Intrazytoplasmatische Spermieninjektion


Die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) ist eine Methode der künstlichen Befruchtung, die in Kinderwunschzentren angewendet wird, welche auch In-vitro-Fertilisation anbieten.
Die erste Geburt nach Intrazytoplasmatischer Spermieninjektion fand 1992 am Universitätskrankenhaus Brüssel in Jette statt.[1]
Anwendungsgebiet

Die Methode kann bei allen vollreifen Eizellen angewendet werden. Die auch als „Mikroinjektion“ bezeichneten Behandlung, kommt insbesondere bei sehr eingeschränkter Samenqualität des Mannes zum Einsatz. Der Grenzwert unterhalb von welchem eine einfache IVF-Behandlung nicht mehr erfolgversprechend ist, liegt bei 500.000 bis 600.000 vorwärtsbeweglichen Spermien.[2]
Vorgehensweise und Erfolgsaussichten
Bei der Intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) wird ein einzelnes Spermium mit Hilfe einer sehr feinen hohlen Glasnadel direkt in die Eizelle injiziert, die zuvor dem Eierstock der Frau entnommen wurde. Selbst bei sehr schlechter Spermienqualität und Spermienzahl, sind die Erfolgsaussichten vergleichsweise gut und mit denen einer normalen IVF-Behandlung vergleichbar. Bei mehr als 70 Prozent der Eizellen, in die mittels ICSI ein Spermium eingebracht wurde, kommt es zu einer Befruchtung. Dabei erfolgt die Spermiengewinnung (wenn möglich) durch Masturbation. Sollten gar keine Spermien im Ejakulat vorhanden sein, ist auch die Gewinnung aus dem Nebenhoden oder Hoden möglich, wobei entweder Mikrochirurgische Epididymale Spermienaspiration (MESA) oder Testikuläre Spermienextraktion (TESE) angewendet werden.[2][3]
Inzwischen wird ICSI in Deutschland bei unerfülltem Kinderwunsch häufiger eingesetzt als die herkömmliche In-vitro-Fertilisation (IVF). Im Jahr 2014 kam das Verfahren bei fast 75 % aller künstlichen Befruchtungen zur Anwendung.[3]
Obwohl der Embryonentransfer (in Deutschland) bei rund 93 Prozent der Fälle erfolgreich ist, liegt die Schwangerschaftsrate durchschnittlich bei nur 33 Prozent. Die Geburten- oder so genannte „Baby Take Home Rate“, liegt jedoch bei maximal 23 Prozent (andere Quellen geben sogar nur 15–20 Prozent an[4]). Dabei sinkt sowohl die Chance auf eine Schwangerschaft, als auch die Wahrscheinlichkeit einer Geburt mit steigendem Alter der Frauen und ihrer Partner. Nach vier Behandlungsversuchen sind die Hälfte der Paare Eltern geworden, während die andere Hälfte weiterhin ungewollt kinderlos ist.[5]
Kosten und Kostenübernahme
Die Preise für eine Kinderwunschbehandlung unter Anwendung der ICSI-Methode variieren stark. In Deutschland sind die Kosten im internationalen Vergleich eher hoch. Das Fertilitätszentrum des Universitätsklinikum Frankfurt verlangt pro Versuch etwa 3.700 Euro[6], während an der Universität Mainz mit Kosten zwischen 4.200 und 4.400 Euro zu rechnen ist. Das Angebot wendet sich nicht nur an homosexuelle Paare, Frauenpaare können sich ebenfalls behandeln lassen, müsse die Kosten jedoch (außer in Saarland und Rheinland-Pfalz, wo sich auch alleinstehende Frauen behandeln lassen können[7]) komplett selbst tragen.[8]
Derzeit werden in Deutschland drei ICSI-Versuche zur Hälfte von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst. Dies gilt allerdings (fast überall) nur für verheiratete Paare, die eine Kinderwunschbehandlung ohne Eizell- oder Samenspende durchführen lassen. Darüber hinaus gelten folgende Altersgrenzen: für eine Bezuschussung durch die Krankenkasse müssen beide Ehepartner über 25 Jahre alt sein, wobei die Frau nicht älter als 40 sein darf und der Mann höchstens 50.[9]
In den USA werden die Kosten, die durch ICSI zusätzlich zu einer IVF-Behandlung anfallen, zwischen 800 und 2.200 US-Dollar (etwa 730 bis 2.200 Euro).[10] Jedoch liegen die Kosten einer IVF-Behandlung dort bei über 20.000 US-Dollar pro Behandlungszyklus (ca. 18.000 Euro).[11]
Selbst wenn die Kosten für ICSI noch zusätzlich berechnet werden, ist der finanzielle Aufwand für eine IVF-Behandlung (mit eigenen Eizellen) in Europa, mit Kosten zwischen 1.500 und 7.000 Euro pro Zyklus in Europa deutlich weniger kostenintensiv, als in Nordamerika. Zu den Ländern, die so günstig sind, dass sie auch für Paare aus Deutschland und Frankreich attraktiv sind, zählen Estland, Lettland und die Slowakei.[12]
Diskussion
Laut einer Pressemeldung der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) vom Juli 2008 wird die ICSI in Europa zu häufig angewendet[13]. Bei Paaren ohne stark ausgeprägte männliche Infertilität verspricht die ICSI keine besseren Chancen auf eine Schwangerschaft als die In-vitro-Fertilisation (IVF). In einer großen multizentrischen, randomisierten Studie mit über 2300 Paaren zeigte Wang et al. (2023), dass die Lebendgeburtenrate nach dem ersten Embryotransfer bei ICSI nicht höher war als bei konventioneller IVF (33,8 % vs. 36,6 %; adjustiertes Risikoverhältnis 0,92; p=0,16).[14] Auch Dang et al. (2021) fanden bei Paaren mit nicht-schwerer männlicher Infertilität keinen Vorteil von ICSI gegenüber IVF in Bezug auf die Lebendgeburtenrate.[15] Eine weitere Analyse von Berntsen et al. aus Dänemark ergab, dass die kumulative Lebendgeburtenrate bei IVF sogar leicht höher lag als bei ICSI (47,3 % vs. 43,2 %), ohne statistisch signifikanten Unterschied.[16] Zudem ist die ICSI komplizierter und teurer. In Deutschland müssen die Krankenkassen die Kosten für eine künstliche Befruchtung mittels ICSI nur tragen, wenn bestimmte festgelegte Grenzwerte erfüllt werden.[17] Zusammenfassend deuten aktuelle Evidenz und Fachgesellschaftsempfehlungen darauf hin, dass die ICSI bei Paaren ohne ausgeprägte männliche Infertilität keinen belegbaren Vorteil gegenüber der konventionellen IVF bietet und daher nicht routinemäßig angewendet werden sollte.
Siehe auch
Weblinks
- Erläuterungen zum Ablauf einer ICSI. im Portal familienplanung.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
- Künstliche Befruchtung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Einzelnachweise
- ↑ Thirty years ago, the very first ICSI baby was born in UZ Brussel. Artikel von Helen Critchley vom 31. Januar 2022 in der Zeitung Brussels Morning (englisch)
- ↑ a b Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) Universitätsklinikum Bonn, abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ a b Die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) BZgA, abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Künstliche Befruchtung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Baby Take Home Rate. Abschied vom Kinderwunsch Bayerischer Rundfunk, abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Kosten einer Kinderwunschtherapie Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ gleichgeschlechtliche Partnerschaften und alleinstehende Frauen IVF-Saar, abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Wie viel Geld müssen lesbischen Paare für eine Kinderwunschtherapie aufwenden? Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Künstliche Befruchtung: Wer trägt die Kosten? BZgA, abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ What Does ICSI Cost? fertilityiq.com, abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ IVF - In Vitro Fertilization. Costs of IVF fertilityiq.com, abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ IVF Cost Calculator fertilityclinicsabroad.com, abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ A. Nyboe Andersen, V. Goossens, A.P. Ferraretti, S. Bhattacharya, R. Felberbaum, J. de Mouzon, K.G. Nygren, The European IVF-monitoring (EIM) Consortium, for the European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE): Assisted reproductive technology in Europe, 2004: results generated from European registers by ESHRE. In: Human Reproduction. Band 23, Nr. 4, 31. Januar 2008, ISSN 0268-1161, S. 756–771, doi:10.1093/humrep/den014 (oup.com [abgerufen am 15. September 2025]).
- ↑ Yuanyuan Wang, Rong Li, Rui Yang, Danni Zheng, Lin Zeng, Ying Lian, Yimin Zhu, Junli Zhao, Xiaoyan Liang, Wen Li, Jianqiao Liu, Li Tang, Yunxia Cao, Guimin Hao, Huichun Wang, Hua Zhang, Rui Wang, Ben W Mol, Hefeng Huang, Jie Qiao: Intracytoplasmic sperm injection versus conventional in-vitro fertilisation for couples with infertility with non-severe male factor: a multicentre, open-label, randomised controlled trial. In: The Lancet. Band 403, Nr. 10430, März 2024, S. 924–934, doi:10.1016/S0140-6736(23)02416-9 (elsevier.com [abgerufen am 15. September 2025]).
- ↑ Vinh Q Dang, Lan N Vuong, Tam M Luu, Toan D Pham, Tuong M Ho, Anh N Ha, Binh T Truong, Anh K Phan, Dung P Nguyen, Thanh N Pham, Quan T Pham, Rui Wang, Robert J Norman, Ben W Mol: Intracytoplasmic sperm injection versus conventional in-vitro fertilisation in couples with infertility in whom the male partner has normal total sperm count and motility: an open-label, randomised controlled trial. In: The Lancet. Band 397, Nr. 10284, April 2021, S. 1554–1563, doi:10.1016/S0140-6736(21)00535-3 (elsevier.com [abgerufen am 15. September 2025]).
- ↑ Sine Berntsen, Anne Zedeler, Bugge Nøhr, Morten Rønn Petersen, Marie Louise Grøndahl, Lars Franch Andersen, Kristine Løssl, Ellen Løkkegaard, Anne Lis Englund, Anette Vestergaard Gabrielsen, Lisbeth Prætorius, Ida Behrendt-Møller, Lea Langhoff Thuesen, Kilian Vomstein, Mette Petri Lauritsen, Aleksandra Ivanoska Trajcevski, Dea Frøding Skipper, David Westergaard, Anja Pinborg, Henriette Svarre Nielsen, Nina la Cour Freiesleben: IVF versus ICSI in patients without severe male factor infertility: a randomized clinical trial. In: Nature Medicine. Band 31, Nr. 6, Juni 2025, ISSN 1546-170X, S. 1939–1948, doi:10.1038/s41591-025-03621-x, PMID 40217077, PMC 12176614 (freier Volltext) – (nature.com [abgerufen am 15. September 2025]).
- ↑ Kosten der künstlichen Befruchtung. Rechtslupe, 15. September 2011; abgerufen am 15. September 2011.