Karl Kräutle
Karl Kräutle (* 5. März 1897 in Nasgenstadt bei Ehingen (Donau); † 22. November 1977[1]) war ein deutscher Agrarpolitiker. Er war unter anderem Präsident des Deutschen Landwirtschaftsrates (der Spitzenorganisation der Landwirtschaftskammern), Staatskommissar für die Preußische Hauptlandwirtschaftskammer und Reichshauptabteilungsleiter II im Reichsnährstand sowie deutscher Landwirtschaftsattaché in Bukarest und Madrid. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er SPD-Politiker in Baden-Württemberg.
Lebensweg
Wehrdienst und Studium
Karl Kräutle wurde am 5. März 1897 als Sohn eines Gutsbesitzers in Nasgenstadt an der Donau geboren. Er besuchte zunächst die Volksschule, dann das humanistische Gymnasium in Ehingen an der Donau. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 meldete sich Kräutle mit nur 17 Jahren am 9. September 1914 als Kriegsfreiwilliger beim Württembergischen Pionier-Bataillon 13 und leistete viereinhalb Jahre lang Militärdienst bei der Pioniertruppe an der deutschen Westfront. Er wurde zum Leutnant der Reserve und zum Führer einer Pionier-Kompagnie befördert.[2] Als Kriegsauszeichnungen erhielt er das Eiserne Kreuz zweiter und erster Klasse sowie (am 28. Juni 1917) die Goldene Württembergische Militär-Verdienstmedaille.
Am 16. Januar 1919 erfolgte sein Abschied aus dem Heer, woraufhin er sich einer Einwohnerwehr anschloss. Nun holte er auch sein Abitur nach. Anschließend studierte er Landwirtschaft und Staatswissenschaften, ersteres an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim, zweiteres an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Im Frühling 1922 erlangte er den Abschluss eines Diplom-Landwirts, im Frühling 1923 wurde er zum Doktor der Staatswissenschaften promoviert.[3] Er war Mitglied der Landsmannschaft Württembergia Hohenheim und Landsmannschaft Hannovera auf dem Wels München.[4]
Berufstätigkeit und Drittes Reich
Nach dem Studium war Kräutle zunächst auf Großbauernhöfen in Westfalen und der Uckermark sowie für einen Tierzuchtverband in der (preußischen) Provinz Sachsen tätig. 1924/1925 war Kräutle Landwirtschaftslehrer an der Landwirtschaftsschule in Ulm. Von 1925 bis 1928 war er als landwirtschaftlicher Sachverständiger der Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG (I.G. Farben) in Frankfurt-Höchst, Leipzig, Kassel und Breslau tätig. 1929 bis 1931 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen zur besonderen Verwendung des Landwirtschaftskammer-Direktors in Halle an der Saale. Ab 1931 war Kräutle im Deutschen Landwirtschaftsrat in Berlin tätig.[5]
Kräutle, der damals Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) war, übermittelte dem Reichsbauernführer Walther Darré 1933 interne Informationen zu DNVP-Angelegenheiten. Daraufhin sorgte dieser für seinen politischen Aufstieg: Im Mai 1933 überließ er Kräutle die Leitung des Deutschen Landwirtschaftsrates und der späteren Reichshauptabteilung II im Reichsnährstand. Anfang Juli 1933 wurde Kräutle zum Staatskommissar für die Preußische Hauptlandwirtschaftskammer ernannt.[6] Als Leiter der Reichshauptabteilung II des Reichsnährstandes löste ihn am 15. Februar 1934 Bernd von Kanne ab.[7] Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels berief Kräutle im Oktober 1933 in den Verwaltungsrat des Werberats der deutschen Wirtschaft.
Kräutle war ab Oktober 1933 Mitglied der aktiven SS (SS-Nummer 132.491). Am 20. April 1934 wurde er zum SS-Sturmführer befördert, am 9. November 1934 zum SS-Obersturmführer und am 30. Januar 1939 zum Sturmbannführer.[8] Zudem wurde Kräutle Präsident des (1885 gegründeten) Seefischervereins.[9] Am 15. Juni 1937 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.384.242).[10] Ab 31. Oktober 1937 war er Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt.
In den Jahren 1934/1935 unternahm Karl Kräutle Reisen mit Sonderauftrag in Italien und Ungarn, die er nach dem Zweiten Weltkrieg als „Studienreisen“ bezeichnete.[11]
Karl Kräutle heiratete eine Sekretärin seines Vorgesetzten Walther Darré namens Anna-Elisabeth Skopnik, mit der er drei Kinder hatte.[12]
Ab 1938 war Kräutle per Privatdienstvertrag Landwirtschaftlicher Sachverständiger bei der deutschen Auslandsvertretung in Bukarest mit dem Titel eines Landwirtschafts-Attaché. Als „Sonderbeauftragter des Reichsbauernführers für Südosteuropa“ hatte er regelmäßig Berichte über landwirtschaftspolitische Themen Südosteuropas nach Deutschland zu erstatten.[13]
Offenkundig war Kräutle in Rumänien in den Putsch-Versuch der faschistischen und antisemitischen Eisernen Garde gegen den rumänischen König Carol II. am 3. September 1940 verwickelt: In seinem „Bericht an den Herrn Reichsaußenminister betreffend Beteiligung Reichsdeutscher an dem Umsturzversuch der Legionäre“ vom 26. Februar 1941 nennt der deutsche Gesandte in Rumänien, Manfred von Killinger, folgende Namen:
- Vertreter des SD, SS-Führer v. Bolschwing,
- Kriminalrat SS-Führer Geissler,
- SS-Führer [Hans] Koenen und Waschinowski,
- Landwirtschaftsattaché SS-Führer Kräutle,
- SS-Führer Graf Meran [Legationsrat Dr. Karl Graf von Meran],
- SS-Führer [Gerd] Wenzel von der Wirtschaftsabteilung der Gesandtschaft.[14]
Der rumänischen Ministerpräsident und Generalstabschef des Heeres, Ion Antonescu, verlangte nach Niederschlagung des Aufstands der Eisernen Garde, „im Interesse der inneren Ruhe in meinem Lande wie auch für eine gesunde Verteidigung unserer gemeinsamen Interessen“ elf namentlich genannte Personen aus Rumänien nach Deutschland zu verbringen. Auf dieser Liste Antonescus, die von Killinger am 1. März 1941 übermittelte, stand auch der Landwirtschaftsattaché Karl Kräutle.[15]
Neben oder nach seiner Tätigkeit in Rumänien war Kräutle anscheinend landwirtschaftlicher Sachverständiger an der deutschen Gesandtschaft in Madrid.[16] Von 1943 bis 1945 leistete Kräutle Wehrdienst und geriet in Norwegen in alliierte Kriegsgefangenschaft.[17]
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft 1948 übte er eine freiberufliche, selbständige Tätigkeit aus.[18] Nun wurde er Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).
Nach der Bildung des neuen Südweststaats (des heutigen Bundeslandes Baden-Württemberg) kandidierte er erfolglos bei der Wahl zur (Landes-)Verfassungsgebenden Versammlung am 9. März 1952[19], die zugleich (bis 1956) der erste Landtag von Baden-Württemberg war. Bei der Wahl zum dritten Deutschen Bundestag am 15. September 1957 kandidierte er erfolglos für die SPD im Wahlkreis Biberach.[20]
Veröffentlichungen
- Karl Kräutle, „Die Arbeit der Reichshauptabteilung II für die bodenständige Bauernwirtschaft“, in: Nationalsozialistische Monatshefte. Zentrale politische und kulturelle Zeitschrift der NSDAP / Heft 48, März, 5. Jahrgang 1934, https://www.zvab.com/erstausgabe/Nationalsozialistische-Monatshefte-Zentrale-politische-kulturelle-Zeitschrift/22908836204/bd
- Karl Kräutle / Heinrich Schäfer (Hg.), Die Rumänische Landwirtschaft – deutsch-rumänische Gemeinschaftsarbeit, Reichsnährstandsverlag, Prag 1942, Berichte über Landwirtschaft, Sonderheft; N.F., 154
Fotos
- Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Findbuch M 709, Bildersammlung III, Nr. 862, https://www.leo-bw.de/en_US/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/DOKUMENT/labw_findmittel_06/labw-1-406438/Kr%C3%A4utle+Karl+Dr+Bild+2 (siehe https://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-406438)
- Das Deutsche Führerlexikon 1934–1935, Verlagsanstalt Otto Stollberg, 1934, S. 254, https://archive.org/details/DasDeutscheFhrerlexikon19341935OCR/page/n257/mode/2up
Literatur
- Andreas Dornheim: Beamte, Adjutanten, Funktionäre. Personenlexikon zum Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Reichsnährstand. W. Kohlhammer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-17-040086-3, S. 234–235.
Einzelnachweise
- ↑ Karl Kräutle in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- ↑ Andreas Dornheim: Beamte, Adjutanten, Funktionäre. Personenlexikon zum Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Reichsnährstand. W. Kohlhammer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-17-040086-3, S. 234–235.
- ↑ Andreas Dornheim: Beamte, Adjutanten, Funktionäre. Personenlexikon zum Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Reichsnährstand. W. Kohlhammer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-17-040086-3, S. 235; Das Deutsche Führerlexikon 1934–1935. Verlagsanstalt Otto Stollberg, Berlin 1934, S. 254 (Digitalisat).
- ↑ Berthold Ohm und Alfred Philipp (Hrsg.): Anschriftenverzeichnis der Alten Herren der Deutschen Landsmannschaft. Teil 1. Hamburg 1932, S. 597.
- ↑ Andreas Dornheim: Beamte, Adjutanten, Funktionäre. Personenlexikon zum Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Reichsnährstand. W. Kohlhammer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-17-040086-3, S. 235; Festschrift 100 Jahre SPD-Ortsverein Ehingen (Donau), 1914–2014, S. 254, Auszug aus der Oberschwäbischen Rundschau von 1952 (PDF).
- ↑ Andreas Dornheim: Beamte, Adjutanten, Funktionäre. Personenlexikon zum Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Reichsnährstand. W. Kohlhammer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-17-040086-3, S. 235.
- ↑ Gustavo Corni, Horst Gies: Brot – Butter – Kanonen: Die Ernährungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers. Akademie-Verlag, Berlin 1997, S. 142 (Online-Vorschau).
- ↑ Andreas Dornheim: Beamte, Adjutanten, Funktionäre. Personenlexikon zum Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Reichsnährstand. W. Kohlhammer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-17-040086-3, S. 235. SS-Nummer gemäß SS-Rangdienstalterlisten, https://www.dws-xip.pl/reich/biografie/numery/numer132.html.
- ↑ Gustavo Corni, Horst Gies: Brot – Butter – Kanonen: Die Ernährungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers. Akademie-Verlag, Berlin 1997, S. 142, Fußnote 300 (Online-Vorschau).
- ↑ Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/22720026
- ↑ Andreas Dornheim: Beamte, Adjutanten, Funktionäre. Personenlexikon zum Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Reichsnährstand. W. Kohlhammer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-17-040086-3, S. 235. Darstellung als Studienreisen: Oberschwäbische Rundschau, 1952, zitiert nach: 100 Jahre SPD-Ortsverein Ehingen (Donau) 1914–2014, S. 254 (PDF).
- ↑ Gustavo Corni, Horst Gies: Brot – Butter – Kanonen: Die Ernährungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers. Akademie-Verlag, Berlin 1997, S. 142, Fußnote 300 (Online-Vorschau); Andreas Dornheim: Beamte, Adjutanten, Funktionäre. Personenlexikon zum Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Reichsnährstand. W. Kohlhammer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-17-040086-3, S. 234.
- ↑ Andreas Dornheim: Beamte, Adjutanten, Funktionäre. Personenlexikon zum Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Reichsnährstand. W. Kohlhammer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-17-040086-3, S. 235; Gustavo Corni, Horst Gies: Brot – Butter – Kanonen: Die Ernährungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers. Akademie-Verlag, Berlin 1997, S. 142, Fußnote 300 (Online-Vorschau).
- ↑ Völkisches Handbuch Südosteuropa, S. 22, https://www.geocities.ws/rausschmiss/K.pdf
- ↑ Gerhard Köpernik, Faschisten im KZ: Rumäniens Eiserne Garde und das Dritte Reich, S. 107, auch Fn. 101, https://books.google.de/books?id=7sWWBAAAQBAJ&pg=PA107&lpg=PA107 . S.a.: Völkisches Handbuch Südosteuropa, S. 22, https://www.geocities.ws/rausschmiss/K.pdf
- ↑ Oberschwäbische Rundschau, 1952, zitiert nach: Festschrift 100 Jahre SPD-Ortsverein Ehingen (Donau), 1914–2014, S. 254 (PDF).
- ↑ Oberschwäbische Rundschau, 1952, zitiert nach: Festschrift 100 Jahre SPD-Ortsverein Ehingen (Donau), 1914–2014, S. 254 (PDF).
- ↑ Oberschwäbische Rundschau, 1952, zitiert nach: Festschrift 100 Jahre SPD-Ortsverein Ehingen (Donau), 1914–2014, S. 254 (PDF).
- ↑ Wolfgang Manecke, „50 Jahre Südweststaat – Biberach stimmt mit großer Mehrheit für das neue Bundesland“, in: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach, Gesellschaft für Heimatpflege Biberach, Jahrgang 2, Heft 1, S. 72, https://www.gfh-biberach.de/Hefte/BC-Heimatkundliche-Bl%C3%A4tter-f%C3%BCr-den-Kreis-Biberach/J25H1S72.pdf
- ↑ Festschrift 100 Jahre SPD-Ortsverein Ehingen (Donau), 1914–2014, Zitat aus der Oberschwäbischen Rundschau, 1952 (PDF).