Johannes Stucki

Johannes Stucki (* 2. Dezember 1802 in Ringoldingen bei Erlenbach im Simmental; † 3. Dezember 1864 in Frienisberg) war ein Schweizer Erzieher im Bereich der Taubstummenbildung.

Leben

Familie

Als ältester Sohn des armen Zimmermanns Johannes Stucki und dessen Ehefrau Magdalena (geb. Pieri) wuchs Johannes Stucki in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein von einer gottesfürchtigen Mutter geprägter Charakter und seine Naturverbundenheit formten seine empathische Persönlichkeit und sein Engagement für hilfsbedürftige Kinder.

Er war seit 1826 verheiratet mit Katharina († 1882 in Kirchlindach), die Tochter von Johannes Boss aus Ringoldingen; gemeinsam hatten sie zwei Töchter.

Einer seiner Schwiegersöhne[1] war Dr. med. Friedrich Imobersteg in Kirchlindach, der später die ärztliche Leitung der Privatklinik Wyss übernahm und der auch seinen Nachruf in der Sammlung bernische Biographien verfasste.

Frühe Jahre und Ausbildung

Stuckis Bildung begann unter dem Einfluss seines Pfarrers Samuel Studer (1793–1871)[2], der Sohn des Berner Hochschullehrers Samuel Studer, der ihm die Möglichkeit gab, zur Vorbereitung auf den Primarlehrerberuf einen Normalkurs in Boltigen zu besuchen. Obwohl er im Rahmen seiner weiteren Ausbildung im Geschäftsbüro des Prokurators Ueltschi in Unterseen zunächst eine Laufbahn im Rechtswesen in Betracht zog, führte ihn das Schicksal in die Bildung von taubstummen Kindern.

Im April 1822 wurde er als Gehilfe des Anstaltsvorstehers Johannes Bürki († Dezember 1867) in die von Ludwig Albrecht Otth (1775–1852)[3] neu gegründete Taubstummenanstalt in der Bächtelen bei Wabern berufen.[4] Diese Anstalt war eine der ersten ihrer Art in der Region und bot Gehörlosen eine Ausbildung, die ihnen helfen sollte, sich in der Gesellschaft zu integrieren. Hier begann die Karriere von Stucki als Pädagoge, die von der Herausforderung geprägt war, eine neue und effektive Erziehungsmethode für taubstumme Kinder zu entwickeln.

Die Taubstummenanstalt in Bächtelen und Frienisberg

Stuckis Engagement wurde bald anerkannt, und nach vier Jahren wurde er, nach dem Rücktritt von Bürki, zum Leiter der Anstalt ernannt. 1834 ging die Anstalt (siehe Wohn- und Pflegeheim Frienisberg) in die Verwaltung des bernischen Staates über und wurde in die Gebäude des Klosters Frienisberg verlegt. Stucki und seine Frau Katharina, die ihn in seinem Wirken unterstützte, konnten in den folgenden drei Jahrzehnten rund 400 taubstummen Kindern eine fundierte Ausbildung bieten.

Unter Stuckis Leitung entwickelte sich die Anstalt zu einem Ort des Lernens und der Gemeinschaft, in dem Lehrer, Zöglinge und Mitarbeiter als Familie zusammenarbeiteten. Stucki lebte für seine Schützlinge, half ihnen nicht nur im Unterricht, sondern auch im Alltag und in der Freizeit. Sein unermüdlicher Einsatz, seine Empathie und sein pädagogisches Geschick machten ihn zu einer wichtigen Figur unter seinen Zöglingen und Kollegen.

Pädagogische Ansätze und Herausforderungen

Stuckis pädagogische Philosophie basierte auf einer Kombination aus theoretischem Wissen und praktischer Erfahrung. Er war sich der Notwendigkeit bewusst, verschiedene Methoden zur Erziehung taubstummer Kinder zu erforschen und anzuwenden. Dabei legte er großen Wert auf die Auseinandersetzung mit den deutschen und französischen Erziehungsmethoden. Während anfänglich die französische Methode des Abbé Charles-Michel de l’Epée in Form der Gebärdensprache und schriftliche Mitteilungen bevorzugt wurde, näherte sich Stucki später mehr der deutschen Methode des oralen Ausdrucks von Samuel Heinicke, um eine optimale Förderung seiner Schützlinge zu gewährleisten.

Seine fundierte Kenntnis der Literatur über die Taubstummenbildung und sein Engagement in Fachkonferenzen halfen ihm, die besten Praktiken für seine Anstalt zu entwickeln. Er war ein Vorreiter in der Anwendung neuer Ideen und Techniken, die das Lernen effektiver machten.

Nach 42 Jahren in der Taubstummenanstalt, fühlte Stucki sich im Alter von 60 Jahren körperlich erschöpft und deutete bereits in seinem letzten Jahresbericht seinen Rücktritt an. Er entschied sich am 24. August 1864, von seiner Position zurückzutreten, allerdings wollte die vorgesetzte Behörde noch warten, sodass er, anstatt in den Ruhestand entlassen zu werden, kurz darauf erkrankte und in der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 1864 verstarb.

Mitgliedschaften

Johannes Stucki war Mitglied der Direktion der Viktoria-Anstalt[5]; ihm folgte dahin Johann Anken, Direktor des Blinden-Institutes in Bern.[6]

Schriften (Auswahl)

  • Jahresbericht der Taubstummenanstalt in Frienisberg auf das Frühlingsexamen 1864. In: Berner Schulfreund, Band 4, Heft 15. S. 235–239 (Digitalisat).

Literatur

  • Johannes Stucki. In: Neue Berner Schul-Zeitung, Band 7, Heft 50. 1864. S. 203 (Digitalisat).
  • Johannes Stucki. In: Neue Berner Schul-Zeitung, Band 7, Heft 52. 1864. S. 210–212 (Digitalisat).
  • Johannes Stucki. In: Berner Schulfreund, Band 4, Heft 24. 1864. S. 369–372 (Digitalisat).
  • Johannes Stucki. In: Bendicht Frieden: Das Kloster Frienisberg. 1872. S. 151–159 (Digitalisat).
  • Friedrich Imobersteg: Johannes Stucki. In: Sammlung bernischer Biographien, 1. Band. Bern, 1884. S. 103–108 (Digitalisat).
  • Susanna Tschui: Johannes Stucki. In: Historisches Lexikon der Schweiz.

Einzelnachweise

  1. Fürsorge für Taubstumme und Gehörlose. In: Schweizerische Gehörlosen-Zeitung, Band 28, Heft 9. 1934, abgerufen am 29. August 2025.
  2. Historisches Familienlexikon der Schweiz - Familienübersicht. Abgerufen am 29. August 2025.
  3. Christoph Zürcher: Ludwig Albrecht Otth. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 3. November 2011, abgerufen am 29. August 2025.
  4. Wie die kantonale bernische Knaben-Taubstummenanstalt in Münchenbuchsee entstanden ist. In: Schweizerische Taubstummen-Zeitung, Band 1, Heft 14. 1907, abgerufen am 29. August 2025.
  5. Viktoria-Stiftung – Engagement für junge Menschen seit mehr als 150 Jahren - Viktoria Stiftung. Abgerufen am 29. August 2025.
  6. Bern. In: Der Bund. 22. Dezember 1864, abgerufen am 29. August 2025.