Körperhalluzination

Bei Körperhalluzinationen handelt es sich um ein psychopathologisches Symptom und zwar um Halluzinationen (Trugwahrnehmungen, Sinnestäuschungen), die den Hautsinn betreffen (auch haptische oder taktile Halluzinationen, Leibhalluzinationen).[1] Eine entsprechende Reizquelle auf der Haut fehlt.[2] Der Patient empfindet die Sensationen als von außen. Das Symptom gehört zu dem medizinischen Fachgebiet der Psychiatrie.

Begriffsabgrenzung (Differentialdiagnose)

Körperhalluzinationen im engeren Sinne müssen von Coenästhesien (Störungen des Leibempfindens, nicht auf den Hautsinn bezogen) unterschieden werden. Sie werden von den Patienten meist besonders bizarr beschrieben. Sie werden oft nicht als von außen gemacht eingeordnet. Das AMDP-System zählt sie jedoch ebenfalls zu Leibhalluzinationen.

Der Dermatozoenwahn ist die Vorstellung, dass sich Lebewesen (meist Würmer, Parasiten, Insekten, Läuse, Flöhe, Milben oder Zecken) auf, in oder unter der Haut befinden und sich bewegen. Betroffene Personen haben die Empfindung, ihre Haut sei von den Lebewesen befallen. Da es sich auch hierbei um eine krankhafte Empfindung der Haut handelt, kann man den Dermatozoenwahn bei taktilen Halluzinosen subsummieren (einordnen) und anders als der traditionelle Begriff vorgibt nicht bei Wahn.

Bei einem hypochondrischen Wahn hat der Patient die Überzeugung, nicht die Empfindung einer Krankheit.[3]

Bei Illusionen werden reelle Empfundungen im krankhaften Sinne verkannt.

Wahnwahrnehmungen sind keine Störung der Wahrnehmung, sondern Denkstörungen. Die Wahrnehmung ist richtig; doch wird ihr in einem eigenen Denkschritt eine ihr nicht zukommende Bedeutung gegeben.[4] Es sind keine Sinnestäuschungen.

Ein Phantomgefühl kann die Symptomatik einer taktilen Halluzination annehmen.

Als Bewegungshalluzinationen werden kinästhetische Halluzinationen bezeichnet. Der Patient hat das Gefühl, der Körper werde von außen bewegt.

Beim Syndrom der unruhigen Beine hat der Patient nicht das Gefühl des von außen Gemacht-Seins.

Klassifikation nach ICD-11
MB27.26 Körperhalluzinationen
ICD-11: EnglischDeutsch (Entwurf)

Beschreibung

Die Empfindungen sind sehr mannigfaltig und meist unangenehm, betreffen oft die Geschlechtsteile.[5] Sie sind kulturabhängig.

Wenn der Patient das Erlebte als nicht wirklich einorden kann (z. B. nach Einsetzen einer Teilbesserung im Rahmen der Behandlung), spricht man von Pseudohalluzination (wahrnehmungsähnliche Erfahrung mit dem Realitätsurteil: nicht wirklich vorhanden).[5]

Halluzinationen unterschiedlicher Art können gleichzeitig auftreten. "Die Täuschungen der verschiedenen Sinne kombinieren sich besonders bei akuten Zuständen leicht miteinander. Die Kranken erleben Szenen, sehen Personen handeln, hören sie reden, spüren ihre Beeinflussung, riechen oder schmecken ihre giftigen oder angenehmen Gaben." (Eugen Bleuler 1975)[6]

Beispiele

„Da habe ich gespürt, wie sich eine kalte, behaarte Hand auf meinen Körper legte. Es war eine ganz raue Hand." „Plötzlich ist mir eiskaltes Wasser über den Rücken gelaufen. Als ich nachgesehen habe, war die Haut aber ganz trocken."[1] „Auch wenn ich alleine bin, spüre ich manchmal einen Druck im Rücken wie vom Lauf einer Maschinenpistole".

Vorkommen

Im Rahmen psychiatrischer Erkrankungen wie Schizophrenie oder wahnhaften Depressionen, oder seltener auch neurologischen Störungen (Parkinson-Krankeit, Delir, Drogenmissbrauch).

Diagnose

Körperhalluzinationen werden bei der psychiatrischen Untersuchung im Gespräch zwischen Arzt und Patient anamnestiziert. Wenn (wie meist) der Patient Halluzinationen nicht spontan berichtet, müssen sie explizit (ausdrücklich) erfragt werden: z. B. „Gehen in Ihrem Körper merkwürdige Dinge vor? (falls ja) Wie merken Sie das?“ „Kennen Sie das Gefühl, plötzlich berührt zu werden?".[7] „Haben Sie Dinge gesehen, gehört, gespürt, die Ihnen irgendwie merkwürdig vorgekommen sind?"

Behandlung

Diese erfolgt im Rahmen der Behandlung der Grundkrankheit. Mit Zunahme des Behandlungserfolges werden die krankhaften Empfindungen seltener, schwächer und treten in den Hintergrund der Wahrnehmung des Patienten bis zum vollständigen Verschwinden. Die Halluzinationen können in Pseudohalluzinationen übergehen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Rolf-Dieter Stieglitz, Achim Haug: Das AMDP-System. 11. Auflage. Hogrefe, Göttingen 2023, ISBN 978-3-8017-3157-1, S. 90.
  2. Uwe Henrik Peters: Lexikon der Psychiatrie. 7. Auflage. Elsevier, München 2017, ISBN 978-3-437-15063-0, S. 354.
  3. Rolf-Dieter Stieglitz, Achim Haug: Das AMDP-System. 11. Auflage. hogrefe, Göttingen 2023, S. 91.
  4. Dieter Ebert: Psychiatrie systematisch. 3. Auflage. uni-med, Bremen 1999, ISBN 3-89599-141-4, S. 40.
  5. a b Christian Scharfetter: Allgemeine Psychopathologie. 8. Auflage. Thieme, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-13-243843-9, S. 185.
  6. Eugen Bleuler: Lehrbuch der Psychiatrie. 13. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg New York 1975, ISBN 3-540-07217-9, S. 412.
  7. Erdmann Fähndrich, Rolf-Dieter Stieglitz: Leitfaden zur Erfassung des psychopathologischen Befundes. 6. Auflage. hogrefe, Göttingen 2023, ISBN 978-3-8017-3114-4, S. 89.