Kontorhaus Leder-Schüler

Ansicht vom Heidenkampsweg (2006). Der Schriftzug an der Dachfassade lautete ursprünglich LEDER-SCHÜLER-WERKE.

Das Kontorhaus Leder-Schüler am Verkehrsknotenpunkt Berliner Tor in Hamburg-Hammerbrook (Heidenkampsweg und 32 bis 34, Nordkanalstraße 58) wurde 1927–1928[1] für ein lederverarbeitendes Unternehmen erbaut. Das von Fritz Höger im Architekturstil des Expressionismus entworfene Gebäude mit dunkler Klinkerfassade und grünen Sprossenfenstern steht unter Denkmalschutz.

Baubeschreibung

Zeitgenössische Fotografie von Carl Dransfeld (vor 1938), mit Blick auf die Fassade zum Nordkanal. Zu erkennen ist der ursprüngliche Hochhaus-Charakter durch die noch niedrige Nachbarbebauung.

Stilistisch finden sich Anleihen zu den ersten Wolkenkratzern in Chicago.[2]:43 Dies betrifft die oberste Fensterreihe zum Heidenkampsweg, die kleinteilige Gestaltung der Hauptfassade mit gleichtaktigen Blockreihen und die Auslegung des Gebäudes als „vielgeschossiger Container“[2]:43 zum Zwecke der Herstellung und Vermarktung. Auch für die kubischen Verschachtelungen bediente sich der Architekt Fritz Höger bei den amerikanischen Vorbildern.[3]:285 Typisch für Höger ist das Konzept der Staffelgeschosse: Den Haupt-Baukörper flankierende Nebenbauten lassen die Schmalseite an einen Stufengiebel erinnern. Eine ähnliche Gestaltung findet sich bei dem Kesselhaus in Rendsburg, der Friedhofskapelle in Delmenhorst oder beim Rathaus Wilhelmshaven.[3]:313 Daneben gibt es beim Kontorhaus Leder-Schüler charakteristische Eigenschaften, die der Amsterdamer Schule folgen: die unterschiedlich ausgearbeiteten Fassaden zu den angrenzenden Straßen oder der wie ein Hochhaus hervorragende Baukörper zum damals hier verlaufenden Nordkanal (heute Nordkanalstraße; durch die spätere Aufstockung des Nebengebäudes wurde der Eindruck stark verändert). Die den Block bestimmende Expressivität ist ebenfalls typisch für die Amsterdamer Schule.[2]:43 Das Kontorhaus überstand den Zweiten Weltkrieg unbeschadet, trotz Flächenbombardements auf das industriell geprägte Hammerbrook.[2]:124

Nutzungsgeschichte

Das Gebäude und Grundstück befand sich bis 2019 in Familienbesitz. Die Grundstücksverwaltung Leder-Schüler vermietete darin Gewerbeflächen, Wohnungen, Büros und Praxen.[4] Die Kellerräume des Gebäudes beherbergten zeitweise bedeutende Locations der Hamburger Musikszene: Ab 1946 das „Tangorett“, ab 1965 den „Cotton Club“, ab 1966 das „Danny’s Pan“, Anfang der 1980er das „Noise“, ab 1985 das „FRONT“, ab 1997 das „Chocolate City“. Bis 2012 befand sich hier der Musikclub „Shake!“. Im Erdgeschoss befand sich in den 1990er-Jahren das „Zillo“, das ab Mitte 1996 vom „Tonwerk“ abgelöst wurde. In beiden Clubs wurde vornehmlich Musik aus den Bereichen Gothic und Alternativ gespielt.[5] Im Haus Heidenkampsweg 32 war das Hotel Ambassador der Novum-Hospitality-Gruppe untergebracht.

2016 musste ein Gerüst angebracht werden, damit Passanten nicht von herabfallenden Fassadenteilen getroffen werden.[6] Im Sommer 2019 erwarb die Immobilie die Münchener Reiß & Co. Gruppe im Rahmen eines Joint Ventures mit der PEG (Projektentwicklungsgesellschaft Hamburg mbH).[7] 2019 wurde das Gebäude geräumt und sollte 2021 wegen Einsturzgefahr – mit Zustimmung des Denkmalschutzamtes – abgerissen werden.[8][9] Als Schadensursachen wurden „verrottete Holzpfähle in feuchtem Untergrund und verrostete Teile des Stahlskelettbaus“ genannt, die eine denkmalgerechte Sanierung unmöglich genmacht hätten.[6] Im Juli 2025 veröffentlichten Reiß und PEG das Neubaukonzept zu einem elfstöckigen Hotelkomplex mit 430 Zimmern als „Giga-Projekt“.[6] Der Abriss des Baudenkmals soll im ersten Quartal 2026 beginnen; die Fertigstellung ist für 2030 geplant.[6]

Siehe auch

Commons: Kontorhaus Leder-Schüler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ilse Rüttgerodt-Riechmann: Heidenkampsweg 32 (Baubeschreibung und Denkmalwertgutachten, 1997), auf der Website des Denkmavereins Hamburg, abgerufen am 10. Juli 2025.
  2. a b c d Piergiacomo Bucciralli: Fritz Höger. Hanseatischer Baumeister 1877–1949. Vice Versa Verlag, Berlin, 1992. ISBN 3-9803212-0-7.
  3. a b Matthias Schmidt: Der Dom der Sterne. Fritz Höger und das Anzeiger-Hochhaus in Hannover – Architektur der zwanziger Jahre zwischen Kosmologie und niederdeutschen Expressionismus. Göttinger Beiträge zur Kunstgeschichte, Band 2, herausgegeben von Karl Arndt. Lit Verlag, Münster, 1995. ISBN 3-89473-457-4.
  4. Leder-Schüler Grundstücksverwaltung. (PDF) In: hamburg.de. Abgerufen am 10. Juli 2025.
  5. Ziel für Nachtschwärmer. In: Hamburger Abendblatt. 28. März 1996, abgerufen am 15. Oktober 2022.
  6. a b c d Maria Geiger: Gebäude von legendärem Hamburger Architekten nicht zu retten – Abriss geplant. In: mopo.de. 10. Juli 2025, abgerufen am 10. Juli 2025.
  7. Reiß & Co. Gruppe und PEG Hamburg erwerben Leder-Schüler-Ensemble in Hamburg. Meldung vom 22. Juli 2019 auf der Webseite.
  8. Kontorhaus Leder-Schüler. In: denkmalverein.de. 2022, abgerufen am 10. Juli 2025 (Enthält weiterführende Links zur Berichterstattung über die Abrissplanung).
  9. Leder-Schüler“-Haus in Hamburg muss abgerissen werden. Am 15. Dezember 2021 auf ndr.de, abgerufen am 15. Dezember 2021 (im Internet Archive).

Koordinaten: 53° 33′ 4,1″ N, 10° 1′ 32,9″ O