Le Libertaire
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Le Libertaire ist der Titel einer französischsprachigen anarchistischen Zeitung, die 1858 in New York gegründet wurde. Sie wurde 1861 eingestellt. In der Folge wurde die Zeitung immer wieder neu herausgegeben. Sie besteht bis heute.
Geschichte
New York 1858 bis 1861
Die erste Ausgabe von Le Libertaire erschien am 9. Juni 1858 in New York. Ihr einziger Mitarbeiter war Joseph Déjacque, ein anarchistischer Schriftsteller und Journalist. Déjacque wurde in Frankreich wegen „Aufstachelung zum Hass und zur Verachtung der Regierung der Republik, zum Hass und zur Verachtung der Bürger gegeneinander und schließlich zur Verherrlichung von Taten, die nach dem Strafgesetz als Verbrechen eingestuft werden“ von den Behörden der Zweiten Republik verfolgt. Das Gericht verhängte am 22. Oktober 1851 die Vernichtung seiner Gedichtsammlung Les Lazaréennes, fables et poésies sociales und verurteilte ihn zu zwei Jahren Gefängnis und 2.000 Francs Geldstrafe.[1] Um dieser Verurteilung zu entgehen, flüchtete er zunächst nach Brüssel, dann nach London, von dort nach Jersey und schließlich in die Vereinigten Staaten, wo er ab 1854 als Flüchtling lebte.[2]
Déjacque war durch die Ereignisse vom Juni 1848 geprägt. In Le Libertaire, der Zeitung der sozialen Bewegung, konnte er darlegen, was er für die „wahre Anarchie“ hielt, die „radikale Anarchie“, die auf der „absoluten Freiheit“ beruhe.[2] In der ersten Ausgabe erläuterte er das Programm des Libertaire: „Sein Prinzip ist ein einziges und übergeordnetes: Freiheit und zwar in allem und für alle. Er erkennt keine Autorität an außer der Autorität des Fortschritts. In allem und für alle will er die Abschaffung aller Sklavereien in allen Formen, die Befreiung allen Fleisches und aller Intelligenzen“. Der Titel erschien bis Februar 1861.

Algier 1892
Am 27. Januar 1892 gab Jean Faure in Algier Le Libertaire heraus, das „anarchistisch-kommunistische Organ Algeriens“.[3][4] Sieben Ausgaben wurden veröffentlicht und über die gesamte afrikanische Küste von Oran bis Sfax verteilt.[5][6] Abgesehen von der Ankündigung einiger öffentlicher Versammlungen befassen sich nur sehr wenige Artikel mit Algerien oder der lokalen sozialen Bewegung. Die Texte bezogen sich hauptsächlich auf Antimilitarismus, soziale Ungleichheiten, Lohnausbeutung und die Pariser Kommune.[7] Die Zeitung wurde im April 1892 eingestellt.
Brüssel 1893 bis 1894
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Am 23. Oktober 1893 erschien in Brüssel die zweimonatlich erscheinende Zeitung Le Libertaire mit dem Untertitel Organe socialiste-révolutionnaire des groupes de St-Josse-ten-Noode (Sozialistisch-revolutionäres Organ der Gruppen von St-Josse-ten-Noode). Sie wurde von Henri Willems[8] (Verwalter) und Charles Herkelboeck[9] (Drucker) gegründet und folgte auf die Zeitung L’Antipatriote (1892–1894) der gleichen Autoren. Willems und Herkelboeck wurden am 5. April 1894 wegen eines Artikels zum Gedenken an Auguste Vaillant im L’Antipatriote wegen „Pressedelikten“ angeklagt und vom Gericht in Brabant in Abwesenheit zu vier Jahren Gefängnis und 1.000 Francs Geldstrafe verurteilt. Die Zeitung stellte ihr Erscheinen nach der elften Ausgabe vom 10. März 1894 ein.[10]
Frankreich 1895 bis 1914
Am 16. November 1895 gründete Sébastien Faure Le Libertaire. Die Zeitung trug bis zur dreiunddreißigsten Ausgabe den Untertitel „Fondé par S. Faure“ (Gegründet von S. Faure). Sie erschien von 1895 bis 1914, mit einer Unterbrechung von Februar bis Dezember 1899, als die Wochenzeitung durch die Tageszeitung Le Journal du peuple ersetzt wurde. Ab August 1899 erschien Le Libertaire „illustré“ als Beilage zur Tageszeitung. Im August 1914 musste sie aufgrund ihrer antimilitaristischen Haltung nach 960 Ausgaben ihr Erscheinen einstellen.[10]
Frankreich 1919 bis 1939
Nach der Herausgabe einer pazifistischen Untergrundnummer im Jahr 1917 wurde das Erscheinen 1919 wieder aufgenommen und ohne Unterbrechung bis 1939 fortgesetzt. Mit dem Krieg wurde sie eingestellt.[11]
Frankreich 1944 bis 1956

Am 21. Dezember 1944 erschien Le Libertaire zunächst unregelmäßig, dann aufgrund von Papierbeschränkungen nur noch zweimonatlich.[12] Von der ersten bis zur elften Ausgabe trugt sie den Untertitel „Organe fédéraliste du Mouvement libertaire“ (Föderalistisches Organ der libertären Bewegung). Ab der zwölften Ausgabe wurde sie zum Organ der Féderation anarchiste[13] (Anarchistische Föderation). Ab April 1946 erschien sie wieder wöchentlich. Es war das goldene Zeitalter des Libertaire, in dem u. a. Georges Brassens, Léo Ferré, André Breton, Armand Robin und Albert Camus mitarbeiteten.
Ab 1953 trug die Zeitung den Untertitel „Organe de la Fédération Communiste Libertaire“ (FCL), einer libertär-kommunistischen Organisation die von 1953 bis 1957 bestand. Während des Algerienkriegs unterstützte die FCL die Unabhängigkeitsbewegung und Le Libertaire veröffentlichte zahlreiche Artikel, in denen das Blatt die Repression und Folter anprangerte und den Aufstand unterstützte.[14] Ab November 1954 musste die Zeitung zahlreiche Prozesse über sich ergehen lassen.[15] Le Libertaire geriet dann schnell infolge von Verurteilungen, Schulden, Zensur und Beschlagnahmungen durch die Polizei in eine existenzielle Krise. Die Auflage schmolz von 40.000 auf 5.000 Exemplare pro Woche.[16] Auf der Sitzung des Nationalrats am 17. Juli 1956 beschloss die FCL, das Erscheinen von Le Libertaire zu „suspendieren“. Die 486. und letzte Ausgabe von Le Libertaire erschien am 5. Juli 1956.
Le Monde Libertaire
Seit 1954 erscheint Le Monde libertaire, eine anarchistische Zeitung, die für sich in Anspruch nimmt, rechtmäßiger Nachfolger aller zuvor erschienen Versionen von Le Libertaire zu sein.
Frankreich von 1968 bis heute
Zwischen 1968 und 1972 übernahm die Union fédérale des anarchistes den Titel für zehn Ausgaben. Im Jahr 1977 wurde der Titel für eine Ausgabe von einer Gruppe der Féderation anarchiste übernommen.
Ab 1978 gaben Abweichler der Féderation anarchiste die Zeitung heraus. Sie gründeten die Union des anarchistes[A 1] und Le Libertaire wurde zum Organ der Gruppe. 1994 zerbrach diese und Le Libertaire folgte zur Abspaltung Coordination anarchiste.[A 2] Seit 2005 erscheint die Zeitung nicht mehr in Papierform, seit 2011 in der jetzigen Form als Website.[17]
Mitarbeiter
Die französische Wikipédia enthält eine Kategorie Catégorie:Collaborateur du Libertaire (Mitarbeiter des Libertaire) mit über 100 Einträgen.
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24. Dezember 1899 -
31. Oktober 1909 -
7. Dezember 1919 -
3. Dezember 1953
Literatur
- René Bianco: Le Libertaire. In: 100 ans de presse anarchiste. (französisch).
- Thomas Bouchet, Patrick Samzun: Libertaire ! Essais sur l’écriture, la pensée et la vie de Joseph Déjacque (1821–1865). Presses universitaires de Franche-Comté, 2019, ISBN 978-2-84867-838-2, doi:10.4000/books.pufc.18302.
- Fabrice Magnone: Le Libertaire (1917–1956) Autopsie d’un organe anarchiste. (lelibertaire.fr).
- Jean Maitron: Le mouvement anarchiste en France: De 1914 à nos jours. F. Maspero, 2009.
Weblinks
- Le Libertaire 1858–1861. In: Joseph Déjacque. (französisch).
- Le Libertaire. In: L'Éphéméride anarchiste Juni 2009. (französisch).
- Le Libertaire. In: L'Éphéméride anarchiste November 2016. (französisch).
- Le Libertaire 1895–1954 auf Gallica
- Almanach illustré du Libertaire pour l’année ... Paris : Aux bureaux du Libertaire, 1903–1904. In: Harvard Library. (französisch).
- Le Libertaire 1924–1951. In: Retronews. (französisch).
- Presse libertaire. In: L'Argonnaute - Bibliothèque numérique de La contemporaine. (französisch).
- Numéros du journal Le Libertaire (1944–1956). In: Archives Autonomie. (französisch).
- Angaben zu Le Libertaire in der Datenbank der Bibliothèque nationale de France.
Anmerkungen
- ↑ Siehe dazu Union des anarchistes in der frankophonen Wikipédia.
- ↑ Siehe dazu weiterführend in der französischsprachigen Wikipédia den Artikel zur Groupe libertaire Jules Durand
Einzelnachweise
- ↑ Fernand Drujon: Catalogue des ouvrages, écrits et dessins de toute nature poursuivis, supprimés ou condamnés depuis le 21 Octobre 1814 jusqu’au 31 Juillet 1877. E. Rouveyre, 1879, S. 218 f. (google.de).
- ↑ a b Gaetano Manfredonia: La chanson anarchiste en France des origines à 1914. Editions L’Harmattan, 1998, ISBN 978-2-296-35347-3 (google.de).
- ↑ Le Libertaire. In: L’Éphéméride anarchiste. Abgerufen am 22. August 2025 (französisch).
- ↑ Siehe Literaturliste Bianco
- ↑ La Presse Anarchiste: Le Libertaire (1892) ( vom 8. Juni 2009 im Internet Archive)
- ↑ Flor O’Squarr: Les coulisses de l'anarchie. Nouvelle Librairie Parisienne, Albert Savine, 1892, S. 99 (archive.org).
- ↑ Le mouvement anarchiste en Algérie de 1887 à 1926: presse de propagande et de combat, activités militantes et positions politiques face au fait colonial. ( vom 7. Oktober 2014 im Internet Archive; PDF)
- ↑ WILLEMS Henri. In: Le Maitron. Abgerufen am 22. August 2025 (französisch).
- ↑ HERKELBOECK, Charles. In: Dictionnaire international des militants anarchistes. Abgerufen am 22. August 2025 (französisch).
- ↑ a b René Bianco: Répertoire des périodiques anarchistes de langue française. 1987.
- ↑ Siehe Literturliste Magnone
- ↑ Siehe Weblink Archives Autonomies
- ↑ Angaben zu Fédération anarchiste. France in der Datenbank der Bibliothèque nationale de France.
- ↑ 1954 : L’insurrection algérienne de la « Toussaint rouge ». In: Union Communiste Libertaire. 16. November 2004, abgerufen am 23. August 2025 (französisch).
- ↑ Jean-Paul Salles: Les Trotskystes et la Guerre d’Algérie. In: Dissidences. 2012 (ube.fr).
- ↑ Giovanna Berneri: The French Anarchist Movement. In: 1954. Abgerufen am 23. August 2025 (französisch).
- ↑ Le Libertaire. Abgerufen am 23. August 2025 (französisch).