Kollegialsystem
Das Kollegialsystem ist eine Organisation der Führungsspitze einer Instanz, z. B. eines Unternehmens, in der Schweiz auch des Staates (Regierungssystem). Alle Mitglieder der Instanz haben im Wesentlichen gleiche Rechte hinsichtlich der Willensbildung in dieser Instanz. Die Entscheidung kann hier mit einfacher Mehrheit, mit qualifizierter Mehrheit oder durch einstimmige Beschlüsse fallen.[1]
Ein spezielles Regelwerk definiert die Verantwortlichkeiten der einzelnen Mitglieder und sichert die Einhaltung der Abstimmungsprozesse sowie der Entscheidungsfindung.[2]
Formen des Kollegialsystems
Riester unterscheidet:[3]
– Primatkollegialität: Ein Mitglied des Kollegiums ist Primus inter pares und fungiert als Sprecher. Er führt den Vorsitz und entscheidet bei Stimmengleichheit. Meist wird er von den Mitgliedern des Kollegiums auf bestimmte Zeit gewählt.
– Abstimmungskollegialität: Alle Mitglieder des Kollegiums sind gleichberechtigt. Beschlüsse werden dabei entweder nach dem Einstimmigkeitsprinzip oder nach dem Majoritätsprinzip gefasst.
– Ressortkollegialität: Jedes Mitglied ist für einen bestimmten Bereich (Ressort) im Unternehmen zuständig und hat die Befugnis dort die Entscheidungen zu treffen. Bereichsübergreifende Entscheidungen werden weiterhin von allen Mitgliedern gemeinsam getroffen.
– Kassationskollegialität: Mehrere gleichberechtigte Personen können nur gemeinsam handeln. Wenn eine dem Vorhaben der anderen widerspricht, muss die Handlung unterbleiben. Eine Person kann auch die von anderen getroffene Entscheidung aufheben oder aufschieben.
Vorteile des Kollegialsystems
Arbeitgeber versprechen sich von der Einführung des Kollegialsystems einige Vorteile:[4]
- Einen größeren Rückhalt bei betrieblichen Entscheidungen innerhalb der Belegschaft
- Unabhängigkeit von leitenden Angestellten
- Eine höhere Arbeitgeberattraktivität
Das Kollegialsystem besitzt auch für Mitarbeiter einige Vorteile:
- Weniger Verantwortung und Druck für leitende Positionen
- Eine gerechtere finanzielle Verteilung
- Flache Hierarchien
- Mitbestimmungsrecht für mehr Angestellte
- Stärkung der innerbetrieblichen Zusammenarbeit
- Erleichterter Aufstieg in Leitungspositionen
Schweizer Regierungssystem
Das Kollegialsystem, wonach in der Schweiz die Exekutiven auf Bundesebene (Bundesrat), kantonaler Ebene (Regierungsrat, Staatsrat) und Gemeindeebene (Gemeinderat, Stadtrat), aber auch die Vereinsvorstände organisiert sind, ist als republikanisches Element ein zentraler Bestandteil schweizerischer Tradition. Es beruht auf einem Kollegium, also einem Zusammenschluss mehrerer Menschen, die durch Wahlen autorisiert als selbsttätige rechtliche Einheit wirken.[5]
Das Kollegialprinzip, das sich aus dem Kollegialsystem ergibt, ist mehr als eine Rechtsnorm. Zum einen werden daraus gewisse politische Maximen und Verhaltensweisen abgeleitet: So soll sich beispielsweise ein Regierungsmitglied vor der Beschlussfassung im Kollegium nicht zu einem Geschäft äußern, es bewahrt Verschwiegenheit über Beratung und Beschlussfassung, und von gefassten Mehrheitsbeschlüssen darf es sich nicht distanzieren. Zum andern drückt das Kollegialprinzip ein zentrales Element der schweizerischen politischen Kultur aus: Politische Macht und Verantwortung werden nicht von einer Person, sondern einem Rat ausgeübt und getragen; dementsprechend ist der politische Diskurs weitgehend sach- und nicht personenorientiert.[6]
Das Kollegialprinzip steht in einem Spannungsverhältnis zum Departementalprinzip, durch das es ergänzt und begrenzt wird: Die einzelnen Regierungsmitglieder sind je für besondere Sachbereiche erstzuständig, die verschiedenen Departementen (so der Begriff im Bund und in etlichen Kantonen) oder Direktionen (so der Begriff in andern Kantonen) zugewiesen werden. In der Praxis lässt sich im Bund und in einzelnen Kantonen eine Tendenz zur «Departementalisierung» feststellen, also einer Aushöhlung des Kollegialprinzips durch das Departementalprinzip, was zu einer Schwächung der eigentlichen Regierungstätigkeit führen kann.[6]
Quellen
- ↑ Bundeszentrale für politische Bildung: Kollegialsystem. Abgerufen am 10. September 2025.
- ↑ Deutscher Ärzteverlag GmbH, Redaktion Deutsches Ärzteblatt: Leitende Ärzte im Kollegialsystem: Alternatives Führungsmodell. 1. Mai 2015, abgerufen am 19. Februar 2021.
- ↑ Erich Kosiol: Organisation der Unternehmung. Wiesbaden 1962, S. 118 f.
- ↑ Expertenteam in der Führungsverantwortung Praxisbeispiel aus der Anästhesie - PDF Kostenfreier Download. Abgerufen am 19. Februar 2021.
- ↑ Heinrich Ueberwasser: Kollegialsystem. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- ↑ a b Peter Auer: Staatsrecht der schweizerischen Kantone. Stämpfli, Bern 2016, S. 85–87.