September 2018.
- ↑ Pipeline – Mitteilungsblatt des Aktionskreises Regensburg, Aktionskreis Regensburg (AKR).
- ↑ Feichtmeiers Werte sollen fortleben – Wachsam und kritisch sein: So lautete der Appell beim Abschied vom WAA-Pfarrer in: Mittelbayerische Zeitung vom 30. Mai 2025.
- ↑ Pfarrer widerspricht dem Bischof. ( vom 24. Januar 2025 im Internet Archive) In: Mittelbayerische Zeitung. 24. März 2021.
- ↑ Theologe Leo Feichmeier bei Marterl-Andacht: „Zeichen des Protests“ – Der katholische Theologe Leo Feichtmeier gehört in den 1980er Jahren zu den Staatsfeinden. Drei Disziplinarverfahren strengte die Regierung gegen den Religionslehrer am Gymnasium Nittenau an. Bei der Marterl-Andacht am Sonntag im Taxöldener Forst erinnert sich der heute 85-jährige Oberstudienrat im Ruhestand. in: Onetz vom 30. April 2018.
- ↑ WAA-Proteste machten ihn bekannt – Auch mit 90 predigt er noch fleißig – Leo Feichtmeier wurde vor 60 Jahren zum Priester geweiht in: Mittelbayerische Zeitung vom 28. Juni 2024.
- ↑ Ihr schaut’s ja aus wie die Raubritter – Siegel-Redakteur Tom Schimmeck über Wackersdorf und den Atomstaat in der Oberpfalz. in: Der Spiegel, 11. Juli 1988.
- ↑ Theologe Leo Feichmeier bei Marterl-Andacht: „Zeichen des Protests“ – Der katholische Theologe Leo Feichtmeier gehört in den 1980er Jahren zu den Staatsfeinden. Drei Disziplinarverfahren strengte die Regierung gegen den Religionslehrer am Gymnasium Nittenau an. ( vom 28. April 2024 im Internet Archive) in: Onetz vom 30. April 2018.
- ↑ Julius Schophoff: Das Kreuz von Wackersdorf – Zigtausende Menschen demonstrierten 1986 gegen die atomare Aufbereitungsanlage Wackersdorf, unter ihnen sehr viele Christen: Ihr Kruzifix im Hüttendorf wurde zu einem umstrittenen Symbol (PDF; 1,8 MB) in: Chrismon, August 2011, S. 68–69.
- ↑ „Bauzaun beginnt an der Grenze zu Österreich“ – Demonstration und Andacht gegen WAA-Bau / Christa Meier wirft der CSU Völkerrechtsverletzung vor – (Mittelbayerische Zeitung vom 30. Juni 1986 auf Kultur gegen die WAA, S. 6).
- ↑ Auf einem fast vergessenen Schlachtfeld – Vor 20 Jahren kam es in Wackersdorf zu einer legendären Kraftprobe zwischen dem Staat und Bürgern, die eine Wiederaufbereitungsanlage verhindern wollten. in: taz vom 4. Februar 2006.
- ↑ »Ausstieg ist nicht Christenpflicht« - Mit dem Beistand der Amtskirche will die CSU den Protest gegen die Atomfabrik Wackersdorf brechen in: Der Spiegel vom 17. August 1986.
- ↑ Das Franziskusmarterl bei Wackersdorf. 3D-Scan eines Objekts des Widerstands auf Freilandmuseum Oberpfalz.
Christlicher Widerstand auf Kultur gegen die WAA. - ↑ Dietmar Zierer: Radioaktiver Zerfall der Freiheit – WAA Wackersdorf. Lokal-Verlag 1988, S. 251 f.
- ↑ Der Landkreis Schwandorf verleiht in einer Feierstunde Verdienstmedaillen in: Der Ostbayern Kurier vom 12. Juni 2021.
- ↑ WAA-Pfarrer Leo Feichtmeier ist seit 60 Jahren Priester – Jubiläum mit Festgottesdienst in Nittenau gefeiert. 1. Juli 2024, abgerufen am 12. September 2025.
- ↑ Atomstreit in Wackersdorf auf YouTube (Laufzeit: 44 Min)..
- ↑ Einweihung des Solarpark Fronberg – Der Solarpark wurde jetzt feierlich von Leo Feichtmeier und weiteren WAA-Gegnern eingeweiht. auf Oberpfalz TV vom 23. Mai 2018.
- ↑ Gedenktag WAA Wackersdorf, Am 3. Oktober 2018 trafen sich Zeitzeugen, BUND 2018 (ab 0:01:39) auf YouTube (Laufzeit: 4 Min).
- ↑ Gedenktag WAA Wackersdorf (Langversion) – Stationen eines Widerstands, BUND 2018 auf YouTube (Laufzeit: 12 Min).
- ↑ Franziskus-Marterl in Wackersdorf: Christlicher Widerstand gegen Atomkraft auf Deutschlandfunk vom 30. September 2024, 10 Min.
- ↑ Pfarrer Leo Feichtmeier – Arbeitskreis Theologie/Kernergie Radi Aktiv 5/1985 bei Laka.