J. S. Woodsworth

J. S. Woodsworth

James Shaver Charleston Woodsworth (* 29. Juli 1874 in Etobicoke, Ontario; † 21. März 1942 in Vancouver, British Columbia) war ein kanadischer Politiker, Pfarrer und Pazifist. Von 1932 bis 1942 war er der erste Vorsitzende der politischen Partei Co-operative Commonwealth Federation (CCF). Die CCF ist der Vorgänger der modernen Neuen Demokratische Partei. Von 1921 bis 1942 war er außerdem Abgeordneter des Unterhauses für die Wahlkreise Winnipeg Mitte und später Winnipeg Nord Mitte. Er war ein prominenter Befürworter der Social-Gospel-Bewegung in Kanada.[1]

Leben und Karriere

Woodsworth wurde am 29. Juli 1874 in Etobicoke, Ontario geboren. Sein Vater war methodistischer Pfarrer. Sein Großvater war ein Gegner der Rebellionen von 1837 gewesen. Woodsworth und seine Familie zogen 1882 nach Brandon, Manitoba.[2] Im 1896 wurde Woodsworth Pfarrer. Bevor er die Universität besuchte, arbeitete er zwei Jahre in Manitoba. Er schloss sein Studium an der Victoria University in Toronto und anschließend an der University of Oxford in England ab.[3] Während seines Studiums an der University of Oxford begann der Zweiter Burenkrieg. In der Folge beteiligte er sich an Debatten über den Imperialismus. 1902 kehrte Woodsworth nach Kanada zurück und arbeitete als Pfarrer in Winnipeg. 1904 heiratete er Lucy Staples.[2][4]

In den frühen 1900er Jahren war er an theologischen Debatten innerhalb der Methodistischen Kirche beteiligt.[5] Während dieser Zeit engagierte er sich auch aktivistisch und setzte sich für die Schulpflicht und Maßnahmen zur Reduzierung der Jugendkriminalität ein.[6]

Er veröffentlichte auch zwei Bücher zum Thema Einwanderung.[7][8] 1913 begann er als Sozialpolitikforscher zu arbeiten. Während dieser Zeit reiste er durch Kanada, um die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der Arbeiter zu erforschen. Bis 1914 war er Sozialist geworden und ließ sich von der britischen Labour Party inspirieren.[2]

1916 wurde Woodsworth von der Regierung und der Kirchenführung aufgefordert, die Wehrpflicht für den Ersten Weltkrieg öffentlich zu unterstützen. Er lehnte dies ab und machte seine Einwände gegen die Wehrpflicht öffentlich. Sein Widerstand gegen die Beteiligung der Methodistischen Kirche an der Rekrutierung von Soldaten veranlasste ihn, Pazifist zu werden. Daraufhin wurde er aus seiner Position als Politikforscher entlassen und einer Kirche in der Kleinstadt Gibsons in British Columbia zugeteilt. Im Jahr 1918 trat er aus der Methodistischen Kirche aus und erklärte, dass die Unterstützung des Krieges nicht der Botschaft Christi entspreche.[2][9]

Nach seinem Austritt aus der Kirche blieb er in British Columbia und arbeitete als Hafenarbeiter.[2] Während seiner Tätigkeit als Hafenarbeiter engagierte er sich in der Arbeiterbewegung. Er trat einer Gewerkschaft bei und schrieb Artikel für eine Arbeiterzeitung. Im Jahr 1919 war Woodsworth in Winnipeg, als in der Stadt ein Generalstreik begann. Er engagierte sich für die Unterstützung des Streiks. Nachdem die Kavallerie der Royal Canadian Mounted Police am 21. Juni 1919 zwei streikende Arbeiter getötet hatte, organisierte er Proteste. Kurz darauf wurde er wegen Verleumdung verhaftet, weil er Zeitungsartikel zur Unterstützung des Generalstreiks geschrieben hatte. Er wurde nach fünf Tagen im Gefängnis freigelassen.[2][4][10]

1920 kehrte Woodsworth nach British Columbia zurück, um bei der Provinzwahl in British Columbia 1920 zu kandidieren. Er erhielt 7.444 Stimmen, wurde jedoch nicht gewählt. Bei der Kanadischen Unterhauswahl 1921 wurde Woodsworth als Abgeordneter für den Wahlkreis Winnipeg Mitte ins Unterhaus gewählt. Er wurde bei den Wahlen von 1925, 1926, 1930, 1935 und 1940 wiedergewählt.[4]

Sein erster Vorschlag als Abgeordneter war die Schaffung einer Arbeitslosenversicherung, doch der Vorschlag erhielt nicht genügend Stimmen. Er plädierte auch erfolglos dafür, dass Kanada ein Wahlsystem einführte, das eine übertragbare Einzelstimmgebung enthielt.[2] Er wurde ein führendes Mitglied der sozialistischen Gruppe „Ginger Group“. Er weigerte sich, der Kommunistischen Partei Kanadas beizutreten, als diese 1921 gegründet wurde. Im Jahr 1927 verhandelte er mit der Minderheitsregierung von Premierminister William Lyon Mackenzie King. Diese Verhandlungen schufen Kanadas nationalen Ruhegehaltsystem.[2][11] 1932 nahm er an der Völkerbundversammlung in Genf teil.

1932 wurde die politische Partei Co-operative Commonwealth Federation gegründet. Die Partei entstand durch den Zusammenschluss vieler kleinerer Parteien, darunter Arbeiterparteien, Bauernparteien und sozialistische Gruppen. Woodsworth wurde der erste Vorsitzende des CCF.[12][13] Bei der Kanadischen Unterhauswahl 1935 erhielt die Partei 410.125 Stimmen (9,31 %) und sieben Sitze im Unterhaus.[14]

Im September 1939 stimmte Woodworth als einziger Abgeordneter des Unterhauses gegen die Kriegserklärung Kanadas an Deutschland. Als Grund für seine Ablehnung des Krieges nannte er seine pazifistischen Prinzipien. Die anderen sechs Abgeordneten der Co-operative Commonwealth Federation stimmten für die Kriegserklärung. Infolgedessen verlor er innerhalb der Partei erheblich an Einfluss, blieb jedoch Vorsitzender.[15][16][17]

Bei der Kanadischen Unterhauswahl 1940 erhielt die Partei weniger Stimmen, gewann aber einen Sitz zusätzlich. Ende 1940 erlitt er einen Schlaganfall und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich. Im Oktober 1941 wurde seine Tochter, Grace MacInnis, in die Legislativversammlung von British Columbia gewählt.[18]

Woodsworth starb am 21. März 1942 in Vancouver, British Columbia. Das Woodsworth College der University of Toronto ist nach ihm benannt. Sein ehemaliges Zuhause in Winnipeg ist ein Zentrum für christliche Studien.[19] Im 2004 wählten ihn die Zuschauer der CBC-Fernsehsendung The Greatest Canadian zum 100. bedeutendsten Kanadier.[20]

Einzelnachweise

  1. Kenneth McNaught: James Shaver Woodsworth. The Canadian Encyclopedia, 4. März 2015, abgerufen am 22. August 2025 (kanadisches Englisch).
  2. a b c d e f g h Kenneth McNaught, Allen Mills: A Prophet in Politics: A Biography of J.S. Woodsworth. University of Toronto Press, Toronto 1959, ISBN 978-0-8020-8427-9 (kanadisches Englisch).
  3. Kenneth McKnight: James Shaver Woodsworth. The Canadian Encyclopedia, 4. März 2015, abgerufen am 22. August 2025 (kanadisches Englisch).
  4. a b c Gordon Goldsborough: Memorable Manitobans: James Shaver “J. S.” Woodsworth (1874-1942). Manitoba Historical Society, 1. März 2025, abgerufen am 25. August 2025 (kanadisches Englisch).
  5. Walter D. Young: Democracy and Discontent. Mcgraw-Hill Ryerson Limited, 1978, ISBN 0-07-082671-4 (englisch).
  6. Kenneth McNaught, Allen Mills: A Prophet in Politics: A Biography of J.S. Woodsworth. University of Toronto Press, Toronto 1959, ISBN 978-0-8020-8427-9 (kanadisches Englisch).
  7. J.S. Woodsworth: Strangers Within Our Gates. University of Toronto Press, Toronto 1972, ISBN 978-0-8020-1891-5 (englisch).
  8. J.S. Woodsworth: My Neighbor: A Study of City Conditions, A Plea for Social Service. University of Toronto Press, Toronto 1972 (englisch).
  9. David McConkey: Brandon's Messenger of Peace: J.S. Woodsworth. 9. November 2015, abgerufen am 25. August 2025 (englisch).
  10. Norman Penner: Winnipeg 1919: The Strikers' Own History of the Winnipeg General Strike. James Lorimer and Company, Toronto 1975, ISBN 978-0-88862-085-9 (englisch).
  11. Jane Pulkingham: Human Welfare, Rights, and Social Activism: Rethinking the Legacy of J.S. Woodsworth. University of Toronto Press, Toronto 2016, ISBN 978-0-8020-9699-9 (englisch).
  12. Kenneth McKnight: James Shaver Woodsworth. The Canadian Encyclopedia, 4. März 2015, abgerufen am 22. August 2025 (kanadisches Englisch).
  13. The Greatest Canadian. CBC Television, 2004, archiviert vom Original am 27. November 2004; abgerufen am 22. August 2025 (kanadisches Englisch).
  14. Escott Reid: The Canadian Election of 1935—and After. In: American Political Science Review. Band 30, Nr. 1, 1936, ISSN 0003-0554, S. 111–121, JSTOR:1948012 (englisch, [1]).
  15. Kenneth McKnight: James Shaver Woodsworth. The Canadian Encyclopedia, 4. März 2015, abgerufen am 22. August 2025 (kanadisches Englisch).
  16. House of Commons Debates, 18th Parl, 5th Sess. Nr. 1. Unterhaus, 8. September 1939 (kanadisches Englisch).
  17. Gerald Caplan: Once upon a time, Canadians could be proud of Parliament. Globe and Mail, 4. Mai 2012, abgerufen am 22. August 2025 (kanadisches Englisch).
  18. Winona Grace MacInnis, M.P. Parlamentsbibliothek, abgerufen am 19. August 2025 (kanadisches Englisch).
  19. Woodsworth House. Centre for Christian Studies, abgerufen am 22. August 2025 (englisch).
  20. The Greatest Canadian. CBC Television, 2004, archiviert vom Original am 27. November 2004; abgerufen am 22. August 2025 (kanadisches Englisch).