Jenny Bossard-Biow

Jenny Bossard-Biow, eigentlich Johanna Louise Agnes Biow (* 30. April 1813 in Breslau; † nach 1853), war eine der ersten Frauen in Deutschland, die Daguerreotypien herstellten.
Johanna Bossard-Biow kam als Tochter des Malers Raphael Biow und seiner Ehefrau Rahel, genannt Resel (Rosalie) Biow,[1] geb. Scholin[2] zur Welt. Sie war die Schwester des Malers und Daguerreotypisten Hermann Biow, der sie ab 1844 anlernte. Während seiner Abwesenheit übernahm sie die Leitung des Ateliers.[3][4] 1836 hatte ihr Vater Raphael Biow einen Gehilfen namens „Heinrich Boshardt“ eingestellt.[5] Nach dem Tode ihres Vaters hatte Heinrich Boshardt[6] das Geschäft übernommen und weitergeführt. Zu dieser Zeit hatten Johanna Biow und Heinrich Boshardt vermutlich geheiratet.
Aus der Ehe mit Bossard stammte der Sohn Raphael Bossard, der später den Namen „Schlegel“ trug und sich 1863 in Elberfeld als Fotograf niederließ.[7] Nach der Trennung der Ehe mit Bossard (1841) war sie in den Jahren 1848 und 1849 zeitweilig als wandernde Daguerreotypistin in Mecklenburg und Schwerin tätig.[8]
Anschließend hielt sich Johanna Bossard-Biow in Hamburg auf und heiratete im Juli 1850 – wenige Monate nach dem Tod ihres Bruders Hermann Biow – den Fotografen Julius Schlegel.[9][10][11] „Carl Julius Schlegel“ war am 16. Juli 1819 in Münsterberg geboren worden. Bis zu seiner Taufe im Mai 1850 war er als Daguerreotypist unter dem Namen „Jacob Schlesinger“ tätig.
Julius und Johanna Schlegel hielten sich Anfang des Jahres 1851 in Mainz auf.[12] Mutmaßlich im Laufe des Sommers haben sich ihre gemeinsamen Wege getrennt. Die letzte Anzeige von „H. Biow's Daguerreotyp-Atelier“ vom 14. Juni 1851 in den Hamburger Nachrichten könnte darauf hinweisen, dass Johanna zurück nach Hamburg gegangen war und im Atelier am Neuer Wall noch wenige Monate tätig war.
„Carl Julius Schlegel uit Hamburg“ hielt sich stattdessen im Oktober 1851 in den Niederlanden, in Den Haag auf.[13] Dort blieb er bis Jahresende. Julius Schlegel eröffnete 1858 in Reichenberg ein fotografisches Atelier und Filialen in Zittau und Böhmisch-Leipa.[14] Auf der 3. Photographischen Ausstellung 1868 in Hamburg erhielt er eine Bronzemedaille.
Für den 20. Januar 1852 war die Liquidation des Nachlasses ihres Bruders Hermann Biow in Dresden geplant, wobei persönliches Erscheinen der Anspruchsteller erforderlich war.[15] Im Frühjahr 1853 war sie in Schlesien tätig. Sie bot im Sommer gemeinsam mit dem Kopisten und Miniaturmaler Carl Axmann[16] ihr „Photographisches Atelier“ in Gleiwitz an.[17]
Weitere Spuren zu Johanna/Jenny Schlegel sind nicht bekannt, auch nicht das Datum ihres Todes. Die Behauptung, sie sei noch 1858 in Hamburg nachweisbar, geht auf ein Zitat von Fritz Kempe zurück.[18]
Der Sohn Raphael hat 1853 als 14-Jähriger in Hamburg daguerreotypiert.[7] 1853 zog der ehemalige Offizier der schleswig-holsteinischen Armee August Mencke in das Atelier und zeigte als Photographisches Institut an.[19]
Literatur
- Rüdiger Articus: Carl Hermann Biow 1803–1850 (Teil 2). In: Photo Antiquaria. Band 135, Juni 2018, ISSN 1862-3379, Eine hilfreiche Schwester und ihre Familie, S. 11–16.
- Wolfgang Baier: Welch herrliches Helldunkel! Die Frühzeit der Photographie in Mecklenburg. Helms Verlag, Schwerin 2006, ISBN 3-935749-64-3, (Erwähnung als Wander-Photograph (WPh) in Schwerin 1849, S. 139)
- Tilo Grabach: Bossard-Biow, Jenny. In: Allgemeines Künstler-Lexikon. Band 13, Saur, München und Leipzig 1996, ISBN 3-598-22753-1 (Band 13), ISBN 3-598-22740-X (Gesamtwerk), S. 200
- Jochen Schmidt-Liebich: Lexikon der Künstlerinnen 1700–1900. Deutschland, Österreich, Schweiz. Saur, München 2005, ISBN 3-598-11694-2, S. 58
- Wilhelm Weimar: Die Daguerreotypie in Hamburg 1839–1860 (1. Beiheft zum Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstalten, XXXII, 1914,) Verlag Otto Meissner, Hamburg, 1915
- Jacob Schlesinger. In: Zygmunt Wielowiejski: Lexikon Görlitzer Fotografen. BoD, 2021, ISBN 978-3-7543-2644-2, S. 118
Weblinks
- Schlegel, Julius. In: www.deutschefotothek.de. Sächsische Landesbibliothek-Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, abgerufen am 18. März 2024.
- Klaus Ungerer: Der Reiz von Ruinen. In: Welt am Sonntag. 9. November 2003
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Aron Heppner: Zur Jahrhundertfeier der Storch-Synagoge am 23. April (20. Nissan) 1929. In: Breslauer Jüdisches Gemeindeblatt. Amtliches Blatt der Synagogengemeinde zu Breslau, Jg. 6 (1929), Nr. 5 (April), S. 59–61 (Web-Ressource).
- ↑ Vgl. die Angaben des bei FamilySearch ausgewerteten Sterbeeintrags ihrer Schwester Bluma Biow (1804–1870), späteren Berta Maria Elisabeth Zimmerlich (Web-Ressource, nach Anmeldung entgeltfrei zugänglich).
- ↑ Wilhelm Weimar: Die Daguerreotypie in Hamburg 1839–1860, S. 21
- ↑ Im Hamburger Adressbuch sind in den Personen- und Straßenverzeichnissen Einträge für „H. Biow, Porträtmaler, Neuer Wall 52“ (bis 1844 Nr. 24) von 1844 bis 1850 einschließlich zu finden.
- ↑ Günther Meinert: Heinrich Boshardt, ein Maler des 19. Jahrhunderts, in: Kunst- und Denkmalpflege in Schlesien. Niederschlesien. Flemmings Verlag, Breslau-Lissa 1939, S. 174–182, Digitalisat
- ↑ Andere Schreibweise: Bossard.
- ↑ a b R. Schlegel (Nekrolog), in Photographische Chronik, 14. Jg., 1907, S. 471. (Dessen Sohn Raphael Arthur Schlegel wurde ebenso Fotograf. Er übernahm 1898 das eingeführte Geschäft von August Adler in Dresden.)
- ↑ Rüdiger Articus: Carl Hermann Biow 1803–1850 (Teil 2). S. 11
- ↑ 23.07.1850 Wandsb., siehe Peter Dörling, Norderstedt / Germany, 2004, Genealogie Stormarn, Namenindex Frauen Buchstabe Bi - Bo, (Digitalisat). Abweichend dazu: „... Frau Bossard, die sich im Jahre 1849 zum zweiten Male mit Julius Schlegel verheiratete, ...“, Wilhelm Weimar: Die Daguerreotypie in Hamburg 1839–1860, S. 22.
- ↑ Heirath–Anzeige. In: Hamburger Nachrichten. 26. Juli 1850, S. [4], Digitalisat
- ↑ In Hamburg lässt sich ein weiterer „Carl Julius Schlegel“ nachweisen, der am 1. Februar 1850 Hamburger Bürger wurde (Hamburger Nachrichten. 4. Februar 1850, S. 2) und ab 1851 im Personenverzeichnis der Hamburger Adressbüchern Einträge als Commis und anschließend als Waaren-Makler (für Coffee etc.) von 1855 bis 1857 hatte.
- ↑ Korrespondenz. In: Didaskalia. 1851, Nr. 24, 28. Januar, S. [4], (Digitalisat)
- ↑ In het Daguerreotype Atelier (Anzeige). In: Dagblad van 's Gravenhage. 13. October 1851, S. 4, (Digitalisat)
- ↑ Amtlicher Catalog der Ausstellung der im Reichsrathe Vertretenen Koenigreiche und Länder Oesterreichs. Gruppe XII, Section V. Photographien, Verlag der General-Direction, Wien 1873, S. 353, (153 Schlegel Julius). Es sind Revers mit Adresse Gotha, Auguststraße 3 und „Hofphotograph seiner Hoheit des Kronprinzen von Sachsen“ bekannt.
- ↑ Edictal-Vorladung. In: Dresdner Anzeiger und Tageblatt. 19. Dezember 1851, S. 1, (Digitalisat)
- ↑ Erwin Hintze: Schlesische Miniaturmaler des neunzehnten Jahrhunderts. In: Jahrbuch des schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer. Band 3, Breslau 1904, S. 148, (Digitalisat)
- ↑ Der Oberschlesische Wanderer. 1853, Jg. 26, No. 27, 5. Juli 1853, S. 2, (Digitalisat)
- ↑ Fritz Kempe: Daguerreotypie in Deutschland. Vom Charme der frühen Fotografie (= Bernd Lohse [Hrsg.]: Neue Fotothek). Heering, Seebruck am Chiemsee 1979, ISBN 3-7763-5190-X, S. 110 (Kempe nutzte den Namen „Boshard“, weil ihm entweder die Heirat mit Schlegel und die damit verbundene Namensänderung nicht bekannt war oder die Datumsangabe 1858 falsch ist. Der 13. April 1858 war kein Sonnabend, aber der 13. April 1850. Kempes Angaben sind nicht überprüfbar, weil er keine Angaben zu seinen Fundstellen machte.): „Biows Nachlaß wurde erst am 4. März 1858, nach dem fast acht Jahre lang niemand mehr Ansprüche gestellt hatte, als „der hiesigen Schwester, Jenny Boshard geb. Biow, jure domini angefallen angesehen“. Ein großes Aufgebot von Amtspersonen, Notaren und Gutachtern hatte sich am Sonnabend, dem 13. April 1858, in der Wohnung versammelt, um ein Verzeichnis des Nachlasses zu fertigen“
- ↑ Wilhelm Weimar: Die Daguerreotypie in Hamburg 1839–1860, S. 44.