Inger-Maria Mahlke

Inger-Maria Mahlke, 2018

Inger-Maria Mahlke (* 1977 in Hamburg) ist eine deutsche Schriftstellerin. Bekannt wurde sie mit den Romanen Silberfischchen (2010), Wie Ihr wollt (2015), Archipel (2018) – ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis – sowie Unsereins (2023). In ihren Werken beleuchtet sie Machtverhältnisse, weibliche Lebensrealitäten und historische Kontinuitäten; Unsereins versteht sie als literarische Antwort auf die Buddenbrooks und deren Antisemitismus.[1][2]

Leben

Mahlke wuchs in Lübeck auf, wo sie das Katharineum zu Lübeck besuchte. Ihre Schulferien verbrachte sie regelmäßig bei Verwandten auf Teneriffa.[3][4][5] Sie studierte Rechtswissenschaft an der FU Berlin, wo sie am Lehrstuhl für Kriminologie arbeitete.

Ihre Mutter stammt von Teneriffa und entkam einem katholisch-patriarchalen Milieu durch Bildung; ohne Studium wurde sie Buchhalterin und ging als Au-pair nach Hamburg, wo sie blieb. Ihr Vater ist Jurist.[1] 2005 war Mahlke Teilnehmerin einer Autorenwerkstatt mit Herta Müller, 2008 an der Autorenwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung und 2009 an der Autorenwerkstatt des Literarischen Colloquiums Berlin. Im selben Jahr gewann sie den 17. Open Mike.[6][7] Am zweiten Teil ihres Debütromans Silberfischchen schrieb sie von Januar bis März 2010 jeweils 16 Stunden täglich.[8] Für den Roman um einen verbitterten pensionierten Polizisten, der überraschend eine polnische Putzfrau bei sich aufnimmt, gewann sie 2010 den erstmals vergebenen und mit 5000 Euro dotierten Klaus-Michael Kühne-Preis des Harbour Front Literaturfestivals in Hamburg.[9][10]

Auf Vorschlag von Burkhard Spinnen[11] nahm Mahlke am Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis 2012 teil und erhielt den Ernst-Willner-Preis. 2014 bekam sie ein Arbeitsstipendium der Kulturverwaltung des Berliner Senats[12] sowie den Karl-Arnold-Preis der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.[13] 2015 erschien ihr Roman Wie Ihr wollt, mit dem sie auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand.[14] 2017 war sie für sieben Monate Magdeburger Stadtschreiberin.

Mahlke während eines Interviews auf der Frankfurter Buchmesse 2018

2018 wurde ihr Roman Archipel mit dem Deutschen Buchpreis als Roman des Jahres ausgezeichnet.[15] Der Roman erzählt chronologisch rückwärts über fünf Generationen hinweg die Geschichte mehrerer Familien auf Teneriffa von 1919 bis 2015.[16] Mahlke ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und Mitgründerin des PEN Berlin.[17]

Seit den 2020er-Jahren lebt Mahlke wieder in Lübeck; die Rückkehr aus Berlin stand auch im Zeichen der Pflege ihrer Eltern.[1]

Werk und Poetik

Mahlke bezeichnet sich ausdrücklich als Feministin und fokussiert in ihren Romanen auf gesellschaftliche Regeln, Hierarchien und deren historische Bedingtheit.[1] In Wie Ihr wollt (2015) rückt sie mit der kleinwüchsigen Mary Grey eine randständige Hofdame der Tudorzeit ins Zentrum und erzählt von deren Widerstand gegen soziale Ausschlüsse.[1] Archipel (2018) schildert anhand eines kanarischen Familienepos’ die letzten 100 Jahre Teneriffas, einschließlich der Nachwirkungen des Spanischen Bürgerkriegs; das im Roman auftauchende „Asilo“ nimmt Bezug auf das Altersheim ihrer Großmutter, deren letzte Lebensjahre Mahlke begleitete.[1]

Unsereins (2023) spielt Ende des 19. Jahrhunderts in Lübeck und beleuchtet die Lebenslagen von Dienstbotinnen und bürgerlichen Frauen. Mahlke thematisiert strukturelle Übergriffe im Haushalt – ein Befund, der durch MeToo nur sichtbarer geworden sei – und verweist auf die damals fehlende gesellschaftliche Aufmerksamkeit dafür.[1] Zugleich versteht sie den Roman als Gegenlektüre zu Thomas Manns Buddenbrooks: Ausgangspunkt war der Nachlass der Lübecker Kaufmannsfamilie Fehling, die als Vorbild der Familie Hagenström gilt. Deren antisemitische Zuschreibungen in Buddenbrooks hätten die Fehlings als fortwirkende Stigmatisierung erlebt; dem hält Unsereins eine alternative Erzählung entgegen.[1]

Auszeichnungen (Auswahl)

Veröffentlichungen

  • Burbank 1.0. In: BELLA triste. Nummer 19, Hildesheim 2007, ISSN 1618-1727.
  • Beschwerdemanagement der Polizei: Eine empirische und rechtliche Analyse am Beispiel der Berliner Polizei. Verlag für Polizeiwissenschaft, Berlin 2008, ISBN 978-3-86676-052-3.
  • Silberfischchen. Roman. Aufbau Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-351-03309-5.
  • Rechnung offen. Roman. Berlin Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-8270-1130-5.
  • Wie Ihr wollt. Roman. Berlin Verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-8270-1213-5.
  • Rettet die Bäume. In: Matthias Jügler (Hrsg.): Wie wir leben wollen – Texte für Solidarität und Freiheit. Suhrkamp, 2016, ISBN 978-3-518-46710-7.
  • Archipel. Roman. Rowohlt, Reinbek 2018, ISBN 978-3-498-04224-0.
  • Unsereins. Roman. Rowohlt, Hamburg 2023, ISBN 978-3-498-00181-0.[1]

Literatur

Commons: Inger-Maria Mahlke – Sammlung von Bildern
Rezensionen

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i Petra Schellen: Schriftstellerin Inger-Maria Mahlke – Schreiben als Widerspruch. In: taz. 2. September 2025, abgerufen am 2. September 2025.
  2. Roman des Jahres 2018: Archipel, abgerufen am 2. Oktober 2021.
  3. ‚Archipel‘: Inger-Maria Mahlke bekommt Deutschen Buchpreis. In: Die Zeit. 8. Oktober 2018. Abgerufen am 9. Oktober 2018.
  4. Deutscher Buchpreis für Inger-Maria Mahlke ‚Archipel‘ ist bester Roman des Jahres 2018. In: 3sat. Abgerufen am 9. Oktober 2018.
  5. Teneriffa-Roman: Von der Urlaubsinsel zurück zum spanischen Bürgerkrieg. MDR Kultur. Abgerufen am 9. Oktober 2018.
  6. Haus für Poesie :: Die Gewinner. Abgerufen am 17. November 2023.
  7. FAZ. 17. November 2009, S. 26.
  8. Ein Gewaltakt in: Kulturspiegel. 26. Juli 2010.
  9. Klaus-Michael-Kühne-Preis für Inger-Maria Mahlke. In: Boersenblatt.net. 20. September 2010, abgerufen am 21. Mai 2017.
  10. Ausgezeichnete Silberfischchen in: Hamburger Abendblatt vom 17. September 2010.
  11. Tage der deutschsprachigen Literatur 2014: Inger-Maria Mahlke, Berlin (D). Bachmann-Preis. ORF Kärnten, abgerufen am 21. Mai 2017.
  12. Arbeitsstipendien für Schriftstellerinnen und Schriftsteller 2014 vergeben. Berlin.de, 16. April 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Mai 2014; abgerufen am 26. April 2014.
  13. Verleihung des Karl Arnold-Preises 2014 an die Schriftstellerin Inger-Maria Mahlke (Memento vom 22. Mai 2014 im Internet Archive)
  14. dbp 2015 – Preisträger, Shortlist, Longlist und die Jury des Deutschen Buchpreises von 2015. Abgerufen am 18. Oktober 2018.
  15. Roman des Jahres 2018: Archipel, abgerufen am 2. Oktober 2021.
  16. Rezensionsnotizen zu Archipel bei Perlentaucher
  17. Mitgründer:innen. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Juli 2022; abgerufen am 11. Juli 2022.
  18. Haus für Poesie :: Die Gewinner. Abgerufen am 17. November 2023.
  19. Klaus-Michael-Kühne-Preis für Inger-Maria Mahlke. In: Boersenblatt.net. 20. September 2010, abgerufen am 21. Mai 2017.
  20. Tage der deutschsprachigen Literatur 2014: Inger-Maria Mahlke, Berlin (D). Bachmann-Preis. ORF Kärnten, abgerufen am 21. Mai 2017.
  21. Verleihung des Karl Arnold-Preises 2014 an die Schriftstellerin Inger-Maria Mahlke (Memento vom 22. Mai 2014 im Internet Archive)
  22. dbp 2015 – Preisträger, Shortlist, Longlist und die Jury des Deutschen Buchpreises von 2015. Abgerufen am 18. Oktober 2018.
  23. Roman des Jahres 2018: Archipel, abgerufen am 2. Oktober 2021.