Incroyables et merveilleuses
Bei den Incroyables und Merveilleuses (den Unglaublichen und den Wunderbaren) handelte es sich um Pariser Bürger, die sich während einer kurzen Phase der Französischen Revolution extrem auffällig kleideten. Sie waren teilweise mit der Jeunesse dorée identisch.
1789 begann die Französische Revolution, 1794 endete die Herrschaft von Maximilien de Robespierre. Es schloss sich die Zeit des Directoire (1795–1799) an. Die Bürger Frankreichs hatten jetzt wieder größere Freiheiten. Diese wurden von einer Klasse von Neureichen genutzt, um durch auffällige Kleidung in Erscheinung zu treten. Sie übertrieben ihre Mode, selbst ihre Aussprache so sehr, dass ganz Paris über sie lachte und sie mit satirischen Schriften, Liedern und Karikaturen verspottete. Da bisher blonde Perücken verboten gewesen waren, trugen sie diese als Ausdruck ihrer Antihaltung. Sie nannten sich Incroyables et les Merveilleuses.[1]
Die Mode
Man nannte die Herren „Les Incroyables“, die Unglaublichen. Sie karikierten das Ideal der bürgerlichen Kleidung, indem sie enge Hosen, die bis zur Brust reichten, und hohe Husarenstiefel trugen. Ihr Frack hatte einen hohen Kragen, ein extrem kurzes Oberteil und lange Schöße. Darunter wurden mehrere Westen verschiedener Art und Farben getragen. Besonders auffällig war eine übergroße Halsbinde, die oft das ganze Kinn bedeckte. Die Haare trug der Incroyable „en oreilles de chien“, wie zottelige Hundehaare. Einige trugen große Monokel oder Brillen, lispelten und nahmen eine bucklige Haltung an. Der Knotenstock, ein gedrehter Rebstock, gehörte mit zur Ausstattung.[2]
Die Damen dieses Modetrends, „Les Merveilleuses“ (die Wunderbaren) erregten durch Freizügigkeit, Übertreibung der Hüte und Frisuren Aufmerksamkeit. Ein Gürtel betonte die hohe Taille der sehr luftigen Kleider, die Haare waren kurz, mit Vorliebe verwendete man blonde Perücken.[3]
Beide setzten sich bewusst von der üblichen Revolutions- und Empiremode ab. Sie kultivierten auch eine eigenwillige Sprache. Diese lehnte sich an den Dialekt von Roussillon an, der die Konsonanten ‚r‘, ‚d‘ und ‚l‘ ausließ, sodass sie sich Inc’oyables und Me’veilleuses nannten.
Quellen
Wann Bürger von Paris erstmals diese groteske Kleidung trugen und wann diese außer Mode kamen, ist nicht dokumentarisch belegt; vermutlich ab 1795.
Antoine Charles Horace Vernet, 1758–1836, ein französischer Maler, stellte hauptsächlich die Schlachten Napoleons dar. Er zeichnete aber auch zeitgenössische Sittenbilder. Der 1797 entstandene Stich, als Malvorlage auf Frankenthaler Porzellan gemalt, zeigt die demonstrativen Stutzer aus der Periode des Directoire. Die modische Eskapade aus Frankreich wurde auch auf Porzellanen einer namhaften Porzellanmanufaktur des 18. Jahrhunderts gemalt. Ob die Teile ausschließlich für den französischen Markt vorgesehen waren, lässt sich nicht klären. Da Porzellangeschirr zu dieser Zeit eher von der wohlhabenden Bevölkerung gekauft wurde, muss man annehmen, dass diese Bekleidung von einer Gesellschaftsschicht getragen wurde, die sich die Mode finanziell leisten konnte. Die ärmere Bevölkerung, die noch unter den Auswirkungen der Französischen Revolution litt, hatte zu modischen Eskapaden sicherlich keinen Zugang.[4]
Vertreter
- Pierre-Jean Garat (1762–1823), französischer Bariton
Literatur
- Annemarie Kleinert: Die frühen Modejournale in Frankreich. E. Schmidt, Berlin 1980, ISBN 3-503-01614-7
- Claus Reimann: Les Incroyables et les Merveilleuses. In: Keramos. Zeitschrift der Gesellschaft der Keramikfreunde e. V. Düsseldorf, Heft 217, Juli 2012, ISSN 0453-7580, Heftinhaltsverzeichnis und erste Seite des Artikels (PDF)
- Rolf Reichardt (Hrsg.): Handbuch politisch sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680–1820. H. 16/18: Femme. Oldenbourg, München 1996, ISBN 3-486-56130-8
- Gudrun Gersmann, Hubertus Kohle: Das Directoire in Geschichte und Kunstwissenschaft. Literaturbericht. In: Das achtzehnte Jahrhundert. Mitteilungen der deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts, 16 (1992), S. 61–70, ub.uni-heidelberg.de (PDF; 1,4 MB)
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ A. Kleinert: Die frühen Modejournale in Frankreich, Berlin 1980, S. 124
- ↑ Incroyable. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 8, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 911.
- ↑ Merveilleuse, la. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 11, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 503.
- ↑ C. Reimann. In: Keramos Heft 217, Juli 2012, S. 217 ff.