Jonathan Greenblatt

Jonathan Greenblatt (* 21. November 1970 in Trumbull, Connecticut) ist ein US-amerikanischer Unternehmer und politischer Funktionär. Er amtiert seit 2014 als sechster Direktor der NGO Anti-Defamation League (ADL).
Vor seiner Tätigkeit für die ADL war Greenblatt u. a. in der Obama-Administration als Leiter des Office of Social Innovation and Civic Participation tätig. Das Time-Magazin nahm ihn 2025 in seine Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahres auf.
Leben und Tätigkeit
Greenblatt studierte nach dem Schulbesuch an der Tufts University, die er 1992 mit einem Bachelor-Abschluss verließ. Anschließend arbeitete er im Hauptquartier der Präsidentschaftskampagne von Bill Clinton in Little Rock in Arkansas.
1993 erhielt Greenblatt eine Anstellung in der ersten Regierung Clinton: Er wurde als Mitarbeiter im Handelsministerium beschäftigt. Während dieser Zeit befasste er sich damit Strategien für internationale Handelspolitik mit einer Fokussierung auf die sich nach dem Ende des Kalten Krieges neu auftuenden Märkte zu entwickeln. Nach seinem Ausscheiden aus der Clinton-Regierung erwarb er einen Master-Abschluss in Unternehmensverwaltung (business administration) an der Kellogg School of Management der Northwestern University.
2002 gründete Greenblatt mit seinem Studienfreund Peter Thum die Firma Ethos Water. Diese spezialisierte sich darauf, hochwertiges Trinkwasser in Flaschen herzustellen und zu vertreiben, wobei der geschäftliche Teil der Firmentätigkeit um eine soziale Komponente ergänzt werden sollte, indem ein Teil der Firmeneinkünfte eingesetzt werden sollte, um Kindern in Entwicklungsländern Zugang zu Trinkwasser zu verschaffen. Die Firma wurde 2005 von dem Caféunternehmen Starbucks für acht Millionen Dollar erworben. Greenblatt war anschließend mit dem Titel eines Vizepräsidenten in der Abteilung für Global Consumer Products von Starbucks tätig.
Im Herbst des Jahres 2011 wurde Greenblatt zum Special Assistant des damaligen US-Präsidenten Obama (Special Assistant to the President) sowie zum Direktor des Büros für Soziale Innovation und bürgerliche Teilhabe (Office of Social Innovation and Civic Participation, SICP) der US-Regierung ernannt. Er behielt diese Stellung bis 2014 bei.[1] Sein Nachfolger wurde David Wilkinson.
Das Time Magazine nahm ihn in seine Liste der 100 einflussreichsten Personen des Jahres 2025 auf.[2]
Direktor der ADL (2014 bis 2025)
2014 wurde Greenblatt zum Chief Executive Officer der Anti-Defamation League ernannt, einer Organisation die als ihr offizielles Ziel angibt, das politisch-gesellschaftliche Geschehen zu beobachten und die Medien und die Öffentlichkeit auf Angriffe, Marginalisierungen etc. von Minderheiten (defamation), die sich (angeblich) in der Gesellschaft oder in den Medien zutragen, hinzuweisen und die Gesellschaft bzw. die Medien für diese zu sensibilisieren. Insbesondere will sie, ihrem Selbstverständnis zufolge, Erscheinungen wie Bigoterie, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus oder Extremismus anprangern.
Greenblatt ist im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die ADL wiederholt zum Vorwurf gemacht worden, sich fast ausschließlich für tatsächliche oder angebliche defamations zu interessieren, die sich gegen den Staat Israel oder gegen den jüdischen Bevölkerungsteil der Vereinigten Staaten richten, defamations, die sich gegen andere Bevölkerungsgruppen der USA richten, hingegen nur wenig Aufmerksamkeit zu schenken, und sich mithin als ein einseitiger Interessenvertreter des Staates Israel im amerikanischen Polit- und Medienbetrieb zu betätigen:
Als ein Beleg für die Einschätzung, dass Greenblatt, obwohl er amerikanischer Staatsbürger ist, sich in erster Linie mit dem Staat Israel und nur sekundär mit den Vereinigten Staaten identifiziert, wurde von mehreren politischen Kommentatoren eine Äußerung angeführt, die Greenblatt im August 2025 machte: In einem Interview mit dem Jewish Brodacasting Service bezeichnete er die israelische Nationalhymne zunächst als "unsere Nationalhymne" (our national anthem), um sich dann zu korrigieren und "ich sollte nicht sagen, dass ist unsere, es ist ja die israelische Nationalhymne". Kommentatoren wie z. B. Glenn Greenwald werteten diese Äußerung als einen Freud'schen Versprecher Greenblatts, mit dem er seine tatsächlichen Prioritäten und seine tatsächliche Agenda durchblicken habe lassen.[3]
Verschiedentlich ist Greenblatt auch wegen angeblicher Inkonsistenz innerhalb der von ihm propagierten Positionen bzw. der von ihm gemachten Äußerungen mit Kritik bedacht worden: Starken Gegenwind rief beispielsweise Greenblatts Bekundung in einem Interview mit der New York Times hervor, dass die wachsende Zahl von konfessionsübergreifenden Ehen (intermarriage) von amerikanischen Juden mit Angehörigen anderer Bevölkerungsgruppen ihn mit Sorge erfülle, da diese eine verwässernde Wirkung auf die jüdische Identität der aus solchen Beziehungen hervorgehenden Kinder haben und zu einem schwindenden Maß an Solidarität mit dem Staat Israel bei den aus solchen Mischbeziehungen hervorgehenden Nachkommen haben könnte (“So look, the reality is that intermarriage rates continue to go up. Assimilation continues apace. [...] But I worry a great deal about broader questions of Jewish identity”). Ihm wurde vorgehalten, dass eine solche Haltung inkonsistent mit seiner Position als Leiter einer Organisation sei, die Ablehnung von Rassenmischung auf ihrer Website offiziell als einen Indikator von politischer Haßgesinnung klassifiziert. Und von verschiedener Seite wurde ihm sogar Heuchelei vorgeworfen.[4]
Tommy Vietor, ein langjähriger Pressesprecher von Barack Obama und Kollege von Greenblatt in der Obama-Regierung, äußerte im September 2025 in seinem Podcast Pod Save America, nachdem Greenblatt ihn (Vietor) wegen Kritik an Israel einen Antisemiten genannt hatte, dass Greenblatt "ein Lügner" sei, "der ein schrecklichen Job bei der Leitung einer Organisation [der ADL] macht, die einst eine bewundernswerte Organisation in unserem Land war, und der obendrein der Sache, für die er sich nach seinem eigenen Bekunden einsetzt [der Bekämpfung des Antisemitismus], schweren Schaden zufügt." (Greenblatt […] is a liar and is doing a horrible job running an organization that used to be a proud one in our country’s history and is doing lasting damage to the cause he says he cares about.).[5]
Aufsehen erregte auch eine Rede, die Greenblatt in seiner Stellung als ADL-Direktor im Jahr 2022 hielt, in der er Anti-Zionismus und Antisemitismus gleichsetzte. Dies rief nicht nur in verschiedenen Zeitungen sowie von israelkritischen US-Amerikanern jüdischer Abstammung/jüdischen Glaubens Widerspruch hervor, sondern brachte ihm auch organisationsintern Kritik ein. Ein von der Zeitung The Guardian veröffentlichtes internes Memo eines Mitarbeiter des Center on Extremism der ADL rügte Greenblatt beispielsweise, dass es unstatthaft und „intellektuell unehrlich“ sei, Israelkritische Äußerungen mit der rechtsextrem-rassistischen „White supremacy“-Bewegung in einen Topf zu werfen, und dass dies dem Anspruch der Organisation mit Autorität zu Fragen politischen Extremismus zu sprechen schaden würde.[6]
Im Oktober 2023 übte Greenblatt, nachdem mehrere Moderatoren des US-Nachrichtensenders MSNBC das Vorgehen des israelischen Regierung und des israelischen Militärs im Gaza-Streifen infolge der Terrorangriffe vom 7. Oktober 2023 als unverhältnismäßig und in verwerflicher Weise Unschuldige in Mitleidenschaft ziehend kritisierten hatten, Druck auf das Management des Senders aus, Moderatoren, die sich entsprechend geäußert hatten, daran zu hindern, dies weiterhin zu tun. Er nahm dabei den Standpunkt ein, dass eine kritische Positionierung zur israelischen Regierung anti-israelisch sei. Die Sendeleitung setzte daraufhin die „Mehdi Hasan Show“, eine von dem britischen Journalisten Mehdi Hasan, dem prominentesten arabischstämmigen Moderatoren bei MSNBC, moderierte Sendung ab. Moderatoren erhielten eine Anweisung fortan nicht mehr ihre Meinungen zum Thema Israel-Gaza zu artikulieren und keinen Kontext bezüglich der Vorgeschichte der Hamas-Angriffe vom 7. Oktober 2023 vorzutragen (anchors were told by management not to give their opinions or offer context around the Hamas attack or Israel’s subsequent siege of Gaza), sondern sich auf eine bloße Referierung des jüngsten äußeren Ereignisgeschehens des Konfliktes zu beschränken. Hasan verließ den Sender daraufhin aus Ablehnung der Linie des Managements.[7]
Auf die öffentlichen Demonstrationen und sonstige Protestmaßnahmen gegen die Politik der israelischen Regierung im Gaza-Konflikt, die in den ersten Monaten des Jahres 2024 in den USA um sich griffen, reagierte Greenblatt, indem er Organisationen, die sich hieran beteiligten, darunter auch dezidiert amerikanisch-jüdische Organisationen mit israelkritischer Einstellung wie Jewish Voice for Peace oder solche, in denen amerikanische Juden exponierte Stellungen einnehmen, wie Students for Justice in Palestine, als „iranische Handlanger“ („Iranian proxies“) verbal angriff.[8]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Stephanie Butnick: ADL Names Abe Foxman’s Successor. In: Tablet Magazine. 6. November 2014, abgerufen am 7. September 2025 (englisch).
- ↑ Van Jones: Jonathan Greenblatt: The 100 Most Influential People of 2025. In: time.com. 16. April 2025, abgerufen am 18. April 2025 (englisch).
- ↑ "ADL Chief Jonathan Greenblatt Catches Himself Referring to Israel’s Anthem as ‘Our National Anthem’: ‘I Shouldn’t Say Our’", bei Mediaite vom 12. August 2025.
- ↑ "Double Talk Detected: Greenblatt’s ADL Slams Anti-Mixing as Hate While Ignoring His Intermarriage Bias", Artikel des Dallas Express, wiedergegeben bei Yahoo News vom 13. August 2025.
- ↑ Statement Vietors in der Sendung vom 18. September 2025 der Sendung Pod Save America.
- ↑ "Anti-Defamation League staff decry ‘dishonest’ campaign against Israel critics" in Guardian vom 5. Januar 2024.
- ↑ E. Alex Jung: "The ‘Debate Me’ Bro Mehdi Hasan’s aggressive interviewing style landed him a Sunday show on MSNBC. Until he started talking about Palestine.", in New York Magazine vom 23. April 2024.
- ↑ "CAIR Calls On MSNBC to Ban ADL Boss Over ‘Iranian Proxies’ Remark", Daily Beast vom 25. April 2024.