Kan-Quillen-Modellstruktur
Die Kan-Quillen-Modellstruktur ist im mathematischen Teilgebiet der Höheren Kategorientheorie eine spezielle Modellstruktur auf der Kategorie der simplizialen Mengen. Diese besteht aus einer Auswahl von drei Klassen an Morphismen zwischen simplizialen Mengen, genannt Faserungen, Kofaserungen und schwachen Äquivalenzen, sodass die Eigenschaften einer Modellstruktur erfüllt sind. Ihre fasernden Objekte sind Kan-Komplexe und sie modelliert darüber hinaus die Homotopietheorie von CW-Komplexen bis auf schwache Homotopieäquivalenz, wobei die Korrespondenz zwischen simplizialen Mengen, Kan-Komplexen und CW-Komplexen durch die geometrische Realisierung und den singulären Funktor gegeben ist. Benannt ist die Kan-Quillen-Modellstruktur nach Daniel Kan und Daniel Quillen.
Definition
Die Kan-Quillen-Modellstruktur ist gegeben durch:
- Faserungen sind Kan-Faserungen.[1]
- Kofaserungen sind Monomorphismen.[1][2]
- Schwache Äquivalenzen sind schwache Homotopieäquivalenzen,[1] also die Morphismen simplizialer Mengen, deren geometrische Realisierung eine schwache Homotopieäquivalenz zwischen CW-Komplexen ist.
- Triviale Kofaserungen sind die anodynen Erweiterungen.[3]
Die Kategorie der simplizialen Mengen mit der Kan-Quillen-Modellstruktur wird als bezeichnet.
Eigenschaften
- Fasernde Objekte der Kan-Quillen-Modellstruktur, also simpliziale Mengen , für welche der terminale Morphismus eine Faserung ist, sind genau die Kan-Komplexe.[1]
- Kofasernde Objekte der Kan-Quillen-Modellstruktur, also simpliziale Mengen , für welche der initiale Morphismus eine Kofaserung ist, sind alle simplizialen Mengen. (Dadurch vereinfacht sich insbesondere stark das Brownsche Lemma auf der Kan-Quillen-Modellstruktur.)
- Die Kan-Quillen-Modellstruktur ist eigentlich.[1][4] Das bedeutet, dass schwache Homotopieäquivalenzen bei Faserprodukten entlang ihrer Faserungen (also Kan-Faserungen) als auch bei Kofaserprodukten entlang ihrer Kofaserungen (also Monomorphismen) erhalten bleiben. Linkseigentlichkeit folgt direkt daraus, dass jedes Objekt kofasernd ist.[5]
- Die Kan-Quillen-Modellstruktur ist eine Cisinski-Modellstruktur und insbesondere kofasernd erzeugt. Kofaserungen (also Monomorphismen) werden erzeugt von Randinklusionen und triviale Kofaserungen (also anodyne Erweiterungen) werden erzeugt von Horninklusionen (mit und ).
- Schwache Homotopieäquivalenzen sind abgeschlossen unter endlichen Produkten.[6][7]
- Da die Joyal-Modellstruktur ebenfalls Monomorphismen als Kofaserungen hat[8] und jede schwache kategorielle Äquivalenz eine schwache Homotopieäquivalenz ist, erhält die Identität sowohl Kofaserungen als auch triviale Kofaserungen, sodass diese als linksadjungierter Funktor mit der Identität als rechtsadjungiertem Funktor eine Quillen-Adjunktion bildet.
Lokale schwache Homotopieäquivalenz
Für eine simpliziale Menge und einen Morphismus von simplizialen Mengen über (sodass Morphismen und mit existieren), sind die folgenden Bedingungen äquivalent:[9]
- Für jeden -Simplex ist der induzierte Morphismus eine schwache Homotopieäquivalenz.
- Für jeden Morphismus ist der induzierte Morphismus eine schwache Homotopieäquivalenz.
Ein solcher Morphismus wird lokale schwache Homotopieäquivalenz genannt.
- Jede lokale schwache Homotopieäquivalenz ist eine schwache Homotopieäquivalenz.[9]
- Wenn beide Morphismen und jeweils Kan-Faserungen sind und eine schwache Homotopieäquivalenz, dann ist es auch eine lokale schwache Homotopieäquivalenz.[9]
Siehe auch
- Ex∞-Funktor, welcher alle drei Klassen der Kan-Quillen-Modellstruktur erhält
- Ko- und kontravariante Modellstruktur, welcher von der Kan-Quillen-Modellstruktur induziert werden können
Weblinks
- model structure on simplicial sets auf nLab (englisch)
- The Homotopy Theory of Kan Complexes auf Kerodon (englisch)
Literatur
- Daniel Gray Quillen: Homotopical Algebra. Springer Nature, 1967, ISBN 978-3-540-03914-3, doi:10.1007/BFb0097438 (englisch, springer.com).
- André Joyal: The Theory of Quasi-Categories and its Applications. 2008 (englisch).
- Jacob Lurie: Higher Topos Theory (= Annals of Mathematics Studies. Band 170). Princeton University Press, 2009, ISBN 978-0-691-14049-0, doi:10.48550/arXiv.math/0608040, arxiv:math/0608040v1 (englisch, ias.edu [PDF]).
- Denis-Charles Cisinski: Higher Categories and Homotopical Algebra. In: Cambridge Studies in Advanced Mathematics. Band 180. Cambridge University Press, 2019, ISBN 978-1-108-47320-0, doi:10.1017/9781108588737 (englisch, uni-regensburg.de [PDF]).
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e Joyal 2008, Theorem 6.1. auf S. 293
- ↑ Cisinski 2019, Theorem 3.1.8.
- ↑ Cisinski 2019, Theorem 3.1.29.
- ↑ Cisinki 2019, Corollary 3.1.28.
- ↑ Lurie 2009, Higher Topos Theory, Proposition A.2.3.2.
- ↑ Joyal 2008, Proposition 2.28. on p. 239
- ↑ Cisinski 2019, Corollary 3.1.10.
- ↑ Cisinski 2019, Theorem 3.1.8.
- ↑ a b c Cisinski 2019, Lemma 5.3.9.