Jeonse

Jeonse (Koreanisch: 전세; Hanja: 傳貰; koreanische Aussprache: [tɕʌn.sʰe]) ist ein in Südkorea verbreitetes Prinzip für die Miete von Wohnungen und Immobilien, bei dem anstelle regelmäßiger Mietzahlungen eine hohe Kaution hinterlegt wird, deren Anlagegewinne zur Entlohnung der Vermieterseite dienen sollen. Bei Auszug erfolgt die Rückzahlung der meist 50 bis 80 Prozent des Wohnungswerts betragenen Kaution.

Als Bajeonse (반전세; 半傳貰; deutsch: Halb-Jeonse) wird ein Mischsystem aus etwas niedrigerer Kaution und kleinen Monatsmieten bezeichnet.

Hintergrund und Gegenwart

Die Entstehung des Jeonse-Systems hängt eng mit volkswirtschaftlichen Dominanz koreanischer Familienkonzerne (Jaebeol) zusammen. Es wurde lange Zeit als koreanischer Mechanismus für sozialen und finanziellen Aufstieg aufgefasst, der Vermietern Erträge zur Erweiterung ihres Portfolios zusicherte und dabei Mietern – oft durch Schenkungen aus dem Kreise der Familie – die Gelegenheit zum Ansparen eines Vermögens gab. Nichtsdestotrotz können durch Wertschwankungen auf dem Immobilienmarkt als auch das Ausbleiben erhoffter Kapitalerträge Risiken für Mieter als auch Vermieter entstehen. Bei der Pfändung und Steuernachzahlung überschuldeter Vermieter wird südkoreanischen Behörden zudem eine höhere Priorität eingeräumt als den Mietern, sodass diese unter Umständen keine Rückzahlung der Kaution erhalten.

Anfang der 2010er Jahre erfuhr der Anteil per Jeonse vermieteter Immobilien erneut großes Wachstum. Mitte des Jahrzehnts betrug die Summe koreanischer Jeonse-Kautionen 442,5 Milliarden US-Dollar, was einem signifikanten Teil des nationalen Finanzmarktes darstellt.[1] Aufgrund veränderter steuerlicher Anreize in Südkorea übertraf der Anteil ‚klassisch westlicher‘ Mietverhältnisse (Wolse, 월세) dagegen 2022 erstmals den Anteil der Jeonse-Mieten.[2]

Siehe auch

Literatur

  • Sung Un Gang, Martina Löw, Jörg Stollmann: Verstädterung, Wohneigentum und Raumkonstitution. Räumliche Refiguration in Südkorea zwischen Familialismus und queeren Communities. In: Berliner Journal für Soziologie. Band 34, Nr. 4, Dezember 2024, ISSN 0863-1808, S. 647–672, doi:10.1007/s11609-024-00539-y.
  • Andreas Jaklin: Besonderheiten der Gewerbemietverhältnisse in Südkorea im internationalen Vergleich. Universität Regensburg, Regensburg 2011, urn:nbn:de:bvb:355-epub-271818.

Einzelnachweise

  1. Ki-Hyun Ryu, Jin-Ah Kim: Jeonse, will it be extinguished? Differentiation of Korean rental housing market. In: Journal of Housing and the Built Environment. Band 33, Nr. 2, Juni 2018, ISSN 1566-4910, S. 409–427, doi:10.1007/s10901-017-9571-4 (springer.com [abgerufen am 7. März 2025]).
  2. Byun Hye-jin: ‘Jeonse’ no more? More Koreans opt for monthly rentals under debt burden. In: The Korea Herald. 31. Mai 2022, abgerufen am 7. März 2025 (englisch).