Johann Ulrich Hafner

Johann Ulrich Hafner, Lithografie von 1891

Johann Ulrich Hafner (* 16. Oktober 1827 in Wittenbach; † 1. Oktober 1891 ebenda) war ein Schweizer Ingenieur, Unternehmer und Politiker.

Leben

Familie

Johann Ulrich Hafner war der Sohn des Wirts und Wittenbacher Gemeindeammanns Johann Ulrich Hafner († September 1868).[1]

1849 heiratete er Maria Franziska (geb. Eberle) aus Häggenschwil, eine Nichte des Politikers Johann Matthias Hungerbühler; gemeinsam hatten sie mehrere Kinder.[2]

Er wurde auf dem Friedhof in Wittenbach beigesetzt.[3]

Werdegang

Nach dem Besuch der Katholischen Kantonsschule St. Gallen begann Johann Ulrich Hafner 1845 eine technische Ausbildung im Strassenbauinspektorat in St. Gallen[4] und setzte die Ausbildung in Freiburg sowie an den Polytechniken in Karlsruhe und Wien fort. Nach Beendigung der Ausbildung war er als Ingenieur bei Eisenbahnbauten, der Rheinkorrektion und dem Strassenbau tätig.

Anfang der 1850er Jahre übernahm er das Gasthaus «Krone» in Kronbühl, das bereits nach kurzer Zeit einen guten Umsatz erzielte.

Er engagierte sich für den Aufbau der Stickereiindustrie in Wittenbach und leitete als Geschäftsführer die Stickerei Kronbühl AG in Wittenbach.[5][6][7] 1884 war er an der Gründung des Ostschweizerischen Stickereiverbands[8] beteiligt.

1861 wurde er zum Strassenmeister für den Strassenkreis St. Gallen gewählt[9][10]; er lehnte 1870 eine Wahl zum Strassenmeister ab.[11]

Er wurde 1862 zum Mitglied der Schätzungskommission für die Erhebung der Geldbeiträge aus dem Inundationsgebiet für die Rheinkorrektion gewählt und war von 1864 bis 1865 Kommissionspräsident.[12][13][14]

1873 wurde er Mitglied der eidgenössischen Pferdezuchtkommission[15] und 1875 der Schatzungskommission für die Expropriationen der Gotthardbahn.[16]

Von 1878 bis 1880 war er Mitglied des Verwaltungsrats der Eidgenössischen Bank.

In der Schweizer Armee wurde er zwar 1861 zum Major im Artilleriestab befördert[17], lehnte die Wahl jedoch ab und verblieb im Dienstgrad Hauptmann.[18] 1864 erfolgte dann seine erneute Beförderung zum Major[19] und 1869 zum Oberstleutnant.[20] Obwohl er in vielen Zeitungsartikeln als Oberst bezeichnet wurde, hatte er diesen Dienstgrad nicht erreicht. Er wurde 1864 für die Artillerie zum Kommandanten der Spezialwaffen gewählt[21][22], trat jedoch bereits 1871 wieder zurück.[23]

Politisches und gesellschaftliches Wirken

Johann Ulrich Hafner war liberaler Katholik und ging um 1878 zum Altkatholizismus (siehe Christkatholische Kirche der Schweiz) auf Distanz; vielmehr förderte er den politischen Liberalismus. Nach dem Pontifikatswechsel 1878 war der neue Papst Leo XIII. verhandlungsbereit, und dies ermöglichte, nach den kirchlich tolerierten demokratischen Pfarrwahlen, die Rückkehr der 1874 ausgewiesenen jurassischen Priester auf die früheren Pfarrstellen (siehe auch Kulturkampf in der Schweiz).

Von 1861[24] bis 1873 war er Gemeindeammann sowie von 1861 bis 1891 liberaler St. Galler Grossrat (1870[25] Präsident, 1873[26] Präsident, 1877[27] Präsident, 1879[28] Präsident, 1880[29] Präsident, 1882[30] Vizepräsident, 1883[31] Präsident, 1885[32] Vizepräsident, 1888 Präsident[33] und 1890 Präsident[34], eine Wahl zum Präsidenten lehnte er 1871 ab[35]); in dieser Zeit war er vom 2. Dezember 1872 bis zu seinem Rücktritt am 1. Oktober 1874[36] Nationalrat, obwohl er 1869 erklärt hatte, dass er eine Wahl in den Nationalrat nicht annehmen werde[37]; sein Nachfolger im Nationalrat wurde Thomas Thoma (1822–1895)[38].[39]

Von 1875 bis 1882 und von 1885[40] bis zu seinem Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen 1891[41] war er Bezirksammann in Tablat.[42] 1862 erfolgte seine Wahl zum Bezirksschulrat[43] (Rücktritt 1863).[44] Er wurde 1863 in die besondere Expertenkommission des Grossen Rats gewählt, die sich mit der 1839 gebauten Thermalwasserleitung von Pfäfers nach Ragaz beschäftigte.[45][46] Der Regierungsrat in St. Gallen berief ihn 1865 in die Kommission ein, die über die bestehende Militärorganisation beraten sollte.[47] 1866 war er Mitglied der Kommission zur Beratung der Revision des Brandversicherungsgesetzes für den Grossen Rat[48], und 1868 wurde er in die Kommission des Grossrats, die über eine Verfassungsrevision des Kantons beraten sollte, berufen[49]; im darauffolgenden Jahr trat er von diesem Amt zurück.[50] Der Regierungsrat berief ihn 1869 in die Expertenkommission und später in die Eisenbahnschatzungs-Kommission, die gebildet worden waren, als es um den Anschluss der vorarlbergischen Bahn ging.[51]

1869 war er Mitglied des Gründungskomitees eines freisinnigen Vereins im Kanton St. Gallen; weitere Mitglieder waren unter anderem die Nationalräte Friedrich Bernet und Gallus August Suter, Landammann Gustav Adolf Saxer sowie Oberst Jakob Bruderer.[52] Er war 1885 Mitglied des liberalen Zentralkomitees der liberalen Partei, dem unter anderem auch Regierungsrat Ferdinand Curti (1836–1921)[53], Fürsprech Joseph Marzell Hoffmann, Daniel Wirth-Sand, Regierungsrat Thomas Thoma, Redaktor Hermann Seifert, Kantonsrat Hans Broder (1845–1891)[54], Nationalrat Johann Baptist Gaudy und Regierungsrat Ludwig Arnold Zollikofer (1839–1923)[55] angehörten.[56]

Er wurde 1864 Mitglied der Kommission, die zur Prüfung und Begutachtung des Gesetzesvorschlags betreffend Konzession von Wasserrechten gebildet worden war.[57]

Durch den Bundesrat wurde er 1871 in die Kommission abgeordnet, die sich mit dem Verkauf der Pferde der internierten französischen Soldaten befasste (siehe Schweiz im Deutsch-Französischen Krieg).[58]

1875 bat er um die Entlassung als Mitglied des Grossen Rats, dem wurde jedoch nicht entsprochen.[59][60]

Er war von 1878 bis 1880 im Verwaltungsrat der Eidgenössischen Bank in Bern und von 1889[61] bis 1890 Präsident des St. Galler Verfassungsrats; unter seiner Leitung wurde 1890 die geänderte Verfassung einstimmig angenommen.[62][63]

Aufgrund seines Antrages wurde 1882 die Todesstrafe in St. Gallen wieder eingeführt.[64][65]

1883 war er Mitglied der staatswirtschaftlichen Kommission des Kantons.[66]

Mitgliedschaften

Johann Ulrich Hafner war von 1872 bis 1874 Mitglied des Zentralkomitees des Schweizerischen Schützenvereins (siehe Schweizer Schiesssportverband).

Ehrungen und Auszeichnungen

1846 erhielt Johann Ulrich Hafner vom Gemeinderat der Stadt St. Gallen den Monthyon-Preis zuerkannt, weil er am 24. Februar desselben Jahres eine Frau aus einem brennenden Haus gerettet hatte.[67]

Schriften (Auswahl)

  • Beschaffung & Verwendung ausgezeichneter Zuchthengste: Bericht und Gutachten / zu Handen der eidg. Commission für Hebung der schweizerischen Pferdezucht. Bern 1876.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Bülletin. In: St. Galler Zeitung. 14. September 1868, abgerufen am 9. März 2025.
  2. Todes-Anzeige. In: Der Bund. 3. Oktober 1891, abgerufen am 11. März 2025.
  3. Neueres. In: Die Ostschweiz. 6. Oktober 1891, abgerufen am 11. März 2025.
  4. Artikel zum Turnfest in Chur. In: St. Galler Zeitung. 30. Juli 1845, abgerufen am 8. März 2025.
  5. Handbuch der Actiengesellschaften & Geldinstitute der Schweiz. Orell Füssli & Cie., 1885 (google.de [abgerufen am 11. März 2025]).
  6. Geschichte. Abgerufen am 11. März 2025.
  7. St. Gallen. In: Zürcherische Freitagszeitung. 15. April 1887, abgerufen am 11. März 2025.
  8. Ostschweizerischer Stickereiverband, Band 22, Heft 6. 1894, abgerufen am 11. März 2025.
  9. Tagesneuigkeiten - St. Gallen. In: Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz. 6. Juli 1861, abgerufen am 9. März 2025.
  10. St. Gallen. In: St. Galler Zeitung. 14. Februar 1862, abgerufen am 9. März 2025.
  11. St. Gallen. In: St. Galler Volksblatt. 9. Juli 1870, abgerufen am 10. März 2025.
  12. St. Gallen. In: Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz. 4. Juli 1864, abgerufen am 29. März 2025.
  13. Bülletin. In: St. Galler Zeitung. 8. Juli 1865, abgerufen am 9. März 2025.
  14. Tagesbericht. In: St. Galler Zeitung. 17. Dezember 1862, abgerufen am 9. März 2025.
  15. Eidgenossenschaft. In: Neue Zürcher Zeitung. 6. Mai 1873, abgerufen am 10. März 2025.
  16. Eidgenossenschaft. In: St. Galler Zeitung. 2. Dezember 1875, abgerufen am 10. März 2025.
  17. Eidgenossenschaft. In: Eidgenössische Zeitung. 17. März 1861, abgerufen am 9. März 2025.
  18. St. Gallen. In: St. Galler Zeitung. 21. März 1861, abgerufen am 9. März 2025.
  19. Bülletin. In: St. Galler Zeitung. 19. Juli 1864, abgerufen am 9. März 2025.
  20. St. Gallen. In: Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz. 23. Februar 1869, abgerufen am 9. März 2025.
  21. Tagesbericht. In: Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz. 19. Juli 1864, abgerufen am 29. März 2025.
  22. St. Gallen. In: Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz. 21. Juli 1870, abgerufen am 10. März 2025.
  23. St. Gallen. In: Neue Zürcher Zeitung. 6. Januar 1871, abgerufen am 10. März 2025.
  24. Wittenbach. In: St. Galler Zeitung. 14. Mai 1861, abgerufen am 9. März 2025.
  25. St. Gallen. In: Berner Tagespost. 17. November 1869, abgerufen am 10. März 2025.
  26. Ordentliche Wintersitzung des Gr. Rathes. In: St. Galler Volksblatt. 23. November 1872, abgerufen am 10. März 2025.
  27. Verhandlungen des Großen Rathes. In: St. Galler Zeitung. 21. November 1876, abgerufen am 10. März 2025.
  28. Telegramme. In: Neue Zürcher Zeitung. 4. Juni 1879, abgerufen am 10. März 2025.
  29. Frühjahrssession des Großen Rathes. In: St. Galler Zeitung. 17. Mai 1881, abgerufen am 10. März 2025.
  30. St. Gallen. In: Zuger Volksblatt. 25. November 1882, abgerufen am 10. März 2025.
  31. Telegramme. In: Neue Zürcher Zeitung. 22. Mai 1883, abgerufen am 10. März 2025.
  32. Telegramme. In: Neue Zürcher Zeitung. 19. Mai 1885, abgerufen am 11. März 2025.
  33. St. Gallen. In: Der Bund. 24. Mai 1888, abgerufen am 11. März 2025.
  34. St. Gallen. In: Tagblatt der Stadt Biel. 21. November 1890, abgerufen am 11. März 2025.
  35. St. Gallen. In: Intelligenzblatt für die Stadt Bern. 6. Juni 1872, abgerufen am 10. März 2025.
  36. Eidgenossenschaft. In: St. Galler Zeitung. 15. Oktober 1874, abgerufen am 10. März 2025.
  37. St. Gallen. In: Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz. 28. Oktober 1869, abgerufen am 10. März 2025.
  38. Wolfgang Göldi: Thomas Thoma. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 18. Dezember 2013, abgerufen am 10. März 2025.
  39. Bundesversammlung. In: Berner Tagespost. 7. Dezember 1874, abgerufen am 10. März 2025.
  40. St. Gallen. In: Neue Zürcher Zeitung. 9. September 1885, abgerufen am 11. März 2025.
  41. Wittenbach. In: Die Ostschweiz. 7. August 1891, abgerufen am 11. März 2025.
  42. Neueres: St. Gallen. In: Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz. 16. November 1869, abgerufen am 10. März 2025.
  43. Tagesbericht. In: St. Galler Zeitung. 16. Mai 1862, abgerufen am 9. März 2025.
  44. Bülletin. In: St. Galler Zeitung. 25. Februar 1863, abgerufen am 9. März 2025.
  45. Zeittafel der Bad Ragazer Geschichte (840 - 1900). Abgerufen am 9. März 2025 (Schweizer Hochdeutsch).
  46. St. Gallen. In: Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz. 6. Januar 1863, abgerufen am 9. März 2025.
  47. Ein Stücklein neues Staatsrecht. In: Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz. 31. Januar 1865, abgerufen am 9. März 2025.
  48. St. Gallen. In: St. Galler Zeitung. 20. Juni 1866, abgerufen am 9. März 2025.
  49. Großrathsverhandlungen. In: Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz. 25. März 1868, abgerufen am 9. März 2025.
  50. St. Gallen. In: Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz. 24. März 1869, abgerufen am 9. März 2025.
  51. St. Gallen. In: Neue Zürcher Zeitung. 29. November 1869, abgerufen am 10. März 2025.
  52. St. Gallen. In: Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz. 1. Januar 1869, abgerufen am 9. März 2025.
  53. Alois Stadler: Ferdinand Curti. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 14. Mai 2024, abgerufen am 9. März 2025.
  54. St. Gallen. In: Neue Zürcher Zeitung. 27. September 1891, abgerufen am 10. März 2025.
  55. Rezia Krauer: Ludwig Arnold Zollikofer. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 24. Februar 2014, abgerufen am 9. März 2025.
  56. St. Gallen. In: Neue Zürcher Zeitung. 15. Dezember 1884, abgerufen am 10. März 2025.
  57. Ordentliche Wintersitzung des Großen Rathes. In: St. Galler Zeitung. 23. November 1864, abgerufen am 29. März 2025.
  58. Eidgenossenschaft. In: Neue Zürcher Zeitung. 16. Februar 1871, abgerufen am 10. März 2025.
  59. St. Gallen. In: Der Bund. 7. Oktober 1876, abgerufen am 10. März 2025.
  60. St. Gallen. In: Neue Zürcher Zeitung. 10. Oktober 1876, abgerufen am 10. März 2025.
  61. St. Gallen. In: Der Bund. 9. Oktober 1889, abgerufen am 11. März 2025.
  62. St. Gallen. In: Neue Zürcher Zeitung. 31. August 1890, abgerufen am 11. März 2025.
  63. St. Gallen. In: Bündner Nachrichten. 6. Oktober 1891, abgerufen am 11. März 2025.
  64. St. Gallen. In: Nidwaldner Volksblatt. 2. Dezember 1882, abgerufen am 10. März 2025.
  65. St. Gallen. In: Der Bund. 2. Dezember 1882, abgerufen am 10. März 2025.
  66. Auszüge aus den Berichten der staatswirtschaftlichen Kommission. In: Die Ostschweiz. 13. März 1883, abgerufen am 10. März 2025.
  67. St. Gallen. In: St. Galler Zeitung. 11. März 1846, abgerufen am 9. März 2025.