Lawrence Kubie
Lawrence Schlesinger Kubie (* 17. März 1896 in Manhattan; † 27. Oktober 1973 in Baltimore) war ein US-amerikanischer Psychiater, Psychoanalytiker und Psychotherapeut.
Leben
Er stammte aus einer jüdischen Familie und war der Sohn von Leah Schlesinger Kubie (* 1867; † 1899) und Samuel Kubie (* 1857; † 1934), der aus Schüttenhofen in Böhmen in die USA emigriert war.[1] Seine frühe Kindheit wurde durch die lange Krankheit seiner Mutter überschattet, die an Lungentuberkulose starb, als er drei Jahre alt war. Kubie berichtete, dass er nach ihrem Tod drei Jahre lang praktisch nichts mehr aß und erst wieder zu essen begann, als sein Vater die jüngere Schwester seiner Mutter geheiratet hatte.[2]
Nach seinem Abschluss an der Harvard University im Jahr 1916 erwarb Kubie 1921 seinen Doktortitel in Medizin an der Johns Hopkins University. Danach absolvierte eine Ausbildung in Psychiatrie bei Adolf Meyer an der Phipps Psychiatric Clinic des Johns Hopkins Hospital. 1928 reiste er als Stipendiat des National Research Council für Neurologie nach London, wo er am Queens Square Hospital arbeitete und sich einer Analyse bei Edward Glover unterzog und Freudscher Psychoanalytiker wurde. Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten im Jahr 1930 trat er der New York Psychoanalytic Society bei, wo er als Mitglied des Bildungsausschusses eine entscheidende Rolle bei der Gründung des New York Psychoanalytic Institute im Jahr 1931 spielte. Er war aktiver Teilnehmer an der Politik sowohl der New York Psychoanalytic Society and Institute als auch der American Psychoanalytic Association. Im März 1938, nach dem Anschluss Österreichs, wurde er zum Vorsitzenden des APsaA-Komitees für Nothilfe und Einwanderung ernannt und spielte eine entscheidende Rolle bei der Erleichterung und Überwachung der Einwanderung zahlreicher emigrierter Analytiker, Analysekandidaten, Psychologen, Ärzte und ihrer Familien in die Vereinigten Staaten.
Er praktizierte von 1930 bis 1959 Psychoanalyse in New York und war an sechs medizinischen Fakultäten und in ebenso vielen Krankenhäusern tätig, darunter dem College of Physicians and Surgeons, der New York Psychoanalytic Society, der Columbia University, der Yale School of Medicine, dem Neurological Institute of New York und dem Mount Sinai Hospital (New York).
Zum Zeitpunkt seines Todes war er emeritierter Dozent für Psychiatrie an der Johns Hopkins University und Berater für psychiatrische Forschung und Ausbildung am Sheppard and Enoch Pratt Hospital in Towson, das er ab 1960 als Direktor geleitet hatte. Er verstarb mit 77 Jahren im Greater Baltimore Medical Center von Baltimore.
Werk
Er wird als orthodoxer Freudscher Psychoanalytiker bezeichnet, der aber ständig alle Arten von Orthodoxien in Frage stellte.
Er beschäftigte sich von 1941 bis 1969 mit Hypnose, insbesondere in Zusammenarbeit mit dem Psychiater Richard Brickner (1896–1959). Er spielte eine wichtige Rolle bei der Veröffentlichung der Hypnosearbeit von Milton H. Erickson und veröffentlichte eine Vielzahl von Artikeln über den Einsatz von hypnotischer Trance als Behandlungs- und Diagnosemethode. Er sprach sich auch für Psychotherapie mit Hilfe von Sedativa aus. 1944 betonte er zusammen mit Sydney G. Margolin, dass die Einleitung hypnotischer Prozesse von einer subtilen Wechselwirkung zwischen psychophysiologischen und psychodynamischen Prozessen abhängt.
1965 forderte er in einer Rede vor der American Psychoanalytic Association eine vollständige Umkehrung der Ausbildungsreihenfolge von Psychiatern und Psychoanalytikern; diese müsse mit der Ausbildung in Kinderpsychiatrie und den dort anzusiedelnden neurotischen Prozessen beginnen. In einer Diskussion über das Sorgerecht für Kinder geschiedener Eltern im Jahr 1964 im Yale Law Journal sprach er sich dafür aus, dass sich bei einer Scheidung die Eltern den Umgang mit dem Kind teilen sollen und ein unparteiischer Ausschuss bei Meinungsverschiedenheiten schlichten soll.
Er war auch einer der Mitwirkenden an der gesuchten Verbindung zwischen Psychoanalyse und Neurowissenschaft; dabei war er gleichermaßen qualifiziert in Neurologie (er hatte bei Charles Scott Sherrington studiert) und Psychoanalyse. Er arbeitete auch zum Thema der Kreativität. In seinem Werk Neurotische Verzerrung des kreativen Prozesses, hebt er die Rolle neurotischer Aspekte der Persönlichkeit hervor, die die Kreativität blockieren.
Ehrungen/Positionen
- Herausgeber der Zeitschrift The Journal of Nervous and Mental Disorders
- 1939–1940: Präsident der New York Psychoanalytic Society
- Präsident der American Psychosomatic Society
- Sekretär der American Psychoanalytic Association
- Mitglied der New York Academy of Medicine
Privates
Kubie heiratete 1921 Susan Hoch und hatte mit ihr drei Kinder, von denen eines im Säuglingsalter starb. 1938 heiratete er erneut, diesmal die Schriftstellerin Eleanor Gottheil Benjamin; sie ließen sich 1949 scheiden. Von 1962 bis 1963 war Kubie mit Evelyn Bigelow Clark verheiratet. Er wurde von seinem Sohn Robert und seiner Tochter Bernard Rabinowitz überlebt.
Publikationen (Auswahl)
- Monografien
- Neurotic distortion of the creative process. University of Kansas Press, Lawrence 1958.
- Deutsche Ausgabe: Neurotische Deformationen des schöpferischen Prozesses (2. Aufl.). Rowohlt Verlag rororo, Reinbek bei Hamburg 1966.
- Psychoanalyse und Genie: Der schöpferische Prozess. Rowohlt Verlag rororo, Reinbek bei Hamburg 1966.
- Psychoanalyse ohne Geheimnis (5. Aufl.). Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1962.
- Practical Aspects of Psychoanalysis. W. W. Norton & Comp., New York 1936.
- Zeitschriftenartikel/Buchbeiträge
- L'illusion et la réalité dans l'étude du sommeil, de l'hypnose, de la psychose et du réveil. In: The international Journal of Clinical and Experimental Hypnosis, 1972.
- Medicine as a Spiritual Challenge. In: Journal of Religion and Health, 1963, 3 (1), S. 39–55.
- Theoretical aspects of sensory deprivation. In: P. Solomon (Hrsg.): Sensory deprivation: A symposium held at Harvard Medical School, 1961.
- Pavlov, Freud and Soviet psychiatry. In: Behavioral Science, 1959.
- Psychiatric and psychoanalytic considerations of the problem of consciousness. In J. F. Delafresnay (Hrsg.): Brain mechanisms and consciousness, a symposium. Springfield 1954.
- The use of induced hypnagogic reveries in the recovery of repressed amnesic data. In: Bull Menninger Clinic, 1943, 7.
- Repetitive Core of Neuroses. In: Psychoanalytic Quarterly, 1941.
- Mit Sydney G. Margolin: The process of hypnotism and the nature of the hypnotic state. In: American Journal of Psychiatry, 1944, 100, S. 611–622.
- Mit Sydney G. Margolin: An apparatus for the use of breath sounds as a hypnagogic stimulus. In: American Journal of Psychiatry, 1944, 100, S. 610.
- Mit Sydney G. Margolin: A physiological method for the induction of states of partial sleep and securing free association and early memories in such states. In: Trans. Amer. Neurol. Ass., 1942,68, S. 136–139.
- Mit Milton H. Erickson: The successful treatment of a case of acute hysterical depression by a return under hypnosis to a critical phase of childhood. In: Psychoanalytic Quarterly, 1941, 10, S. 583–609.
- Mit Milton H. Erickson: The translation of the cryptic automatic writing of one hypnotic subject by another in a trance-like dissociated state. In: Psychoanalytic Quarterly, 1940, 9, S. 51–63.
- Mit Milton H. Erickson: The permanent relief of an obsessional phobia by means of communications with an unsuspected dual personality. In: Psychoanalytic Quarterly, 1939, 8, S. 471–509.
- Mit Milton H. Erickson: The use of automatic drawing in the interpretation and relief of a state of acute obsessional depression. In: Psychoanalytic Quarterly, 1938, 7, S. 443–466.
- A Theoretical Application to Some Neurological Problems of the Properties of Excitation Waves Which Move in Closed Circuits. In: Brain, 1930, 53 (2), 166–177.
Weblinks
- Literatur von und über Lawrence Kubie im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Lawrence S. Kubie auf Deutsche Digitale Bibliothek, abgerufen am 28. August 2025.
- LAWRENCE KUBIE, PSYCHIATRIST, DIES auf New York Times vom 28. Oktober 1973, abgerufen am 28. August 2025.
- Kubie, Lawrence auf encyclopedia.com, abgerufen am 28. August 2025.
Literatur
- H. J. Schlesinger (Hrsg.): Symbol and neurosis: Selected papers of Lawrence S. Kubie. In: Psychological Issues, 1978, 11 (4, Mono 44), 277.
- Leo H. Bartemeier: Lawrence S. Kubie 1896–1973. In: American Journal of Psychiatry, 1974, 131 (5).
- S. A. Leavy: Lawrence S. Kubie, M.D. 1896–1973. In: The Psychoanalytic Quarterly, 1974, 43 (1), S. 1–3.