Kurt Henseleit
Kurt Henseleit (* 16. Oktober 1907 in Berlin-Weißensee; † 8. Juli 1973 in Friedrichshafen)[1][2] war ein deutscher Mediziner, Biochemiker und Ko-Entdecker des Harnstoffzyklus (auch Ornithin- oder Krebs-Henseleit-Zyklus) mit Hans Adolf Krebs, der deshalb auch manchmal nach beiden benannt wird.

Henseleit studierte Medizin in Berlin und erhielt dort 1929 sein Staatsexamen. Er war der erste Doktorand und Assistent von Krebs, als dieser im Sommer 1931 nach Freiburg kam (der Ordinarius Siegfried Thannhauser hatte ihn an Krebs verwiesen). Henseleit stieß im Wintersemester 1930 dazu, hatte aber keine Laborerfahrung und wurde von Krebs angeleitet. Krebs sah in ihm das Potenzial für einen geschickten Experimentator, der schnell lernte, und vertraute ihm bald auch größere Experimente an.[3] Mit ihm untersuchte er die Harnstoffsynthese in der Leber und entdeckte 1932 den Harnstoffkreislauf, den ersten Stoffwechselkreislauf, der in der Biochemie entdeckt wurde. Die Forschung dazu dauerte etwa ein Jahr und umfasste rund 200 Experimente. Sie mussten (abwechselnd) nachts durchgeführt werden, da Krebs tagsüber in der Klinik als Arzt eingespannt war. Seine erste Veröffentlichung mit Krebs über den Harnstoffzyklus wurde bereits über 4.000 mal zitiert. 1932 wurde er mit seiner Promotion Versuche über die Wirkung von Ornithin und Citrullin auf die Harnstoffbildung in der Leber zum Dr. med. promoviert.[4] Er war Mitglied im Corps Silingia Breslau zu Köln.[5]
Eine Pufferlösung, die z. B. bei Tests an Muskeln und Arterien außerhalb des Körpers benutzt wird, ist nach Henseleit und Krebs benannt (Krebs-Henseleit-Lösung oder Krebs-Henseleit-Puffer).
Henseleit blieb nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten eine akademische Karriere aufgrund seiner Nähe zu Krebs, der jüdischer Abstammung war, und seiner Distanz zum Regime, verwehrt:[6]
„Having been associated with me and not being a Nazi, he was told that in the ‘Third Reich’ he had no future in academic medicine.“
Später war Henseleit Facharzt und praktizierender Arzt in Friedrichshafen, wo er 1973 verstarb.[7][8]
Schriften
- Kurt Henseleit: Versuche über die Wirkung von Ornithin und Citrullin auf die Harnstoffbildung in der Leber. Hoppe-Seyler's Zeitschrift für physiologische Chemie, Band 210, 1932.
- Hans Adolf Krebs, Kurt Henseleit: Untersuchungen über die Harnstoffbildung im Tierkörper. In: Hoppe-Seyler’s Zeitschrift für physiologische Chemie. Band 210, 1–2, 1932, S. 33–66. doi:10.1515/bchm2.
- Hans Adolf Krebs, Kurt Henseleit: Untersuchungen über die Harnstoffbildung im Tierkörper, Teil 1. Journal of Molecular Medicine, Volume 11, Nr. 27, 1932, S. 757–759.
- Hans Adolf Krebs, Kurt Henseleit: Untersuchungen über die Harnstoffbildung im Tierkörper, Teil 2. Journal of Molecular Medicine, Volume 11, Nr. 27, 1932, S. 1137–1139.
Literatur
- Gerd Graßhoff, Michael May: Hans Krebs’ and Kurt Henseleit’s Laboratory Notebooks and Their Discovery of the Urea Cycle-Reconstructed with Computer Models, in: Frederic L. Holmes, J. Renn, Hans-Jörg Rheinberger (Hrsg.), Reworking the Bench: Research Notebooks in the History of Science, Kluwer 2003, S. 269–294.
- Kärin Nickelsen, Gerd Graßhoff: Concepts from the Bench: Hans Krebs, Kurt Henseleit and the Urea Cycle, in: Giora Hon, Jutta Schickore, Friedrich Steinle (Hrsg.), Goind amiss in Experimental Research, Boston Studies in the Philosophy of Science 267, 2009, S. 91–117.
- Graßhoff, Nickelsen: Dokumente zur Entdeckung des Harnstoffzyklus, 2 Bände, Bern Studies in the History and Philosophy of Science, Bern, 2001 (Band 2 ist das Laborbuch von Henseleit).
- G. Graßhoff, R. Casties, K. Nickelsen: Zur Theorie des Experiments. Untersuchungen am Beispiel der Entdeckung des Harnstoffzyklus (Educational Materials; 2), Bern Studies in the History and Philosophy of Science, Bern 2000.
- Eugene Garfield: Current Comments: To Remember Sir Hans Krebs: Nobelist, Friend, and Adviser. In: Current Contents. 5, 1982, S. 627–633.
Einzelnachweise
- ↑ Ein Geburtsjahr 1908, Sterbedatum 1973 und späterer Wirkungsort Friedrichshafen stehen in Hans Krebs, Anne Martin Reminiscences and Reflections, 1981, S. 253
- ↑ Frederic Laurence Holmes, Hans Krebs, Band 1, 1991, S. 264, gibt 1907 als Geburtsjahr an und als Geburtsort Berlin. Das Geburtsjahr 1907 steht auch in Eckart, Illustrierte Geschichte der Medizin, Springer 2011, S. 296
- ↑ Holmes, Hans Krebs, Band 1, S. 264
- ↑ Kurt Henseleit: Versuche über die Wirkung von Ornithin und Citrullin auf die Harnstoffbildung in der Leber. Berlin Leipzig 1932 (dnb.de [abgerufen am 14. August 2025] de Gruyter).
- ↑ Mitgliederliste des Corps Silingia Breslau zu Köln (2022)
- ↑ Eugene Garfield: Current Comments: To Remember Sir Hans Krebs: Nobelist, Friend, and Adviser. In: Current Contents. 5, 1982, S. 627–633; online.
- ↑ Klaus Roth, Chemische Köstlichkeiten, 2010, S. 180
- ↑ Der spätere Wirkungsort Friedrichshafen steht auch in Hans Krebs, Anne Martin Reminiscences and Reflections, 1981, S. 253