Kay Zareh

Kay Zareh (* 18. Januar 1943 in Berlin; † 14. Juni 2025 ebenda) war ein deutscher Architekt und Stadtplaner. Er wurde vor allem durch sein Architekturbüro in Berlin bekannt, das er 1972 gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Architektin Ruth Golan, gegründet hatte. Zareh war an zahlreichen Bildungs- und Kulturbauprojekten beteiligt und galt insbesondere als wichtiger Architekt der Berliner Jüdischen Gemeinde. Zu seinen bedeutendsten Arbeiten zählen die behutsame Restaurierung der Synagoge in der Rykestraße in Berlin sowie der Entwurf des 1988 realisierten Spandauer Mahnmals für die Opfer der Shoa.

Biografie

Blick auf das Mahnmal am Lindenufer mit der 2012 ergänzten Namensmauer in Berlin-Spandau
Blick ins Lapidarium am Jüdischen Friedhof in Berlin-Prenzlauer Berg
Hauptschiff der Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg
Blick auf die von Johann Hoeniger errichtete Schule, die von Kay Zareh und Ruth Golan an den modernen Schulbetrieb angepasst wurde

Kay Zareh kam 1943 in Berlin-Spandau als Sohn eines persischen Architekten und einer Deutschen zur Welt und verbrachte seine Kindheit in Berlin, Teheran und Süddeutschland.[1][2] Er studierte von 1964 bis 1969 Architektur an der Technischen Universität Berlin und schloss sein Studium mit dem Diplom ab. Es folgte ein Aufbaustudium im Bereich Stadtplanung von 1971 bis 1973 an der University of Liverpool mit dem Abschluss Master of Civic Design. Zwischen 1973 und 1982 arbeitete er zusätzlich an der TU Berlin zunächst als Assistent am Lehrstuhl für Stadt- und Regionalplanung (1973–1978) und anschließend als Lehrbeauftragter in Darstellender Geometrie (1980–1982). 1972 gründete er in Berlin zusammen mit Ruth Golan, die er in dieser Zeit heiratete, ein eigenes Architekturbüro.[3] Das Büro Golan-Zareh Architekten spezialisierte sich zunächst auf Schul- und Hochschulbauten sowie städtebauliche Planungen. So war Zareh u. a. an der Planung von Mittelstufenzentren in Berlin (in Arbeitsgemeinschaft mit anderen Büros) beteiligt und realisierte ein Berufsschulzentrum in Wilhelmshaven sowie Universitätsbauten in Vechta (Fachbereich Katholische Theologie). Auch ein Institutsgebäude der TU Berlin an der Franklinstraße/Ecke Salzufer wurde von seinem Büro entworfen.

Ab den 1980er Jahren engagierte sich Kay Zareh verstärkt in Projekten für die Jüdische Gemeinde zu Berlin. Gemeinsam mit Ruth Golan entwickelte er 1988 den Siegerentwurf für ein Holocaust-Gedenkmal in Berlin-Spandau. Das Mahnmal, das an die zerstörte Spandauer Synagoge und die deportierten und ermordeten Spandauer Juden erinnert, symbolisiert mit umgestürzten Baukörpern die gewaltsame Zerstörung des Gotteshauses sowie den Kampf des Lichts gegen das Dunkle. Zwanzig Jahre später erhielt das Architekturbüro den Auftrag für eine Ergänzung der Gedenkstätte um eine Namensmauer; diese Erweiterung wurde am 9. November 2012 – wenige Monate nach Ruth Golans Tod – feierlich eingeweiht.

Außerdem war Zareh an der Restaurierung und dem Umbau des Jüdischen Gymnasiums Moses Mendelssohn in der Großen Hamburger Straße beteiligt. Die Schule, 1993 wiedereröffnet, gilt als das erste jüdische Gymnasium in Deutschland nach dem Holocaust und setzt eine Tradition fort, die durch die nationalsozialistische Schließung 1942 jäh unterbrochen wurde. Zarehs und Golans Beitrag umfasste die behutsame Umgestaltung und Modernisierung der historischen Schulräume im Sinne einer integrativen Lernumgebung und baute das Dachgeschoss mit einem Glastunnel modern aus.[4]

Ein besonderes Projekt von Kay Zareh war das Lapidarium auf dem Jüdischen Friedhof Schönhauser Allee in Berlin-Prenzlauer Berg, das er gemeinsam mit Ruth Golan entwarf. Die 2005 eingeweihte Ausstellungshalle dient der musealen Präsentation historischer Grabsteine, die in der NS-Zeit zerstört oder entfernt worden waren. Der eingeschossige, zurückhaltend proportionierte Baukörper mit seiner offenen, lichten Struktur erinnert in seiner Komposition bewusst an den Barcelona-Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe. Der reduzierte, klare Ausdruck und die Betonung der Horizontalen zielen darauf ab, den Steinen Raum zu geben – sowohl im physischen als auch im erinnerungskulturellen Sinne. Die Architektur des Lapidariums ist dabei nicht nur funktional, sondern auch kontemplativ: Sie schafft einen Ort stiller Würdigung und Reflexion.[5][6]

Ein zentrales Projekt in Zarehs Karriere war die Restaurierung der Synagoge Rykestraße im Berliner Prenzlauer Berg. Diese größte Synagoge Deutschlands aus dem Jahr 1906 wurde von 1995 bis 2007 in ihrem ursprünglichen neoromanischen Stil wiederhergestellt. Zunächst folgte eine Dachsanierung zur Herstellung einer dichten baulichen Hülle und als notwendiger Witterungsschtz (1997–1999). Von 1999 bis 2004 folgte die Wiederherstellung der historischen Bleifenster und Türen, die nach dem Krieg teilweise zugemauert wurden. Als letzter Bauabschnitt erfolgte die Restaurierung des Innenraumes, die sich wegen eines Schwammaufkommens verzögerte. Da originale Baupläne fehlten, arbeiteten Zareh und Golan quasi als „Detektive“: Sie untersuchten historische Fotografien und legten behutsam Farbschichten frei, um die ursprüngliche Ausmalung zu rekonstruieren.[7] Mit der feierlichen Wiedereinweihung 2007 erlangte das Projekt internationale Beachtung.[8] Die Maßnahmen des Architektenpaares Golan und Zareh betrafen den Rückbau zur ursprünglichen Räumlichkeit, die Einbrigung der Beleuchtung und restauratorische Belange bei der Generalsanierung. Anhand freigelegter Bemalungsschichten konnte die originale Farbigkeit des Innenraumes rekonstruiert werden.

Kay Zareh und Ruth Golan wurden aufgrund ihrer zahlreichen Gemeindeprojekte als „Haus- und Hofarchitekten“ der Jüdischen Gemeinde bezeichnet.[9] So betreuten sie seit den 1980er Jahren eine Reihe wichtiger Bauvorhaben zur Wiederbelebung jüdischen Lebens in Berlin. Neben Synagogensanierungen gehörten dazu Gemeindezentren, Schulen und Gedenkstätten. Zareh ist bis ins hohe Alter als Architekt tätig geblieben.

Privatleben

Kay Zareh war in erster Ehe mit der in Jerusalem geborenen Ruth Golan verheiratet, bis sie 2012 verstarb; sie hatten einen Sohn. Zareh betrachtete sich zeitlebens als Zaratustrier und pflegte jüdische Feiertage und Traditionen.

Werk (Auswahl)

Einzelnachweise

  1. Schirin Zareh: Sieben Knöpfe – Er-Innerungen. PalmArtPress, Berlin 2024, ISBN 978-3-96258-177-0.
  2. André Görke: Trauer um Kay Zareh: Der Mann, der diesen wichtigen Gedenkort am Berliner Havelufer schuf. In: tagesspiegel.de. 26. Juni 2025, abgerufen am 26. Juni 2025.
  3. Kay Zareh. In: archINFORM. Abgerufen am 23. Juni 2025.
  4. Verlag für Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Identität und Vielfalt: 20 Jahre Jüdisches Gymnasium Moses Mendelssohn Berlin. 2013, ISBN 978-3-942476-71-3.
  5. Jüdischer Friedhof Schönhauser Allee – Lapidarium. In: Gedenktafeln in Berlin. 10. Juni 2005, abgerufen am 23. Juni 2025.
  6. Das Haus der Steine. In: Berlin.de. 1. Dezember 2006, abgerufen am 23. Juni 2025.
  7. Til Biermann: Wiedereröffnung der Synagoge Rykestraße. In: tagesspiegel.de. 7. November 2018, abgerufen am 23. Juni 2025.
  8. Benjamin Weinthal: Germany’s biggest synagogue reopens Friday. In: jpost.com. 3. September 2007, abgerufen am 23. Juni 2025.
  9. Gregor Eisenhauer: Ruth Golan (Geb. 1944). In: tagesspiegel.de. 5. Oktober 2012, abgerufen am 7. Februar 2021.
  10. Stadtplatz Westend. In: TDB Berlin – Technisches Büro für Bauwesen. Abgerufen am 23. Juni 2025.
  11. Andre Görke: Die neue Schule am Bullengraben. In: tagesspiegel.de. 11. Oktober 1999, abgerufen am 23. Juni 2025.
  12. Christine Schmitt: Verkaufen oder sanieren? In: Jüdische Allgemeine. 27. März 2008, abgerufen am 23. Juni 2025.
  13. Christine Schmitt: Nachruf: Haus- und Hofarchitektin der Gemeinde. In: juedische-allgemeine.de. 4. Juni 2012, abgerufen am 7. Februar 2021.
  14. Annette Dorgerloh und Friedhelm Ribbert (Hrsg.): Lapidarium St. Gertraud. 2011, ISBN 978-3-00-035134-1.
  15. Fo-Guang-Shan Tempel Berlin. In: Systea Systems. Abgerufen am 23. Juni 2025.
  16. Fo-Guang-Shan-Tempel Berlin – Asiatische Tradition und Moderne vereint. In: Bau- und Baustoff-Architektur (bba). 30. April 2020, abgerufen am 23. Juni 2025.