Krematorium Heilbronn

Krematorium Heilbronn

Das Krematorium auf dem Hauptfriedhof in Heilbronn wurde 1904/05 nach Plänen von Emil Beutinger erbaut und ist das älteste Krematorium in Württemberg.

Geschichte

Nachdem 1882 der neue, außerhalb der Stadt auf dem Lerchenberg gelegene Heilbronner Hauptfriedhof eröffnet worden war, bildete sich 1884 der Verein für Feuerbestattung Heilbronn, der in den Folgejahren die Feuerbestattung auch überregional propagierte und 1894 schließlich den Beschluss zum Bau eines Krematoriums in Heilbronn fasste.[1] Ein besonders großes Publikum erreichte der Verein mit seiner Crematistischen Ausstellung anlässlich der Gewerbe- und Industrie-Ausstellung von 1897 in Heilbronn.[2] Der Mitbegründer und erste Vorsitzende Carl Betz war Abgeordneter im württembergischen Landtag und maßgeblich am 1901 gefassten Beschluss zur Zulassung von Feuerbestattungen in Württemberg beteiligt.[3] Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins zählten außerdem unter anderem der Regierungsbaumeister Louis Heuss (Vater von Theodor Heuss) sowie der Heilbronner Politiker Max Rosengart.[4]

Als Planer wurde der Heilbronner Architekt und spätere Bürgermeister Emil Beutinger (1875–1957) erwählt. Verschiedene seiner zum Teil noch auf das Jahr 1901 zurückgehende Planzeichnungen für das Heilbronner Krematorium wurden in mehreren Architektur-Fachzeitschriften veröffentlicht und besprochen.[5] Seine Erfahrungen mit der Planung des Heilbronner Krematoriums flossen in das von ihm verfasste und 1911 veröffentlichte Handbuch der Feuerbestattung ein.[6]

Der Bau des Heilbronner Krematoriums wurde durch einen Baufonds, durch Stiftungen, durch die Ausgabe von Tilgungs- und Schuldscheinen sowie ein Darlehen finanziert. Baubeginn war am 10. November 1904. Der Rohbau war am 15. März 1905 vollendet. Nach einer Probekremation am 24. Juni 1905 und der Einäscherung von zwei verstorbenen Vereinsmitgliedern an den Folgetagen nahm das Krematorium im August 1905 seinen Betrieb auf.[7][8] Die offizielle Einweihung erfolgte am 3. September 1905.[9] Der Verein bekam nahe des Eingangsbereichs des Hauptfriedhofs eine Abteilung als Urnenstätte zugewiesen, in der viele frühe Mitglieder, darunter auch Architekt Beutinger und seine Familie, ihre letzte Ruhe fanden.

Verbrennungsofen des Systems Klingenstierna in Mainz, dessen Aufbau die Vorlage für den ersten in Heilbronn verbauten Verbrennungsofen gab.

Der ursprüngliche Verbrennungsofen war vom System Klingenstierna der Gebr. Beck in Offenbach. Das zweigeschossige Ofensystem in den Untergeschossen des Gebäudes folgte dem Vorbild des Krematoriums in Mainz. Die heißen Gase des Feuers werden dabei über ein ausgeklügeltes Rohrsystem an den zur Verbrennung vorgesehenen Leichnam herangeführt. Im oberen der Untergeschosse war eine pietätvolle Übergabe des Leichnams in die Verbrennungskammer möglich, ohne von den zur Befeuerung nötigen Arbeiten im untersten Geschoss gestört zu werden.[10]

Das Krematorium wurde in technischer Hinsicht mehrfach renoviert und modernisiert. 1934 erfolgte die Umstellung von Kohle auf Gas und ging das Eigentum an dem Gebäude vom Feuerbestattungsverein auf die Stadt Heilbronn über. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem beim Luftangriff auf Heilbronn im Dezember 1944 viele Heilbronner Kirchen zerstört worden waren, diente die Trauerhalle des Krematoriums neben den Trauerfeiern auch anderen kirchlichen Zwecken. 1987 fand eine grundlegende Renovierung des Gebäudes statt. 1992 wurde die Ofenanlage erneuert. Seitdem wird die Abwärme zur Heizung der restlichen Friedhofsgebäude genutzt. 2023/24 wurden Ofen und Brenntechnik abermals völlig erneuert.[11]

Jährlich werden im Heilbronner Krematorium etwa 1200 Menschen eingeäschert. Insgesamt wurden in dem Krematorium bereits rund 69.000 Einäscherungen durchgeführt.[12]

Beschreibung

Südseite mit Haupteingang, Portikus und Ziergiebel
Trauerhalle, Blick zur Apsis mit Orgelempore

Das Heilbronner Krematorium ist ein neoklassizistischer Sandsteinbau aus gelblichem Heilbronner Sandstein, der östlich im Anschluss an die beiden schon 1882/95 erbauten repräsentativen Eingangsgebäude des Friedhofs errichtet wurde, die für Trauergottesdienste und Leichenaufbahrung dienen. Alle drei Gebäude stehen unter Denkmalschutz.[13]

Das Krematorium ist nach Norden ausgerichtet. Der Zugang erfolgt durch eine Freitreppe im Süden zu einer mit kunstfertigen Kupferbeschlägen von August Stotz verzierten Türe in einem Portikus mit der Inschrift Hinauf zum Licht. Darüber befindet sich in einem Ziergiebel eine einige Zeit nach der Eröffnung des Krematoriums angebrachte allegorische Figur.[14] Der Giebel wird von einem kupfernen Phönix nach einem Entwurf des aus Heilbronn stammenden Bildhauers Adolf Diem (1875–1934) bekrönt[15] und von kleinen kupfernen Opferschalen flankiert. Im Norden weist das Gebäude eine Apsis auf, die von zwei großen, im Durchmesser 2,30 Meter messenden Opferschalen gekrönten Türmen flankiert wird. Einer der Türme dient als Schornstein und für die Luftzirkulation, der andere als Treppenhaus zur Halle und zur Orgelempore. Vor der Apsis liegt der Lichtschacht zur Beleuchtung der unteren Räume.[16]

Die Trauerhalle im Erdgeschoss hat eine Fläche von etwa 100 Quadratmeter und wird von einer gewölbten Kassettendecke überspannt. Die Wände haben Nischen, die ursprünglich als Kolumbarium dienen sollten. Die leicht erhöhte Apsis dient zur Aufstellung des Sarges während Trauerfeiern. Der Sarg kann von dort in die unteren Räume zur Einäscherung abgesenkt werden. Der obere Bereich der Apsis ist als Orgelempore ausgestaltet. Eine ursprünglich dort befindliche Orgel mit sechs klingenden Registern wurde bei E. F. Walcker & Co. in Ludwigsburg gefertigt.[17]

Der Verbrennungsofen ist über beide Untergeschosse eingebaut. Der erste verbaute Ofen wurde vom zweiten Untergeschoss aus mit Koks beheizt. Im ersten Untergeschoss, in dem die Leichen in den Ofen eingeführt werden, waren neben dem Versenkmechanismus in der Apsis auch ursprünglich ein Aufbewahrungsraum für Leichen sowie ein kleiner Büroraum eingerichtet. Im zweiten Untergeschoss war zusätzlich ein Koksraum eingerichtet.[18]

Literatur

  • Carl Betz: Das Krematorium auf dem Friedhof in Heilbronn a.N. Heilbronn 1906.
  • Carl Betz: Das Krematorium auf dem Friedhof in Heilbronn a.N. 2. Auflage, Heilbronn 1909.
  • Julius Fekete, Simon Haag, Adelheid Hanke, Daniela Naumann: Stadtkreis Heilbronn (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmale in Baden-Württemberg. Band I.5). Theiss, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8062-1988-3, S. 141.
Commons: Krematorium (Heilbronn) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Betz 1906, S. 1.
  2. Die Crematistische Ausstellung des Vereins für Feuerbestattung in Heilbronn, in: Offizielle Ausstellungs-Nachrichten. Organ der Industrie-, Gewerbe und Kunstausstellung Heilbronn 1897, S. 541–543.
  3. Betz 1906, S. 11.
  4. https://archivsuche.heilbronn.de/plink/e-122911
  5. https://archivsuche.heilbronn.de/plink/e-115424
  6. Emil Beutinger: Handbuch der Feuerbestattung und ihre geschichtliche Entwicklung von der Urzeit bis zur Gegenwart, Leipzig 1911.
  7. Betz 1906, S. 2–3.
  8. Die Einäscherung des Vereinsmitglieds Gustav Heim am 26. Juni 1905 war die erste Einäscherung in Württemberg. Betz 1909, S. 4.
  9. Betz 1906, S. 12.
  10. Betz 1906, S. 3–5.
  11. https://archivsuche.heilbronn.de/plink/e-22291
  12. Krematorium bei heilbronn.de.
  13. Fekete, Haag et al. 2007, S. 141.
  14. https://archivsuche.heilbronn.de/plink/e-123401
  15. https://archivsuche.heilbronn.de/plink/e-33750
  16. Betz 1906, S. 3–5.
  17. Betz 1906, S. 3–5.
  18. Betz 1906, S. 5–6.

Koordinaten: 49° 8′ 16,2″ N, 9° 14′ 16,4″ O