Kollwitzstraße 52
| Kollwitzstraße 52 | |
|---|---|
![]() Straßenansicht, August 2025 | |
| Daten | |
| Ort | Berlin-Prenzlauer Berg, Kollwitzstraße |
| Architekt | Otto Klau |
| Bauherr | Deutsch-Holländischer Actien-Bauverein |
| Baustil | Neoklassizismus |
| Baujahr | 1875 |
| Bauzeit | 1873–1875 |
Das Haus Kollwitzstraße 52 ist ein Wohn- und Geschäftshaus im Ortsteil Prenzlauer Berg im Bezirk Pankow in Berlin. Es wurde 1873 bis 1875 vom Deutsch-Holländischen Actien-Bauverein in der ersten Phase der Bebauung des heutigen Kollwitzkiezes erbaut.
Lage
Das Gebäude südlich des Kollwitzplatzes befindet sich auf der östlichen Seite der Kollwitzstraße (Berlin). Wegen zahlreicher umfassender Reparaturen und Änderungen, vor allem weil der Stuck an den Fassaden abgeschlagen wurde, steht das historische Wohnhaus jedoch nicht unter Denkmalschutz.
Bau
Das Wohnhaus wurde durch den Grundstückseigentümer, den Deutsch-Holländischen Actien-Bauverein, auf Parzelle Nr. 2 an einer namenlosen Planstraße, zusammen mit weiteren Häusern, nach einem vom Alt-Berliner Magistrat genehmigten Bauantrag errichtet. Als Planer trat Otto Klau, ein Baumeister des Bau-Vereins auf.[1] Für eine schnelle und preisgünstige Fertigstellung wurden standardisierte Grundrisse und industriell gefertigte Bauteile verwendet. Trotzdem sollte es wie alle ersten Häuser des Bauvereins ein repräsentatives, großbürgerliches Mietshaus mit Vorgarten, klassizistischer Fassade, marmornem Treppenhaus, „üppig dimensionierter“ Geschossfläche von über 200 Quadratmetern sowie Geschosshöhen von bis zu 4,10 Meter werden. Diese erste Planung sah ein Vorderhaus mit zwei Stummelseitenflügeln vor, in denen Treppenhäuser für die Dienstboten sowie Toiletten geplant waren. Der Architekt war auch zugleich der Geschäftsführer des Bauvereins. Zur gleichen Zeit wurden nach seinen Plänen und Prinzipien in dieser Straße weitere Wohnhäuser der (heutigen) Kollwitzstraße 82 bis 90 errichtet. Die Gebäude mit den 80er Nummern sind erhalten und stehen unter Denkmalschutz.
Nach dem sich kurze Zeit später anbahnenden Gründerkrach wurden zwei Seitenflügel mit kleineren Wohnungen im hinteren Teil ergänzt, um sich dem veränderten Immobilienmarkt anzupassen. Für ein derartiges Haus wurden ca. 5 Millionen Ziegelsteine verbaut, die im firmeneigenen Ringofen (heute: Helmholtzplatz) sehr günstig produziert wurden. Alle Holzelemente stammen aus der eigenen Tischlerei östlich von der Ziegelbrennerei. Durch diese Zentralisierung der Fertigung in der Nähe der Baustelle konnte der Bauverein sehr günstig bauen, es wurden unnötige Transportkosten eingespart. Im Jahr 1874 besuchte der Architekten-Verein zu Berlin diese Produktionsstätten und berichtete in Fachzeitschriften darüber.[2]
Bei der Benennung der neuen Straße als Weißenburger Straße im Jahr 1874 erhielt die Baustelle die Hausnummer 25.
Bis zur Fertigstellung im Sommer 1875 wurden im Unterschied zum gegenüberliegenden Haus Kollwitzstraße 53 die Seitenflügel um diese zusätzlichen Wohnungen gekürzt. Im Ergebnis waren die beiden Wohnungen je Etage noch größer. Es ergab sich eine Geschossfläche von über 300 Quadratmetern. Die Seitenflügel endeten mit hinteren Treppenhäusern. Ebenso wurde bei den Nachbarhäusern in der Kollwitzstraße 50 und 54 verfahren. Dabei verfügten die Wohnungen anfangs weder über fließendes Wasser noch über ein WC. Hierfür wurde auf dem Hof ein „Abtrittsgebäude“ mit darunter liegender Grube gebaut, also ein Trocken-Fallklo. Erst im Jahr 1893 ließ der Eigentümer das Haus an die neu errichtete Kanalisation anschließen.[3]
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Die Fassadengestaltung war mit einem breiten zentralen Erker über drei Etagen besonders aufwändig. Der Erker war im oberen Bereich mit vier großen Karyatiden beschmückt. Breite seitliche Fenster waren jeweils durch hölzerne Karyatiden geteilt. Der Eingangsbereich war mit fünf Metern so hoch wie die Decke des Hochparterres, er führte in das Haus hinein. Die mit hölzernem Schmuck gestaltete Eingangstür war um mehr als zwei Meter in das Haus zurückgesetzt. Das Haus hob sich mit den Erkern und seiner Höhe ebenso wie das Haus gegenüber von den anderen Häusern der Straße ab.
Die Eingangstür und die äußeren Karyatiden haben die Zeiten überstanden, die letzteren wurden im Jahr 2023 durch Abgüsse ersetzt.[4]
Bewohnerschaft
Überblick
Die ersten Bewohner neu gebauter Berliner Mietshäuser waren überwiegend die sogenannten Trockenwohner, Menschen aus armen Bevölkerungsschichten konnten hier gegen eine geringe oder gar keine Miete rund drei Monate wohnen. In der Weißenburger Straße 25 waren dies im Jahr 1875 nur drei Mietparteien: zwei Schuhmacher und ein Schneider[5], also Handwerker, die oft nur über sehr kleine Einkommen verfügten.[6] Bald nach der Fertigstellung des Mietshauses waren die Parzellen/Häuser umnummeriert worden, das Haus trug seitdem die Nummer 22.
1877–1918
In den unteren Etagen waren die Wohnungen des Hauses repräsentativ genug für einen bürgerlichen und gediegenen Wohnstil. Die Weißenburger Straße war breit angelegt, die Häuser modern. Im Vergleich zu der alten Häusern der Innenstadt mit ihren engen Hinterhöfen und schmalen Straßen war das Wohnviertel damals ein repräsentativer Wohnort. Staatsbedienstete mit bürgerlichem Repräsentationsbedürfnis schätzten die ruhige Wohnlage in Nähe zur Innenstadt, wo sich ihre Arbeitsstätten befanden.
Beispiel: In einer der repräsentativsten Wohnungen der Weißenburger Straße 25, in der sogenannten Beletage, lebte seit 1875 ungefähr vier Jahre lang der Witwer Friedrich Beltzing.[7] Beltzing war leitender Beamter im kaiserlichen Postzeitungsamt. Im Adressbuch trug er die Bezeichnung Rechnungsrat, ein Ehrentitel, der langjährigen Beamten im Rechnungswesen verliehen wurde. Sein Arbeitsplatz befand sich Ende der 1870er Jahre in der Spandauer Straße 16, gleich hinter dem Alexanderplatz. Im Jahr 1880 zog Friedrich Beltzing innerhalb der Weißenburger Straße in die Nummer 5 um.[8]
Die Verkehrsanbindung wurde laufend verbessert. Durch die Weißenburger Straße führte seit 1894 eine elektrische Straßenbahn zum späteren Hackeschen Markt. Unter der Schönhauser Allee verkehrte ab 1913 eine U-Bahn. Der U-Bahnhof Senefelderplatz war aus der Weißenburger Straße fußläufig gut erreichbar.[9]
1919–1938
Neben der verbesserten Verkehrsanbindung zeichnete sich die Weißenburger Straße nunmehr dadurch aus, das sie inmitten eines dicht bebauten Gebietes lag. Aus einem Vorort war ein urbaner Stadtraum geworden.
Im Berliner Adressbuch des Hauses für das Jahr 1919 werden 13 Mietparteien aufgelistet, auch Gewerbetreibende wie Bohrer, Gärtner oder Kaufmann.[10] Die soziale Zusammensetzung hatte sich seit den ersten Bewohnern stark verändert. Ein Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkriegs lebte kein Beamter mehr im Haus. Stattdessen wohnten dort nun vor allem verschiedene Gewerbetreibende, vom kleinen Gemüsehändler bis zur international agierenden Agentur. Insgesamt war die Zusammensetzung der Bewohnerschaft der Weißenburger Straße 22 diverser und sozial heterogener als in den 1870er Jahren.
„Einer der Geschäftsräume im Hochparterre des Hauses wurde seit mind. 1902 von der Agentur J. Wartenberger & Co genutzt. Die von Julius Wartenberger im Jahre 1893 gegründete Agentur vertrat ausländische Firmen in Berlin. Nach der Hochzeit der Tochter Pauline (geb. 1881) mit Alfred Schönwald (geb. 1872), überließen Julius Wartenberg und seine Frau Helene den beiden ihre Wohnung in der Weißenburger Straße 22 und zogen gleich um die Ecke in die Wörther Straße. 1913 wurde der Schwiegersohn Teilhaber der Firma. Bereits im Jahr darauf verstarb der Firmengründer im Alter von 74 Jahren.
Die Agentur J. Wartenberger & Co nutzte mindestens bis 1925 die Geschäftsräume in der Weißenburger Str. 22. Alfred und Pauline Schönwald lebten hier noch bis ca. 1933 zusammen mit ihrer 1910 geborenen Tochter Vera. Nach 1933 waren die Schönwalds als Juden von der antisemitischen Verfolgung der Nationalsozialisten betroffen. Pauline Schönwald verstarb 1936. Alfred Schönwald flüchtete nach Südafrika und verstarb 1947 im Jüdischen Altersheim in Kapstadt. Die Tochter Vera lebte bis zu Ihrem Tode 1986 in London.“
Dass die Familie Wartenberger in der Straße wohnte, war kein Zufall. In der direkten Umgebung rund um den Wörther Platz hatte sich ein reges jüdisches Leben entwickelt. Mehrere jüdische Einrichtungen waren entstanden: Hinter den gegenüberstehenden Häusern befindet sich der jüdische Friedhof. Daneben wurde 1897 das Baruch-Auerbach’sche Waisenhaus fertig. In der Rykestraße 52 wurde 1904 die Synagoge eingeweiht.
1939–1945, in der NS-Zeit
Das Adressbuch von 1939 führt nur 10 Mietparteien und einen Gewerbebetrieb (eine Liefergenossenschaft) auf. Dabei waren 1935 die beiden Wohnungen in der vierten Etage von der neuen Eigentümerin Margarita Reichardt geteilt und dadurch weiterer Wohnraum geschaffen worden. Es fällt auf, dass viele Menschen im Textilbereich tätig waren.[11] Insgesamt geben die Adressbücher dieser Jahre bis 1943 nur einen lückenhaften Einblick in die Bewohnerschaft des Hauses.
In der Weißenburger Straße 22 lebten in diesen Jahren zeitweilig die Familie Freundlich, die Wartenbergs oder die Bachners, die alle seit 1933 von den NS-Verfolgungen betroffen waren. 1939 fand im gesamten Deutschen Reich eine Volkszählung statt. Dort musste auch die „Abstammung“ vermerkt werden. Aus diesen Listen geht hervor, dass im Mai 1939 mindestens zwei weitere jüdische Familien im Haus lebten, die nicht im Adressbuch aufgeführt sind, so auch die Familie Jaffe.
„Zum Zeitpunkt der Volkszählung 1939 lebte in der Weißenburger Straße 22 auch die Familie der Eheleute Max Jaffe (Jg. 1885) und Frieda Jaffe, geb. Aust (Jg. 1899). Sie sind in keinem Adressbucheintrag aufgeführt. Die gemeinsamen Kinder Hildegard (geb. 1921), Heinz (geb. 1923) und Gerhard (geb. 1930) waren nach den nationalsozialistischen ‚Rassegesetzen‘ sogenannte ‚Halbjuden‘, denn ihr Vater war Jude, ihre Mutter nicht. Die sogenannten ‚privilegierten Mischehen‘ boten dem jeweiligen jüdischen Ehepartner einen gewissen Schutz vor zentralen Verfolgungsmaßnahmen und vor den Deportationen in Konzentrations- und Vernichtungslager. Insgesamt lebte die Familie Jaffe wahrscheinlich über Jahrzehnte in der Weißenburger Straße 22 (später Nr. 52) zumindest bis 1961, als Max Jaffe starb. Frieda Jaffe lebte bis 1977 und wohnte gleich um die Ecke in der Sredzkistraße. Der Sohn Heinz Jaffe lebte bis zu seinem Tod im Jahre 1961 in der Bötzowstraße. Die Tochter Hildegard wohnte bis 1981 in der Dunckerstraße.“
„Seit ungefähr 1916 lebte in der Weißenburger Straße 22 der praktische Arzt und Sanitätsrat Bernhard Freundlich. Im Haus befand sich auch seine Praxis. Bernhard Freundlich starb bereits 1923 mit 58 Jahren. Anschließend übernahm der Sohn Erwin Freundlich Wohnung und Praxis und praktizierte hier als Frauenarzt. Im Jahr 1925 heiratete er Elise Therese Hertha, geb. Bülow, 1929 kam ihr gemeinsamer Sohn Berndt Lutz hier zur Welt. Bis 1932 wurde die Familie Freundlich in den Adressbüchern für die Weißenburger Str. 22 aufgeführt. Mitte der 1930er Jahre fassen die Freundlichs den Entschluss zur Auswanderung: Erwin Freundlich erlebt die zunehmende Entrechtung jüdischer Ärztinnen und Ärzte bis zu dem Entzug der Approbation. Rechtzeitig gelingt es der Familie zunächst nach Palästina und schließlich 1944 in die USA zu flüchten.“
Der Umgang der jüdischen Bewohner des Hauses mit der Verfolgung durch den NS-Staat war allerdings sehr unterschiedlich, es gab auch einen Gestapoagenten unter ihnen:
„Seit ca. 1937 lebten Gerhard Behrendt (geb. 1896) und seine Frau Margarete (geb. 1899), geborene Freitag, mit ihren beiden Töchtern in der Weißenburger Straße 22. Gerhard Behrendt arbeitete seit 1925 als Beschäftigter im Arbeitsamt Berlin-Mitte, wurde 1936 als Jude entlassen. Von 1938 bis 1941 arbeitete er bei jüdischen Organisationen, die versuchten, Jüdinnen und Juden bei ihrer Auswanderung zu unterstützen. Anschließend musste er Zwangsarbeit in verschiedenen Betrieben leisten. Von 1943 bis 1945 ließ sich Gerhard Behrendt von der Gestapo für den ‚Jüdischen Fahndungsdienst‘ rekrutieren, suchte als sogenannter ‚Greifer‘ nach in der Illegalität lebenden jüdischen Menschen und brachte sie in Sammellager. Von dort aus wurden sie zumeist in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Für den ‚Jüdischen Fahndungsdienst‘ waren in Berlin circa 20 Personen tätig. Alle waren selbst verfolgte Menschen, die nun zu Verfolgern wurden, zumeist weil sie sich dadurch Schutz für sich und ihre Angehörigen versprachen. Behrendt wurde 1945 von sowjetischen Behörden als ‚Gestapo-Agent‘ verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, ‚15 Juden denunziert‘ zu haben. Nach fünf Jahren in Haft wurde er von einem sowjetischen Militärtribunal verurteilt und in ein Lager in Sibirien verbracht. Nach seiner Rückkehr 1955 stellte Gerhard Behrendt mit Erfolg einen Antrag beim West-Berliner Entschädigungsamt. Die Tätigkeit für die Gestapo hatte er verschwiegen. Zwei Jahre später starb Gerhard Behrendt als ‚Regierungsoberinspektor außer Dienst‘.“[12]
1945–1990
Über die Bewohnerschaft nach 1945 ist kaum etwas bekannt. In den Gewerberäumen im Souterrain wohnten zeitweise Menschen, vermutlich Flüchtlinge. Die kleine Wohnung im Obergeschoss der Remise wurde bis in die 1970er Jahre von einer alten Frau bewohnt. 1973–1979 wohnte der Komponist und Dirigent Friedrich Goldmann mit seiner Familie in einer Wohnung im ersten Obergeschoss.[13] In den 1980er-Jahren wurde auf Initiative und unter Mitarbeit der Bewohnerschaft das alte Remisengebäude zurückgebaut und zu zwei Autogaragen umgebaut. Als Dank und Auszeichnung erhielt die Hausgemeinschaft von der Kommunalen Wohnungsverwaltung (KWV) eine Wäschemangel überreicht. Diese Maschine war in der Ausstellung 2025 zum Haus zu sehen. Ende 1990 wohnten im Haus 10 Mietparteien. Eine Einheit im Hochparterre wurde vom Ehepaar Dr. Beck als Arztpraxis genutzt. Die früheren Gewerbeeinheiten im Souterrain waren zur Straße hin vermauert und wurden als Mieterkeller genutzt. Die große Wohnung in der Beletage war von der Ostberliner Sparkasse angemietet und seit Jahren nicht genutzt worden. Vorher hatte sie dort ein Wohnheim für Mitarbeiter (mit getrennten Toiletten für Männer/Frauen) betrieben.[14]
Eigentümer des Hauses
1876
Im ersten Jahr nach der Fertigstellung hatte das Haus drei verschiedene Eigentümer. Der Deutsch-Holländische Actien-Bauverein hatte das Haus an den Kaufmann Max Stecker verkauft. Dieser veräußerte das Haus an den Rentier Carl Gottlieb Brünning, der es wiederum an den Amtmann Julius Frantz Grottski weitergab.[15]
1877–1911
Mit dem Kauf des Haus an Gustav Schultze begann eine lange Phase der stabilen Eigentumsverhältnisse. In diesen Jahrzehnten wurde das Haus an das neu gebaute Wassernetz und die Kanalisation angeschlossen, in den Seitenflügeln wurden Bäder eingebaut. Im nördlichen Teil des Hofes, hinter dem dortigen Seitenflügel wurde 1883 eine Remise gebaut, in der unten die Pferde standen. Oben war eine kleine Wohnung eingerichtet.[16]
1912–1935
Nach dem Tod Gustav Schultzes besaßen seine Erben das Haus. Sie verkauften es erst 1925.
Salomon Rotholz, der Käufer des Hauses, besaß schon andere Häuser in Berlin. Er führte in seinem eigenen Haus im Weidenweg 54 in Friedrichshain eine Glaserei. Ende der 1920er Jahre löste er bei den Häusern Weidenweg 54 und Weissenburger Straße 22 alte Kredite ab und nahm neue auf, zu hohen Zinssätzen. 1931 wurde eine Zwangsverwaltung für die beiden Häuser eingetragen. Er schien im Zuge der Weltwirtschaftskrise wirtschaftliche Probleme bekommen zu haben. Bis 1935 wechselten sich Zwangsverwaltungen und Löschungen ab, bis es 1935 zu einer Zwangsversteigerung kam.
Ende der 1930er Jahre besaß er nur noch ein Haus. Als Jude stand er zudem unter großem Druck. Am 23. November 1940 veröffentlichte der Reichsanzeiger eine Liste der Personen, denen nach einem Gesetz von 1933 die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt wurde, Salomon Rotholz wurde in dieser Liste aufgeführt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er zusammen mit seiner Frau aber schon Deutschland verlassen und lebte in Havanna. Er hatte ursprünglich eine Schiffspassage mit der Hamburg-Amerika-Linie gekauft, war dann jedoch am 28. März 1939 mit „einer ausländischen Schiffahrtsgesellschaft“ ausgewandert.[17]
1935–Mai 1945
Erfolgreich bei der Versteigerung war Margarita Reichardt, geb. Cohen, die zu den privaten Kreditgebern von Rotholz gehörte, selbst aber mit ihrem Mann, dem Kunstprofessor Wilhelm Reichardt, im eigenen Haus am Bayrischen Platz 3 wohnte. Reichardt teilte die Wohnungen im 4. Obergeschoss (OG) und sah auch eine Teilung im 3. OG vor, doch sie verkaufte die Immobilie wieder, weil die Familie 1937 nach Brasilien auswanderte, wo der Mann vorher gelebt hatte.[18] Die Käuferin Mathilde Fricklert führte die von Reichardt geplante Teilung der Wohnungen im 3. OG nicht aus.
Mai 1945–1990
Das Haus Kollwitzstraße 52 überstand den Krieg mit nur geringen Schäden. Um diese Kriegsschäden zu reparieren, wurden Bankkredite aufgenommen und im Grundbuch des Hauses als „Aufbauhypotheken“ eingetragen.[13] In der DDR-Zeit, ab 1952 wurde auch dieses Haus von der KWV zwangsverwaltet. Die Eigentümerin hatte keinen Zugriff mehr. Die Mieten waren auf Regierungsbeschluss auf dem Niveau von 1936 eingefroren worden. Dies führte bald dazu, dass die Einnahmen nicht mehr reichten, um notwendige Reparaturen zu bezahlen oder gar Modernisierungen vornehmen zu können.[19] Deshalb wurden bis 1990 für jede Art von Reparatur, auch für die große Sanierung 1972, Kreditsummen als „Aufbauhypotheken“ in das Grundbuch eingetragen.[13]
1990–2006
Durch den von Erben der Frau Frickert über eine Auktion geplanten Verkauf im Dezember 1990 wurde das Haus, bezogen auf den Verkauf 1937, zu einem Prüffall beim LAROV. Im Jahr 1991 stellte die Jewish Claims Conference (JCC) dort einen Antrag auf Rückübertragung. Dieser wurde erst 1998 zugunsten der JCC (mit einem Anteil von 30 % für die Frickert-Erben) entschieden.[20] 1998 wurde die Jewish Claims Conference somit für kurze Zeit Eigentümerin des Hauses.
In der Auktion im Dezember 1990 ersteigerten Christoph Radke und Nicolaus Schmidt das gesamte Haus, sie waren bis 1998 Besitzer und danach Eigentümer. Sie führten bauliche Erneuerungen durch und teilten die Räumlichkeiten 2006 in Wohnungseigentum auf. Sie verkauften ab 2006 einige Einheiten, andere übertrugen sie der Kunststiftung K52.
Seit 2006
Die Kunststiftung K52 besitzt derzeit (September 2025) drei Einheiten. In einer finden Ausstellungen und andere Veranstaltungen statt.
Auktion im Dezember 1990 und Selbsthilfevorhaben

Mitte November kündigten die Berliner Grundstücksauktionen für den 11. Dezember 1990 eine erste private Immobilien-Auktion in Ost-Berlin an, auf der auch dieses Haus angeboten wurde. Die Bewohner des Hauses protestierten dagegen, unter anderem mit Transparenten an der Hausfassade wie „Heute Kollwitzstraße 52, morgen ihr.“ Ihr Versuch mitzubieten, scheiterte daran, dass die Berliner Sparkasse am Alexanderplatz sie als ehemalige DDR-Bürger nicht als kreditwürdig ansah.
„Und dann erfuhren wir davon, dass unser Haus in drei Wochen versteigert werden soll. Wir waren uns einig, die Hausgemeinschaft zu erhalten und wollten das Haus selbst kaufen. Auf der Sparkasse wurden wir aber nur belächelt und nach Sicherheiten befragt, die im Unterschied zu Westdeutschen niemand von uns kurzfristig liefern konnte, obwohl wir alle in ‚bürgerlichen Berufen‘ arbeiteten. Wir fühlten uns in dem Moment wirklich ausgebeutet.“
Am Morgen vor der Versteigerung besuchte das Künstlerpaar Christoph Radke und Nicolaus Schmidt das Haus. In einem Gespräch mit zwei Mietern kam die Idee auf, dass man sich eventuell zusammentuen könne. Nicolaus Schmidt berechnete auf der Annahme einer auf DM 2,40 erhöhten Miete, dass sie mitbieten würden, wenn die Bewohner sich hierauf einließen. Vor der Auktion teilten die Bewohner den beiden mit, dass dies eine Basis für ein Zusammengehen sei. Radke und Schmidt wiederum hatten sich von Freunden Kreditzusagen eingeholt.
Unter großem Medieninteresse ersteigerte das Künstlerpaar Christoph Radke und Nicolaus Schmidt das Mietshaus für 1,05 Millionen Mark.[22]
Im Herbst 1991 hatten sich Hausbewohner und Käufer nicht nur auf einen Vertragsentwurf für eine gemeinsame Sanierung als Mietergemeinschaft geeinigt, sondern sie erhielten auch eine Finanzierungszusage nach dem Selbsthilfemodell des Berliner Senats durch die Sanierungsgesellschaft B.S.M. Da auch in den Folgejahren der Rechtsstreit um den Eigentumstitel nicht entschieden wurde, verfiel diese Zusage, die ersten Mieter zogen aus. Das Modell der gemeinsamen Sanierung konnte nicht umgesetzt werden.[20]
Eigentumsstreit und Verkauf
Das LAROV brauchte zwei Jahre bis zur ersten Entscheidung. Es wies am 11. Dezember 1992 den Übertragungsanspruch der Claims Conference zurück. Begründung: „trotz umfangreicher Recherchen könne kein Nachweis der tatsächlichen Abstammung der Frau Reichardt geb. Cohen geführt werden.“ Ein Widerspruch der Claims Conference gegen diese Entscheidung wurde ebenfalls zurückgewiesen und landete schließlich als Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht, die sich dort bis 1998 hinzog. 1997 legte die Claims Conference eine wissenschaftliche Arbeit vor, wonach Margarita Cohen in Peru aus einer aus Deutschland eingewanderten jüdischen Familie stammte. Vor diesem Hintergrund entschied das LAROV am 30. Juni 1998 zugunsten der Claims Conference. Die Frickert-Erben erhielten 30 % der Kaufsumme. Das entscheidende Argument vor dem Kammergericht war ein Adressbuch von 1938 zum Haus am Bayrischen Platz 3, wo Frau Reichart als Eigentümerin nicht mehr aufgeführt war. Frau M. R. gehöre „als Jüdin zu einem von den Nationalsozialisten kollektiv verfolgten Personenkreis [...]“ Diese Verfolgung sei „ursächlich für den Vermögensverlust“.[20] Der Verkauf durch die Jewish Claims Conference an die beiden Künstler wurde im 2. Halbjahr 1998 vollzogen.
Sanierungen
1990 war das Haus trotz erheblicher baulicher Probleme in einem besseren Zustand als etliche andere Häuser in der Nachbarschaft. Der Grund dafür war eine Sanierung 1972, in der unter anderem die Dacheindeckung geändert wurde. Statt der historischen Schieferplatten wurden Dachziegel eingedeckt. Die Fassaden wurden neu geputzt, zuvor war der Stuck an der Straßenfassade abgeschlagen worden, auch die vier großen Karyatiden am oberen Erkerbereich. Bei der Neugestaltung der Treppenhäuser blieb der Stuck im Hausdurchgang erhalten.
Nachdem sich das Selbsthilfeprojekt nicht realisieren ließ und die Käufer im Juni 1995 einen zweiten, bedingten Kaufvertrag mit der Claims Conference geschlossen hatten, begannen sie im folgenden Jahr mit der Fassadensanierung, der Strangsanierung und dem Dachausbau. Die Finanzierung erfolgte aus Rücklagen und privat geliehenem Geld. Die Kosten wurden niedrig gehalten durch ein hohes Maß an Eigenarbeit. Um Kosten einzusparen, sanierten einige neue Mieter ihre Wohnungen teilweise selbst. Ende 1998 wurde der erste Teil der Sanierungen abgeschlossen.[23]
Zwischenzeitlich zog die Friedländerschule, eine Bildungseinrichtung für jüdische Immigranten aus der Ex-Sowjetunion für einige Jahre in die früheren Wohnheimräume ein. Im Souterrain bezog der „Kunstverein auf dem Prenzlauer Berg e.V.“ (K.A.P.) neu geschaffene Gewerberäume.
Die aktuelle Situation

Anfang der 2000er-Jahre wurde das Treppenhaus saniert, im vierten OG zur Straße ein Balkon angebaut, ein Außenaufzug errichtet und der Hof begrünt. Die Remisenruine wurde durch ein modernes zweigeschossiges Wohn- und Gewerbehaus ersetzt.
2013 gründeten Nicolaus Schmidt und Christoph Radke die Kunststiftung K52, die u. a. ein Stipendium für Künstlerinnen und Künstler über 45 vergibt. Nach 10 Jahren Ausstellungsbetrieb in Mitte wurden Mitte 2025 neue Räume für Wechselausstellungen im Souterrain im Haus Kollwitzstraße 52 eröffnet – in den ehemaligen Räumen des K.A.P. Die Kunststiftung soll einmal die restlichen Einheiten von Schmidt und Radke erben und damit ihre Arbeit vor Ort zu finanzieren.[24] Neben der Galerie gibt es zwei weitere Läden und eine Arztpraxis im Haus.
Ausstellung zum Haus
Am 7. Juli 2025 wurde das Haus 150 Jahre alt. Dies war der Anlass für das Museum Pankow, zusammen mit der Kunststiftung K52 eine Ausstellung zur Geschichte des Hauses zu erarbeiten: Kollwitzstraße 52. Eine Berliner Hausgeschichte. Diese wurde am 11. Juli 2025 in der Galerie der Kunststiftung in der Kollwitzstraße 52 eröffnet und ist noch bis zum 26. Oktober zu sehen. Zur Ausstellung ist ein gut recherchierter Katalog erschienen. Die Ausstellung wird 2026 im Museum Pankow ein weiteres Mal gezeigt werden.
Literatur
- Kollwitzstraße 52 – eine Berliner Hausgeschichte seit 1875, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des Museums Pankow und der Kunststiftung K52, Hrsg. Kunststiftung K52, Berlin 2025.
Weblinks
- Kunststiftung K52 – mit Ausstellungsfotos
- Museum Pankow zur Ausstellung – mit falschen Öffnungszeiten
- Kollwitz 52.de – detaillierte Geschichte des Hauses
Einzelnachweise und Kommentare
- ↑ Ausstellungskatalog Kollwitzstraße 52 ..., S. 4.
- ↑ Ausstellungskatalog Kollwitzstraße 52 ..., S. 46–48.
- ↑ Kollwitzstraße 52.de/Chronologie 1872-1942. Abgerufen am 25. August 2025.
- ↑ Ausstellungskatalog Kollwitzstraße 52 ..., S. 55.
- ↑ Weißenburger Straße 25. In: Berliner Adreßbuch, 1875, Teil II.
- ↑ Ausstellungskatalog Kollwitzstraße 52 ..., S. 64.
- ↑ Beltzing, Fr., Rechnungsrath im Postzeitungsamt. In: Berliner Adreßbuch, 1877, Teil I, S. 43.
- ↑ Beltzing, Fr. In: Berliner Adreßbuch, 1882, Teil I, S. 53.
- ↑ Ausstellungskatalog Kollwitzstraße 52 ..., S. 64–67.
- ↑ Weißenburger Straße 22. In: Berliner Adreßbuch, 1919, Teil III, S. 927.
- ↑ Weißenburger Str. 22. In: Berliner Adreßbuch, 1939, Teil IV, S. 964.
- ↑ Alle Zitate aus dem Katalog der Ausstellung Kollwitzstraße 52. Eine Berliner Hausgeschichte seit 1875, 2025, Texte von Dr. Johanna Niedbalski.
- ↑ a b c Kollwitz52.de, Chronologie 1943-1990
- ↑ Sanierung durch das Künstlerehepaar, Details. Abgerufen am 26. August 2025.
- ↑ Alle auch folgenden Angaben aus dem Ausstellungskatalog Kollwitzstraße 52 ..., S. 36–37.
- ↑ Zeichnung der Remise auf Kollwitz52.de
- ↑ Kollwitz52.de, Salomon Rotholz 1878 Biografie.
- ↑ Ausstellungskatalog Kollwitzstraße 52 ..., S. 35.
- ↑ Ausstellungskatalog Kollwitzstraße 52 ..., S. 37, 78.
- ↑ a b c Kollwitz52.de, Chronologie 1990–1999.
- ↑ Ausstellungskatalog Kollwitzstraße 52 ..., S. 30
- ↑ Ausstellungskatalog Kollwitzstraße 52 ..., S. 8–16
- ↑ Ausstellungskatalog Kollwitzstraße 52 ..., S. 78–79
- ↑ Ausstellungskatalog Kollwitzstraße 52 ..., S. 84
Koordinaten: 52° 32′ 5,8″ N, 13° 25′ 0″ O
