Kiyoshi Tanimoto

Kiyoshi Tanimoto (japanisch 谷本 清 Tanimoto Kiyoshi; * 27. Juni 1909 in Sakaide, Präfektur Kagawa; † 28. September 1986 in Hiroshima) war ein japanischer methodistischer Pfarrer, der als einer der Überlebenden des Atombombenabwurfs auf Hiroshima internationale Bekanntheit erlangte und sein Leben der Friedensarbeit und der Unterstützung von Hibakusha widmete. Nach einem Aufenthalt in Korea konvertierte er vom Buddhismus zum Christentum und studierte nach seinem Abschluss an der Kwansei-Gakuin-Universität von 1937 bis 1940 Theologie an der Candler School of Theology der Emory University in Atlanta, Georgia. Am 6. August 1945 überlebte er den Atombombenabwurf zwei Meilen vom Explosionszentrum entfernt und engagierte sich unmittelbar in Rettungsmaßnahmen für Überlebende. Seine internationale Bedeutung resultierte aus seiner Darstellung in John Herseys Reportage Hiroshima (1946), seinen transnationalen Friedensinitiativen einschließlich der medizinischen Hilfe für die „Hiroshima Maidens“ in den USA 1955 sowie der Gründung der Hiroshima Peace Center Foundation 1950, womit er zu einer zentralen Figur der Atombomben-Erinnerungskultur und internationalen Friedensbewegung wurde.
Jugend und Ausbildung
Kiyoshi Tanimoto wurde 1909 in Sakaide auf der Insel Shikoku als jüngstes von acht Kindern geboren. Seine Familie lebte im buddhistischen Glauben, und seine Kindheit und Jugend waren durch die traditionelle buddhistische Erziehung geprägt, die in seiner Familie praktiziert wurde.[1] Nach seinem Abschluss der Grundschule erhielt er eine solide schulische Ausbildung an der Mittelschule. Als junger Mann unternahm Tanimoto nach seinem Schulabschluss eine Reise nach Korea, um seinen älteren Bruder zu besuchen.[2]
Während seines Aufenthalts in Korea kam Tanimoto in Kontakt mit Bertha Starkey, einer US-amerikanischen methodistischen Missionarin, die in Seoul tätig war. Starkey führte ihn in das Christentum ein. Diese Begegnung hatte tiefgreifende Auswirkungen auf seine religiöse Orientierung und seinen weiteren Lebensweg.[2]
Nach seiner Rückkehr nach Japan verstarb seine Mutter plötzlich und unerwartet. Dieser Verlust verstärkte seinen Entschluss, vom Buddhismus zum Christentum zu konvertieren und eine theologische Laufbahn einzuschlagen. Seine Entscheidung, Christ zu werden und Theologie zu studieren, stieß jedoch auf erbitterten Widerstand seines Vaters, der als streng gläubiger Buddhist diese Abkehr von der Familientradition als Verrat empfand. Der Konflikt mit seinem Vater eskalierte derart, dass dieser Kiyoshis Namen aus dem Familienregister streichen ließ und ihn damit offiziell aus der Familie verstieß. Diese öffentliche Verwerfung bedeutete gesellschaftlich den völligen Bruch mit der Familie und stellte für Tanimoto eine schwere persönliche Prüfung dar.[2]
Trotz der familiären Opposition setzte Tanimoto seine christliche Ausbildung fort und studierte zunächst Christentum an der Kwansei-Gakuin-Universität in Nishinomiya. Diese Universität war eine methodistische Bildungseinrichtung, an der er eine solide theologische Grundausbildung erhielt.[3] Im Jahr 1937 erhielt Tanimoto ein internationales methodistisches Stipendium für die Candler School of Theology an der Emory University in Atlanta, Georgia. Kurz vor seiner Abreise in die Vereinigten Staaten gelang es ihm noch, eine Aussöhnung mit seinem Vater zu erreichen. Im Jahr 1940 schloss er sein Theologiestudium an der Candler School erfolgreich ab und wurde zum methodistischen Geistlichen ordiniert.[4]
Pfarrtätigkeit

Nach Abschluss seines Studiums begann Kiyoshi Tanimoto seine Pfarrtätigkeit zunächst in den Vereinigten Staaten. Er wirkte für etwa drei Monate als Pastor an der Hollywood Independent Church, einer japanisch-US-amerikanischen Gemeinde in Kalifornien. Diese Tätigkeit endete im Jahr 1940, bevor er nach Japan zurückkehrte.[2]
Nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten heiratete Tanimoto im Jahr 1942 Chisa, die aus der chinesischen Provinz Liaoning stammte. Im gleichen Jahr erhielt er seine erste Pastorenstellung in Japan auf Okinawa, wo er methodistische Kirchenarbeit verrichtete. Diese Tätigkeit bildete den Übergang zu seiner späteren Berufung in Hiroshima.[5][6]
1943 wechselte Tanimoto nach Hiroshima, wo er die Leitung der Nagarekawa-Kirche übernahm. Diese Berufung erfolgte während des Zweiten Weltkriegs, als die Stadt noch weitgehend von Kriegsschäden verschont geblieben war. Trotz der relativ unversehrten Situation der Stadt empfand Tanimoto eine gewisse Unruhe und hatte das Gefühl, dass der Stadt etwas Bedeutsames widerfahren würde, nachdem er häufige Luftalarme gehört hatte.[7][8]
Überleben des Atombombenabwurfs und Rettungsmaßnahmen

Am Morgen des 6. August 1945 befand sich Kiyoshi Tanimoto außerhalb des Stadtzentrums von Hiroshima, als die US-amerikanische Atombombe „Little Boy“ um 8:15 Uhr über der Stadt explodierte.[9] Tanimoto und ein Freund brachten Kirchenstühle, Gesangbücher, Bibeln, Altargerät und Kirchenaufzeichnungen sowie eine Orgelkonsole und ein Klavier mit einem Handkarren aus der Nagarekawa-Kirche zu einem Haus im westlichen Stadtteil Koi (己斐) in Sicherheit, etwa zwei Meilen vom Explosionszentrum entfernt, denn wie viele andere Bewohner erwartete auch er einen massiven Bombenangriff auf Hiroshima.[7] Tanimotos Frau verbrachte seit einiger Zeit mit ihrem acht Monate alten Baby die Nächte bei einer Freundin in Ushita (牛田), einem nördlichen Stadtteil Hiroshimas.[10][11]
Da Tanimoto und sein Freund zwei Meilen entfernt waren, hatten sie bei Aufkommen des plötzlichen Gammablitzes noch Zeit, sofort in Deckung zu gehen. Während der Druckwelle fielen Splitter, Bretter und Ziegel auf Tanimoto herab, ohne dass er dabei ein Geräusch hörte.[11][10]
Nach der Explosion erhob sich Tanimoto, sah einige Menschen aus den Trümmern hervorkommen und brachte einen von ihnen zu einer Erste-Hilfe-Station, die sich in einer Grundschule befand. Dort erblickte er zahlreiche Verletzte und begann sich zu fragen, was geschehen war. Auf einem Hügel verschaffte er sich einen Panoramablick über die Stadt, wobei er feststellte, dass die gesamte Stadt in Flammen stand. Der Geistliche war weitgehend unverletzt geblieben und lief in die Stadt, um seiner Frau und seinem Kind zu helfen sowie seine Gemeindemitglieder zu finden. Auf seinem Weg begegnete er einer langen Reihe von Flüchtenden, die jedoch jeden Ausdruck vermissen ließen und in tiefem Schweigen die Stadt verließen – ein Anblick, den er als eine „Prozession von Geistern“ beschrieb.[12][13][11]
Tanimoto fand seine Familie unverletzt vor und begann umgehend, Verletzten Wasser zu bringen und sie in Sicherheit zu tragen sowie Überlebende aus den Trümmern zu retten. Mit einem Boot half er verletzten Menschen am und im Fluss Ōta (太田川). Während seiner Rettungsaktionen überlebte er auch einen glühend heißen Wirbelwind, der ihn erfasst hatte. Das Schweigen unter den hunderten grausam verletzten Menschen, die sich am Flussufer versammelten, beschrieb er später als eines der schrecklichsten und ehrfurchtgebietendsten Phänomene seiner gesamten Erfahrung, da die Verletzten ruhig blieben, niemand weinte oder vor Schmerz schrie, selbst die Kinder nicht.[14][11][7][12]
Wiederaufbau der Nagarekawa-Kirche
Der Wiederaufbau der Nagarekawa-Kirche durch Kiyoshi Tanimoto erfolgte zwischen 1948 und 1952 und stellte eine bemerkenswerte Leistung der Wiederaufbaupolitik und internationalen Zusammenarbeit in der frühen Nachkriegszeit dar. Die ursprünglich 1927 von dem US-amerikanischen Architekten William Merrell Vories im gotischen Stil entworfene und als erste Stahlbetonkirche Hiroshimas errichtete Nagarekawa Methodist Church war beim Atombombenangriff vom 6. August 1945, etwa 900 Meter vom Hypozentrum entfernt, schwer beschädigt worden. Das Gebäude brannte vollständig aus und hinterließ nur die Außenmauern der Stahlbetonkonstruktion.[15][16]
Tanimoto initiierte bereits im Mai 1946 die Wiederaufnahme des Gottesdienstes in den Ruinen der Kirche, wonach unter mehreren Kirchenmitgliedern vereinbart wurde, gemeinsam mit der Aufräumung zu beginnen. Studenten der Hiroshima Denki School errichteten zusammen mit ihrem Direktor Torataro Tsuru einen Altar aus verbrannten Ziegelsteinen. Die Gottesdienste in den Ruinen bezeichnete Tanimoto später in einem 1976 veröffentlichten Buch als „Ausgangspunkt für die Wiederherstellung“ der Kirche.[15]
Zwischen 1948 und 1955 reiste Tanimoto auf Einladung der Methodistenkirche mehrfach in die USA, um den Wiederaufbau seiner Gemeinde in Hiroshima zu finanzieren. Während eines 15-monatigen Aufenthalts machte er dort in Vorträgen unter dem Motto „No More Hiroshimas“ auf die Folgen des Atombombenabwurfs aufmerksam und sammelte so zahlreiche Spenden – darunter auch ein Auto.[17][18][16]
1952 wurde die Kirche am ursprünglichen Standort in Kaminagarekawa-cho (heute Teppo-cho) neu errichtet. Mit einer Versicherungssumme von 150.000 Yen (rund 500 Dollar nach damaligem Wechselkurs) finanzierte Tanimoto den Wiederaufbau durch persönlichen Einsatz beim Einwerben von Geld- und Materialspenden. Das Gebäude diente fortan als Stützpunkt für die Hilfe an Atombombenüberlebenden und bot bis 1951 fünfzig schwer verbrannten Waisenmädchen Unterkunft.[17]
Bis Ende 1970 zog die Kirche in ein neues Gebäude an ihrem heutigen Standort in Kaminobori-cho um. Ein aus den verkohlten Überresten der ursprünglichen Kirche gefertigtes Kreuz, das „Atombombenkreuz“, wurde als Symbol der Kirche aufbewahrt und 1995 zum 50. Jahrestag der Atombombe vor den Gebetsraum gestellt. Dieses Kreuz, das aus zusammengefügten, schwarz verkohlten Holzstücken aus den Ruinen gefertigt wurde, unterzog sich 2013 einer Restaurierung durch das Nara National Research Institute for Cultural Properties.[19][15]
Transnationale Friedensinitiativen

Reverend Kiyoshi Tanimoto entwickelte sich zu einer zentralen Figur der internationalen Friedensarbeit und Aufklärung über die humanitären Folgen von Atomwaffeneinsätzen. Unmittelbar nach der Katastrophe widmete er sein Leben der Unterstützung der Hibakusha (Überlebende der Atombombenabwürfe über Japan) und organisierte bereits 1949 eine Selbsthilfegruppe für junge Frauen, die durch die radioaktive Verstrahlung schwere Entstellungen erlitten hatten und deren lokale chirurgische Behandlungen in Japan unzureichend verliefen. Diese Frauen, die aufgrund ihrer charakteristischen Narbenbildung als „Keloid Girls“ bezeichnet wurden, erhielten durch Tanimotos Initiative internationale Aufmerksamkeit.[20][21]
Internationale medizinische Hilfe
Die internationale Dimension von Tanimotos Friedensarbeit manifestierte sich besonders deutlich in der Zusammenarbeit mit Norman Cousins, dem einflussreichen Herausgeber der Saturday Review of Literature, der 1951 Tanimotos Appell um medizinische Hilfe für die entstellten Frauen aufgriff. Nach zweijährigen Vorbereitungen und Finanzierungsbemühungen reisten im Mai 1955 insgesamt 25 der am schwersten betroffenen Frauen, nun als „Hiroshima Maidens“ bezeichnet, in die USA, um am Mount Sinai Hospital in New York spezialisierte rekonstruktive Chirurgie zu erhalten. Das medizinische Team unter Leitung von Arthur Barsky, unterstützt von Bernard Simon und Sidney Kahn, führte über einen Zeitraum von 18 Monaten insgesamt 138 separate Operationen an den Frauen durch. Die Hospitalisierungskosten wurden durch Alfred Rose, den Präsidenten des Mount Sinai Hospital, anonym übernommen, während die drei Chirurgen ihre Dienste unentgeltlich zur Verfügung stellten.[22][21][23]
Parallel zu den medizinischen Eingriffen erhielten drei japanische Ärzte die Gelegenheit, moderne plastische und rekonstruktive Chirurgietechniken zu studieren, um diese Kenntnisse nach ihrer Rückkehr in Japan anzuwenden und das dortige medizinische System zu stärken. Die Unterbringung der Frauen erfolgte in Quäker-Gastfamilien in Connecticut, New Jersey und New York, die durch die American Friends Service Committee koordiniert wurden. Diese Familien, geleitet von der pazifistischen Überzeugung der Quäker, übernahmen nicht nur die Betreuung, sondern organisierten auch Bildungsprogramme in Kosmetologie, Krankenpflege, Malerei und Büroarbeit, um den Frauen berufliche Perspektiven für ihre Rückkehr nach Japan zu eröffnen.[21][24]
Transnationale Solidarität

Parallel zur medizinischen Initiative entwickelte Tanimoto in Zusammenarbeit mit Norman Cousins das „Moral Adoption Program“, das eine innovative Form transnationaler Solidarität darstellte. Das Programm entstand nach Cousins’ Besuch in Hiroshima im August 1949, als er im Hiroshima War Orphans Foster Home auf Waisenkinder traf, die ihre Eltern durch die Atombombe verloren hatten. Da die US-Immigrationsgesetze zu jener Zeit die Einwanderung und Einbürgerung von Japanern sowie die legale Adoption japanischer Kinder verboten, entwickelten Cousins und Tanimoto das Konzept der „moralischen Adoption“ als alternative Form der Unterstützung.[25]
Das Programm lief über die US Hiroshima Peace Center Association, die im März 1949 in New York gegründet wurde und als Vermittlungsorganisation zwischen amerikanischen „moralischen Eltern“ und den Hiroshima-Waisenkindern fungierte. Amerikanische Familien adoptierten die Atombomben-Waisen auf Grundlage von Fotografien und kurzen Profilen der Kinder und verpflichteten sich zu monatlichen Unterstützungszahlungen von 2,25 US-Dollar (entsprechend 810 Yen zu damaligen Wechselkursen). Insgesamt beteiligten sich etwa 600 US-Amerikaner an diesem Programm und unterstützten mehrere hundert Waisenkinder durch Briefe, Geschenke und finanzielle Zuwendungen über Jahre hinweg. Die emotionale Dimension dieser Verbindungen wird durch dokumentierte Fälle wie die Beziehung zwischen dem Waisenkind Yoshiaki Shimamoto und der Radiomoderatorin Vicki Zaser aus Idaho illustriert, die dem Kind nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch eine Geige sandte, die seine spätere Berufswahl als Musiklehrer beeinflusste.[26][25]
Internationale Friedensbildung und Aufklärungsarbeit
Tanimotos internationale Friedensarbeit erstreckte sich über die direkte Hilfe hinaus auf umfassende Aufklärungs- und Bildungsarbeit. Bereits 1948 wurde er von der methodistischen Kirche in die USA eingeladen und unternahm über 15 Monate hinweg eine ausgedehnte Vortragsreise durch amerikanische Gemeinden, um als erster Atombombenüberlebender über die verheerenden Folgen des Nuklearangriffs zu berichten. Diese Aufklärungsarbeit erfolgte in einem schwierigen gesellschaftlichen Umfeld, da viele Amerikaner die Bombenabwürfe als notwendig zur Beendigung des Krieges betrachteten, was Tanimoto vor die Herausforderung stellte, Empathie für die japanischen Opfer zu wecken, ohne die amerikanische Kriegsführung direkt zu kritisieren.[26]
Die internationale Anerkennung seiner Friedensarbeit manifestierte sich in der Zusammenarbeit mit prominenten Persönlichkeiten wie der Nobelpreisträgerin Pearl S. Buck, die Tanimotos Mission unterstützte und ihr Netzwerk für die Mobilisierung weiterer Unterstützer nutzte. Tanimotos Geschichte und seine Friedensinitiativen erhielten weltweite Bekanntheit durch John Herseys dokumentarisches Werk Hiroshima, das ihn als einen von sechs porträtierten Überlebenden der Nachwelt überlieferte.[27][26]
Hiroshima Peace Center Foundation

Die Hiroshima Peace Center Foundation wurde am 8. August 1950 als Stiftung des bürgerlichen Rechts nach japanischem Recht anerkannt und gegründet. Kiyoshi Tanimoto übernahm ab dem Gründungstag die Position des ersten Vorsitzenden der Stiftung und bekleidete dieses Amt von 1950 bis zu seinem Tod 1986. Die Gründung erfolgte als direkte Fortsetzung von Tanimotos bereits 1948 begonnenen Vortragstätigkeiten in den Vereinigten Staaten über die Atombombenerfahrungen.[28]
Die organisatorische Struktur der Foundation umfasste neben Tanimoto als Vorsitzendem elf weitere Gründungsdirektoren. Unter diesen befanden sich prominente Persönlichkeiten wie Osada Arata, emeritierter Professor der Universität Hiroshima, der später 1955 als Vorsitzender fungierte und als Kompilator des Werkes Children of the Atomic Bomb bekannt war,[29] sowie Morito Tatsuo, ehemaliger Präsident der Universität Hiroshima. Das Sekretariat der Organisation wurde in der Nagarekawa-Kirche unter Tanimotos direkter Leitung eingerichtet. Zur Finanzierung der Stiftung trug wesentlich Tanimotos Vortragstätigkeit bei, aus deren Honoraren eine Stiftungssumme von 150 Millionen Yen akkumuliert wurde.[30][31]
Nach Tanimotos Tod 1986 wurde Tsuru Noboru als zweiter Vorsitzender eingesetzt, der das Amt von 1986 bis 2002 ausübte. Tsuru, Gründer der Bildungsgesellschaft Tsuru Gakuen und des Instituts für Technologie Hiroshima, etablierte 1987 den Kiyoshi Tanimoto Friedenspreis zu Ehren des Gründers. Die Nachfolge übernahm schließlich Tsuru Mamoru ab 2005, der bis heute als Vorsitzender der Foundation fungiert.[32][33][28]
Politische Herausforderungen
In seinen späteren Jahren sah sich Tanimoto zunehmender Kritik ausgesetzt, sowohl von konservativeren Kirchenkreisen als auch von radikaleren politischen Gruppen. Viele kritisierten ihn dafür, dass er kein Pfarrer war, der in der Kirche blieb und sich auf die Vorbereitung der Sonntagspredigten konzentrierte. Tanimoto ignorierte diese Kritik jedoch und verteidigte seinen aktivistischen Ansatz mit den Worten: „Ohne Handlung oder Praxis gibt es keinen wahren Glauben“.[10][34]
Seine konstante Reisetätigkeit und seine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten brachten ihm den Ruf ein, stets PR zu suchen, was die Aufmerksamkeit sowohl US-amerikanischer als auch japanischer Behörden auf sich zog, die ihn als Anti-Atomwaffen-Unruhestifter betrachteten. Diese Überwachung und Skepsis spiegelte die Spannungen des Kalten Krieges wider und zeigte, wie politisch sensibel Tanimotos Friedensarbeit war. Gleichzeitig hatte er auch keinen Platz in der japanischen Friedensbewegung, da er zu entscheidenden Momenten ihrer Entwicklung im Ausland gewesen war und seine christliche Weltanschauung ihn für die radikalen Gruppen verdächtig machte, die an der Spitze der Anti-Atomwaffen-Aktivität standen.[35][11][8][36]
Mediale Aufmerksamkeit
Kiyoshi Tanimoto erlangte durch John Herseys Reportage Hiroshima von 1946 internationale mediale Aufmerksamkeit, die ihn als einen der sechs portraitierten Überlebenden des Atombombenangriffs zu einem der bekanntesten Hibakusha weltweit machte. Die ursprünglich in The New Yorker als gesamte Magazinausgabe veröffentlichte und später als Buch erschienene Reportage verkaufte sich über drei Millionen Mal und etablierte Tanimoto als globale Symbolfigur für die Überlebenden der Atomkatastrophe. Herseys Darstellung transformierte nach Ansicht von Historikern „subhumane Japaner“ zurück zu „japanischen Menschen“ und humanisierte die Opfer der Atombombe für die amerikanische Öffentlichkeit.[10][5][37][38]

Die mediale Präsenz Tanimotos erreichte ihren Höhepunkt mit seinem Auftritt in der populären NBC-Fernsehsendung „This Is Your Life“ am 11. Mai 1955, wo er in einer kontroversen und dramatisch inszenierten Sendung dem Kopiloten der Enola Gay, Robert Alvin Lewis, gegenübergestellt wurde. Diese Fernsehepisode, die von Kritikern als geschmacklos bezeichnet wurde, erzielte dennoch eine breite öffentliche Wirkung und trug zur Spendensammlung für die Hiroshima Maidens bei. Die New York Herald Tribune kommentierte die Sendung mit der Schlagzeile „This is Your Life erreicht neuen Tiefpunkt in schlechtem Geschmack“.[2][39][40][11]
Tanimotos kulturelle Wirkung manifestierte sich durch seine umfangreichen Aktivitäten zur internationalen Friedensbewegung und sein Engagement für die Hiroshima Maidens, eine Gruppe von 25 durch die Atombombe entstellten jungen Frauen, die er 1955 für rekonstruktive Operationen in die USA brachte. Diese Initiative erhielt weitreichende Medienberichterstattung in nationalen Zeitungen, wobei die Frauen als „bomb-scarred“, „A-scarred“ oder „Hiroshima-scarred“ bezeichnet wurden. Das US-amerikanische Außenministerium war besorgt über diese Medienaufmerksamkeit, da sie Verbindungen zwischen den körperlichen Schäden und der Atombombe herstellte und potentielle Anti-Atomwaffen-Propaganda beförderte.[39][20][37]
In der deutschsprachigen Medienlandschaft fand Tanimoto Erwähnung in verschiedenen Publikationen über Hiroshima und Friedensbewegungen, wobei seine Geschichte als Beispiel für die Versöhnung zwischen ehemaligen Kriegsgegnern dargestellt wurde. Deutsche Medien berichteten über seine Aktivitäten im Kontext der Hiroshima-Gedenktage und seiner Rolle bei der Vermittlung der Atombomben-Erfahrungen an internationale Zielgruppen.[41][42][43]
Tanimotos schriftliche Hinterlassenschaften, einschließlich seiner englischsprachigen Memoiren über die Zeit zwischen August 1945 und November 1947, wurden kürzlich in US-amerikanischen Universitätsarchiven wiederentdeckt und dienen als Grundlage für die geplante japanisch-amerikanische Filmkoproduktion What Divides Us. Diese Materialien zeigen seine kontinuierliche Korrespondenz mit US-amerikanischen Friedensaktivisten und dokumentieren seine Rolle als kultureller Vermittler zwischen Japan und den USA. Seine Op-Ed-Beiträge in japanischen Zeitungen, die teilweise der alliierten Zensur zum Opfer fielen, bezeugen seine frühen Bemühungen um öffentliche Meinungsbildung bezüglich Atomwaffen und Weltfrieden.[4][44][45]
Tod

Kiyoshi Tanimoto starb am 29. September 1986 im Alter von 77 Jahren in Hiroshima an einer Lungenentzündung nach Leberversagen. Der 39 Jahre lang an der Nagarekawa-Kirche tätige Methodistenpfarrer hinterließ seine Ehefrau Chisa, zwei Söhne und drei Töchter. Seine älteste Tochter Koko Kondo, beim Atombombenabwurf acht Monate alt, setzte sein Friedensengagement als international anerkannte Aktivistin fort.[11][5][35][46]
1987 gründete das Hiroshima Peace Center mit einem von Tanimoto angesparten Stiftungskapital von 150 Millionen Yen den nach ihm benannten Friedenspreis. 2020 rief Koko Kondo zudem die Tanimoto Peace Foundation ins Leben, um Friedenserziehung zu fördern und das Vermächtnis der Atombombenüberlebenden zu bewahren.[33][47][42][27][46][48][49]
Literatur
- John Hersey: Hiroshima. Penguin, Harmondsworth 1946 (newyorker.com).
Weblinks
- Matthew Hernon: Spotlight: Kiyoshi Tanimoto – The Hibakusha Who Came Face-to-Face With the Man Who Bombed Hiroshima. Tokyo Weekender, 28. September 2022.
Einzelnachweise
- ↑ Himari Semans: How an A-bomb survivor found forgiveness for Hiroshima bombers. The Japan Times, 12. August 2025, abgerufen am 28. August 2025.
- ↑ a b c d e Dad Is Not A Noun Podcast: HIROSHIMA: THIS IS YOUR LIFE (1955) TV Surprised A Hiroshima Survivor With Bomber Pilot auf YouTube, abgerufen am 28. August 2025.
- ↑ 32 Notable alumni of Kwansei Gakuin University. EduRank.org, 2. März 2025, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ a b Kiyoshi Tanimoto Collection (MSS 075). Emory University, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ a b c Kiyoshi Tanimoto Dies; Led Hiroshima Victims. In: The New York Times. 29. September 1986, S. B14 (nytimes.com).
- ↑ Chisa Tanimoto dies at 95, wife of the late Reverend Kiyoshi Tanimoto, supporter of A-bomb survivors. Chūgoku Shimbun, 11. Mai 2011, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ a b c Rodney Barker: The Hiroshima Maidens: A Story of Courage, Compassion, and Survival. Viking Penguin, New York 1985, ISBN 0-670-80609-9, Kap. Prelude: This Is Your Life, S. 3–12.
- ↑ a b Nishimoto Masami: Hiroshima Girls, Part 2: Bridging Japan and the United States [2]. Chūgoku Shimbun, 3. Juli 2010, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ Clare Fitzgerald: Hiroshima Survivor Kiyoshi Tanimoto and the Co-Pilot of the Enola Gay Met on an American TV Show. War History Online, 5. September 2023, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ a b c d John Hersey: Hiroshima. Penguin, Harmondsworth 1946 (newyorker.com).
- ↑ a b c d e f g Matthew Hernon: Spotlight: Kiyoshi Tanimoto – The Hibakusha Who Came Face-to-Face With the Man Who Bombed Hiroshima. Tokyo Weekender, 28. September 2022, abgerufen am 28. August 2025.
- ↑ a b Dave Davies: 'Fallout' Tells The Story Of The Journalist Who Exposed The 'Hiroshima Cover-Up'. NPR, 19. August 2020, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ Voices of War: Hiroshima. Imperial War Museums, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ Stephanie Hinnershitz: The Legacy of John Hersey’s “Hiroshima”. The National WWII Museum, 20. August 2021, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ a b c Yamamoto Maho: Documenting Hiroshima 80 years after A-bombing: In May 1946, Hiroshima Nagarekawa Church holds service in scorched ruins. Chūgoku Shimbun, 7. Mai 2025, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ a b Hiroshima Nagarekawa Church. Chūgoku Shimbun, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ a b Services in Hiroshima’s Nagarekawa Church. The World War II Multimedia Database, 4. Februar 2024, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ Kanazaki Yumi: My guidepost, Hiroshima pioneers: Setsuko Thurlow, 92, A-bomb survivor, speaks about Kiyoshi Tanimoto, Hiroshima Nagarekawa Church minister. Chūgoku Shimbun, 19. Februar 2024, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ Tanaka Michiko: A-bombed cross undergoes preservation work, returns to Hiroshima Nagarekawa Church. Chūgoku Shimbun, 18. Februar 2013, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ a b David Serlin: The Clean Room / Domesticating the Hiroshima Maidens: Plastic surgery after the atomic bomb. Cabinet, Immaterial, 2003, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ a b c The Hiroshima Maidens. CBC/Radio-Canada, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ Michael Blood: ‘Hiroshima Maiden’ Hails Her U.S. Healers: New York: Victims of 1945 atomic bombing received plastic surgery at Mount Sinai Hospital 40 years ago. Los Angeles Times, 7. Mai 1995, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ Hiroshima Maidens. Hibakusha Stories, Youth Arts New York, abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ Nishimoto Masami: Hiroshima Girls, Part 2: Bridging Japan and the United States [4]. Chūgoku Shimbun, 3. Juli 2010, abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ a b Tashiro Akira, Nishimoto Masami: The "Moral Adoption" of Hiroshima’s A-bomb Orphans, Part I [Introduction]. Chūgoku Shimbun, 1. Februar 2009, abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ a b c Yotsumoto Jun: 'Helping hands': The lives of atomic bomb orphans. NHK, 14. Januar 2020, abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ a b Kawasaki Akira vom Friedensboot bekommt den Kiyoshi Tanimoto Friedenspreis. Pressenza, 28. Oktober 2021, abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ a b ヒロシマ・ピース・センターだより 2022年. Hiroshima Peace Center, 2022, abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ Osada Arata: Children of the A-Bomb. Testament of the Boys and Girls of Hiroshima. Uchida Rokakuho, Tokio 1959.
- ↑ Tanaka Michiko: Newly discovered letters, photographs from early days of Hiroshima Peace Center show support for orphans and women. Chūgoku Shimbun, 4. August 2023, abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ Yamamoto Yuji: Akihiro Takahashi receives Kiyoshi Tanimoto Peace Award. Chūgoku Shimbun, 22. November 2008, abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ Akae Yuki: Kiyoshi Tanimoto Peace Award goes to second-generation A-bomb survivor from Nagasaki. Chūgoku Shimbun, 9. Oktober 2009, abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ a b Peace Boat’s Kawasaki Akira awarded the Kiyoshi Tanimoto Peace Prize. Peace Boat, 15. Oktober 2021, abgerufen am 30. August 2025.
- ↑ Lulu Garcia-Navarro: An Atomic Bomb Survivor On Her Journey From Revenge To Peace. NPR, 9. August 2020, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ a b Robert Kowalczyk: A Distant Flickering Light: The Hibakusha Peace Movement. Kyoto Journal, 7. August 2018, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ Reverend Mr. Kiyoshi Tanimoto Character Analysis. SparkNotes, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ a b Roger Angell: From the Archives, "Hersey and History". In: The New Yorker. 31. Juli 1995, S. 66.
- ↑ Erika Hayasaki: Daughters of the Bomb: A Story of Hiroshima, Racism and Human Rights. Narratively, 5. August 2020, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ a b Jaclyn Anglis: How The Disfigured “Hiroshima Maidens” Got A New Lease On Life. All That’s Interesting, 9. Mai 2018, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ Claire Barrett: In 1955 an American TV Show Did the Unthinkable: It Ambushed A Hiroshima Survivor With An Enola Gay Pilot. HistoryNet, 21. Juli 2023, abgerufen am 29. August 2025.
- ↑ Rudolf Stumberger: 80 Jahre nach Hiroshima: Geschichten des Überlebens. nd.Genossenschaft, 4. August 2025, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ a b Gedenken an Norman Cousins, der die Geisteradoptionsbewegung ins Leben rief. Hiroshima Tourism Association, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ Franziska Meinhardt: 80 Jahre Hiroshima: Was man verheimlichen wollte. Abendzeitung München, 3. August 2025, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ Himari Semans: ‘What Divides Us’ producer honors grandfather’s Hiroshima reportage. The Japan Times, 27. November 2024, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ Shimotaka Michio: Film production based on John Hersey’s reportage, “Hiroshima,” to depict friendship with Kiyoshi Tanimoto. Chūgoku Shimbun, 2. August 2024, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ a b Takagi Kana: A-bomb survivor aged 80 moves back to Hiroshima to follow in late pastor dad's footsteps. The Mainichi Newspapers, 18. Februar 2025, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ たにもときよし: 1909.6.27~1986.9.28. Kwansei Gakuin Educational Foundation, 2003, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ Furukawa Yukina: Hibakusha: Late reverend's daughter aspires to spread message of peace in and outside Japan. The Mainichi Newspapers, 7. Januar 2022, abgerufen am 31. August 2025.
- ↑ Koko Kondo. International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN), abgerufen am 31. August 2025.