Johann Carl Wendelin Anreiter von Zirnfeld

Johann Carl Wendelin Anreiter von Zirnfeld (* 1702 in Schemnitz; † 4. Oktober 1747 in Wien-Josefstadt) war ein österreichischer Porzellanmaler.

Zunächst war er in der Manufaktur Du Paquier in Wien tätig, dann seit deren Gründung in der Manufaktur Ginori in Doccia. Aufgrund der hohen malerischen Qualität seiner Werke gilt er als einer der bedeutendsten europäischen Vertreter dieser Kunstgattung in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Carl Anreiter (?), Porzellantablett mit der Figur eines türkischen Adligen. Ginori a Doccia, um 1745. Museum Richard-Ginori in Doccia

Die Anfänge

Johann Carl Wendelin wurde 1702 während eines kurzen Aufenthalts seines Vaters Johann Baptist Anreiter in Schemnitz (dem heutigen Banská Štiavnica in der Slowakei) geboren. Johann Baptist wurde am 24. Juni 1660 in Lengmoos, einem Ortsteil von Ritten bei Bozen, geboren und verstarb dort im Jahr 1706. Seine Mutter war Maria Magdalena Harter, die am 12. Oktober 1754 in Bozen verstarb.

Die Familie stammt ursprünglich aus Brixen. Ihr Stammvater war Mathias Anreiter, der im Jahr 1542 verstarb. Seit 1678 ist sie unter den Adelsfamilien Tirols registriert.[1] Johann Baptist Wendelin, der Neffe des Stammvaters und Vater von Carl, zog von Brixen nach Bozen.

Im Laufe des Jahres 1703 kehrte die Familie Anreiter nach Lengmoos/Ritten zurück und Carl wuchs auf dem familieneigenen Bauernhof Schidmann an der Rotwand auf. Dieser existiert heute nicht mehr, ist aber seit 1406 dokumentiert.[2]

Seine ersten Erfahrungen als Maler sammelte er wahrscheinlich mit Kachelöfen. Dies steht im Zusammenhang mit seiner Lehre in der Werkstatt von Franz Rottensteiner in Bozen zwischen 1716 und 1720[3] sowie möglicherweise mit dem Einfluss des Kachelöfen-Dekorateurs und Malers Christopher Schgachnes.[4]

In der Manufaktur Du Paquier

Der Umzug nach Wien erfolgte zwischen 1720 und 1721. Von diesem Zeitpunkt an arbeitete Anreiter mit Claudius Innocentius du Paquier zusammen, bis er 1737 Wien verließ, um nach Doccia zu gehen. Dort beteiligte er sich von Anfang an aktiv am unternehmerischen Abenteuer des Marchese Carlo Ginori im Bereich der Keramik.

Carl Wendelin arbeitete zunächst als festangestellter Mitarbeiter und gleichzeitig als selbstständiger „Hausmaler“ in der Manufaktur Du Paquier. Dies wird durch einige von ihm verzierte, jedoch nicht von ihm hergestellte Porzellanwaren bestätigt.

Während seines Aufenthalts in Wien wurde Carl für seine Porzellandekorationen geschätzt. Dokumente aus dem Jahr 1724 belegen dies und bescheinigen ihm: „In Europa gibt es nur wenige Arbeiter, die ihm in Kunst und Schönheit gleichkommen“. Am 22. Oktober 1724 heiratete er in Wien Eva Rosina Kolkenberger. Aus dieser Ehe gingen dreizehn Kinder hervor, drei davon während seines Aufenthalts in Doccia.

Die Jahre in der Manufaktur Ginori in Doccia

Carlo Ginori reist nach Wien, um Franz Stephan von Lothringen, dem neuen Großherzog der Toskana nach dem Tod von Gian Gastone de’ Medici, seine Aufwartung zu machen. Bei dieser Gelegenheit lernt er möglicherweise auf Anregung des Barons Charles von Pfutschner Carl Anreiter kennen, bewundert dessen Produktion und überzeugt ihn bei einer weiteren Reise nach Wien, ihm nach Doccia in seine neue Manufaktur zu folgen.[5]

Der Vertrag zwischen Johann Carl Wendelin Anreiter und dem Marquese Carlo Ginori wurde 1737 am „1º novembre in Vienna d'Austria“ geschlossen:[6]

„Seine Exzellenz Graf Carlo Ginori möchte Carlo Wendelin Anreiter von Ziernfeld in die Toskana bringen, um Steingut, Porzellan und andere Gegenstände mit Emaille zu vergolden und zu bemalen und um jedem, der ihm vom oben genannten Grafen Ginori anvertraut wird, alles beizubringen, was er weiß. Dieser verpflichtet sich, ihn, seine Frau und seine Kinder auf eigene Kosten in die Toskana zu bringen und ihm dort jährlich sechshundert Florin zu zahlen, ihm und seiner Familie Quartier zu geben und Ziernfeld allein Essen und Wein zu geben und ihn sechs Jahre lang mit dieser Zuwendung zu versorgen.“

AGL, Fabbrica delle Porcellane di Doccia, Filza N° 39, n2, cc, 1 e 2

Obwohl der Vertrag sehr strenge Klauseln zu enthalten scheint, reiste Carl während seiner Tätigkeit in Doccia zweimal nach Lengmoos und einmal nach Wien. Dies zeigt, wie sehr sich das Klima in der Manufaktur von Doccia von der Abschottung und Geheimhaltung anderer nordeuropäischer Manufakturen unterschied.[5]

Die Zusammenarbeit mit dem Marchese Carlo Ginori war für beide Seiten sehr zufriedenstellend, sodass der ursprüngliche Vertrag um weitere drei Jahre bis 1746 verlängert wurde. Dies wird dadurch bestätigt, dass Carl die Versetzungsangebote nach Neapel ablehnte, die von Carlo III. gestellt worden waren. Dieser wollte ihn in der Manufaktur von Capodimonte haben.[7]

Das Vertrauen, welches Carlo Ginori dem Chefmaler der Manufaktur von Doccia entgegenbrachte, zeigt sich in den Aufträgen, die dieser im Auftrag des Marchese ausführte. Allen voran ist die Reise von 1740 nach Wien zu nennen, bei der er eine Serie seiner bemalten Tassen mitbrachte. Für diese erhielt Ginori den begeisterten Beifall des Porzellanliebhabers Baron Pfutschner, der ein Vertrauter von Franz Stephan war. Diesem zeigte er zwölf besonders gelungene Exemplare, um das von Carlo Ginori so sehr ersehnte großherzogliche Monopol zu fördern.[7]

Rückkehr nach Wien

Im Jahr 1746 verließ Johann Carl Wendelin plötzlich Florenz, um nach Wien zurückzukehren, ohne dass der Grund dafür bekannt ist. Einige Hypothesen führen seinen schlechten Gesundheitszustand als Grund für sein Ausscheiden an.[8] Biancalana hält es für wahrscheinlicher, dass die Nicht-Ernennung zum „Minister“ der Manufaktur – ein angesehenes und einflussreiches Amt – Anreiter dazu veranlasste, Doccia zu verlassen.[7] Nicht zu unterschätzen ist auch die neue Aufgabe von Carlo Ginori als Gouverneur von Livorno. Diese hinderte den Marquese in gewisser Weise daran, die Manufaktur so häufig zu besuchen wie zuvor. Perspektivisch führte dies auch zu einer Verschlechterung der engen Beziehung.[7]

Zur Untermauerung seiner Hypothese fügt Biancalana hinzu, was bereits über die Absichten von Carl Anreiter bekannt war: Kaum in der österreichischen Hauptstadt angekommen, begann er zu arbeiten – wahrscheinlich als Hausmaler – und nutzte seinen neu erworbenen Ruhm, um eine Stelle in der neu gegründeten Manufaktur in Neudeck ob der Au in Bayern zu erhalten, aus der später die Manufaktur in Nymphenburg hervorging. Dabei prahlte er sogar damit, ein Arkanist zu sein. Das weckte das Misstrauen des Barons de Toussaint, der in einem vertraulichen Brief aus Wien den Marquese Ginori fragte, ob dieser Mann wirklich Porzellan herstellen könne.[9]

Anton Anreiter von Ziernfeld, Obstschale verziert mit „natürlich gemalten Pflanzen und Schlangen“. Ginori a Doccia, datiert 1746. Museo Richard-Ginori

Vielleicht wollte er damit nicht nur seine Meisterschaft in der Verzierung von Porzellan unter Beweis stellen, sondern auch sein Wissen über dessen Herstellung, Formgebung und Brennen. Als er Doccia verließ, nahm er nämlich unter anderem drei Kisten mit vermutlich weißem Porzellan mit, die ihm Carlo Ginori geschenkt hatte. Auch sein Sohn Anton, der bereits ein ausgezeichneter Maler in Doccia geworden war, bezieht sich in einem Brief, den er nach dem Tod seines Vaters am 10. Januar 1748 an den Marquese Carlo schickte, auf diese Gegenstände. In dem Brief schreibt er unter anderem, dass viele davon aufgrund der langen und beschwerlichen Reise zerbrochen seien.[10]

„Wir haben uns 25 Tage lang in Bozen aufgehalten, um auf die Pietà und die anderen Sachen zu warten; als sie dann ankamen, waren sie in Stücke zerbrochen, nicht drei oder vier, sondern mehr als hundert [...] Das Porzellan ist alles Ausschussware, insbesondere die Untertassen will niemand haben, und das Wenige, was besser ist, ist im schlechten Zustand.“

AGL, Manifattura di Doccia, Documenti vari, Filza N° 137, II, cc 513 e 514[11]

All dies war vermutlich ein Trick, um den Auftrag zur Gründung der neuen bayerischen Manufaktur zu erhalten. Die Ginori-Produkte waren in Wien weniger bekannt als die von Meissen. Von letzteren waren sowohl die Namen der Arkanisten als auch die der Maler bekannt. Aufgrund des plötzlichen Todes von Carl am 4. Oktober 1747 kam es jedoch nicht dazu. Als Bestätigung dafür liegt uns ein Dokument vor, in dem der Witwe das in Doccia bemalte (oder vielleicht in Wien hergestellte und bemalte) Porzellan von Anreiter bezahlt wird, das er kurz vor seinem Tod nach Bayern geschickt hatte.[10]

Es sind einige Stücke bekannt, die von Carl Wendelin Anreiter sowohl während seiner Wiener Zeit als auch während seiner Zeit in Doccia signiert wurden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Stücke, die ihm zugeschrieben werden oder werden könnten.

Literatur

  • Andreina d'Agliano: Settecento Europeo e Barocco Toscano nelle porcellane di Carlo Ginori a Doccia. Fratelli Palombi Editori, Rom 1996 (italienisch).
  • Andreina d'Agliano: Viele Hände – Die Kunst des Carl Wendelin Anreiter von Ziernfeld und seiner Söhne (Florenz). In: Kraftner J., Lehner Jobst C., d'Agliano A. (Hrsg.): Barocker Luxus: Porzellan. Wien 2005 (Ausstellungskatalog).
  • Alessandro Biancalana: La figura di un secondo Johan Carl Anreiter figlio di Karl Wendelin. In: Ceramica Antica. Nr. 9/1999 (italienisch).
  • Alessandro Biancalana: Johann Karl Wendelin Anreiter von Ziernfeld (1702-1747). In: Der Schlern. Nr. 2/2000.
  • Alessandro Biancalana: Carl Wendelin Anreiter und Giorgio delle Torri. In: Kraftner J., Lehner Jobst C., d'Agliano A. (Hrsg.): Barocker Luxus: Porzellan. Wien 2005 (Ausstellungskatalog).
  • Alessandro Biancalana: I pittori della Manifattura di Doccia dal 1740 al 1784. In: Amici di Doccia. Quaderni. Band I, 2007 (italienisch).
  • Alessandro Biancalana: Porcellane e maioliche a Doccia. La fabbrica dei marchesi Ginori. I primi cento anni. Polistampa, Florenz 2009, ISBN 978-88-596-0630-7 (italienisch).
  • S. Ducret,: Porcellane e Maioliche Tedesche. Silvana Editoriale d'Arte Milano, Freiburg-Mailand 1962, S. 19 (italienisch).

Leonardo Ginori Lisci: La porcellana di Doccia. Electa Editrice, Mailand 1963 (italienisch).

  • F. A. Graf von Brandis,: Dess Tirolischen Adlers immergrünendes Ehren-Kräntzel. Bozen 1678, S. 124 (mit Wappentafel).
  • A. Haidecki: Auszüge aus den Wiener Pfarrmatrikeln. Band VI. Wien 1908, S. 468.
  • F. Hofmann: Notizen zu Anreite. In: Anzeiger des Landesmuseums in Troppau. München 1930.
  • H. Hueber: Die Beisser und die Anreiter, zwei angesehene Brixner Familien. In: Der Schlern. Dezember 1929, S. 486–490.
  • Jobst C. Lehner: Viele Hände – Die Kunst des Carl Wendelin Anreiter von Ziernfeld und seiner Söhne (Wien). In: Kraftner J., Lehner Jobst C., d'Agliano A. (Hrsg.): Barocker Luxus: Porzellan. Wien 2005 (Ausstellungskatalog).
  • Nicolò Rasmo: Il pittore Giancarlo Vendelino Anreiter von Ziernfeld e le sue origini atesine. In: Cultura Atesina - Kultur des Etschlandes. Band XIX, 1965, S. 96 (italienisch, deutsch).

Einzelnachweise

  1. Ihre Bedeutung wird unter anderem durch das Wappen der Familie unter denen der Feudalherren und Ritter der Südtiroler Stadt im Vorraum des Aulischen Rates des Bischofspalastes von Brixen bestätigt.
  2. Josef Tarneller: Die Hofnamen im untern Eisacktal. Das rechte Eisackufer von Velturns bis Wangen. In: Archiv für österreichische Geschichte. Band 110, Nr. 2899, 1924, S. 283.
  3. Zu Gunsten von Rottensteiner sprechen einige Zahlungen „für Unterkunftsleistungen“, die sich auf den Umstand beziehen, dass Carl Wendelin „mehrmals bei ihm gegessen hatte“.
  4. Christopher Schgachnes hat einen Ofen für das Alte Rathaus in Bozen gestaltet.
  5. a b Alessandro Biancalana, S. 121–122.
  6. So lautet die Bezeichnung des Dokuments im Archiv Ginori Lisci. In: Leonardo Ginori Lisci, S. 25.
  7. a b c d Alessandro Biancalana, S. 123.
  8. "Carl Anreiter war schon immer etwas kränklich gewesen, sodass es nach Ablauf seines Vertrags [...] so aussah, als sei seine Lehrtätigkeit beendet, und sein Antrag auf Entlassung wurde ohne Einwände angenommen." In: Leonardo Ginori Lisci, S. 35.
  9. Leonardo Ginori Lisci, S. 35.
  10. a b Alessandro Biancalana, S. 123–124.
  11. Alessandro Biancalana, S. 125.