Hutzaltar

Der Hutzaltar ist ein Altaraufsatz (Retabel), der 1521 von Martin Schaffner (Frontbilder) in Zusammenarbeit mit dem Ulmer Bildhauer Nicklaus Weckmann (Figuren) geschaffen wurde. Der Altar wurde als Flügelaltar ausgeführt und gilt als Schaffners Hauptwerk. Der sogenannte „Sippenaltar“ zeigt als Familienverband die Verwandtschaft Jesu. Er steht im Chorraum des Ulmer Münsters.
Beschreibung
Der Hutzaltar ist in Nadelholz gefertigt und als Flügelaltar ausgeführt. Der zentrale Schrein ist mit Maßwerk verziert. Die Außenflügel sind bis 158 cm hoch und 76,5 cm breit. Sie sind mit Öl- und Temperafarben bemalt. Die Predella hat eine Höhe von 74,5 cm und eine Breite von 183 cm.[1] Der Altar ist ein Sippenaltar, der die Großfamilie Marias zum Thema hat. Hierbei bilden die Figuren im Schrein sowie auf den Flügeln eine Einheit, worin ein charakteristisches Merkmal der Ulmer Schule sichtbar ist.[2] Der Schrein mit seinen Figuren und Goldtönen ist noch der Spätgotik verhaftet, während die Malereien der Flügel schon zur Renaissance gehören.[3]
Schreinfiguren
In der Schreinbühne sind Figuren der engeren Mitglieder der Heiligen Familie zu sehen, die von Nicklaus Weckmann geschaffen wurden. Links sitzt die Gottesmutter mit dem Jesuskind auf dem Schoß. Ihr zugewandt sitzt rechts die heilige Anna, Marias Mutter, die das Kind mit den Fingerspitzen berührt. Annas drei Ehemänner, Joachim, Cleophas und Salomas, stehen zusammen mit Marias Ehemann, dem heiligen Josef von Nazaret, in zweiter Reihe.[4] Die sechs Figuren sind in zwei Dreiergruppen geteilt, zwischen denen eine Heiliggeisttaube schwebt. Hinter Maria stehen einerseits schützend ihr Vater Joachim und andererseits betend ihr Mann Josef. Hinter Anna stehen deren zwei spätere Ehemänner. Die Gruppen können als Symbol für den Neuen und den Alten Bund Gottes angesehen werden.[4][2] Die einzelnen Familienmitglieder agieren und gestikulieren fürsorglich auf engstem Raum. Meister Weckmann ließ in die Figuren sein ganzes Vokabular traditioneller Komposition und Detailfreudigkeit einfließen.[4]
Gemälde
Die zwei Flügel des einfach wandelbaren Retabels zeigen vor einem Architekturprospekt die Stiefschwestern Marias mit ihren Gatten und Kindern. „Die Figuren agieren in einer palastartigen Säulenhalle mit Ausblick in eine arkadische Landschaft“.[4][1] Diese Tafelbilder des Choraltars gelten als eines der Hauptwerke Martin Schaffners, eines der Meister der spätgotischen Ulmer Malerei. Mit diesen Bildern gewinnt die Kunst der Perspektive in Schaffers Werk zunehmend an Bedeutung. Ebenso wird hier in der Darstellung der Figuren die detaillierte Wiedergabe von Einzelaspekten weiterentwickelt. Dies betrifft sowohl die Physiognomien und Gebärden der Personen als auch den vielfältigen Faltenwurf ihrer stoffreichen Gewänder.[1][5] Andere Autoren meinen, dass schon hier Schaffners Renaissancebestrebungen einen Höhepunkt erreichen.[6]
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Wie in den meisten Ulmer Altären wird in dem Bild der Predella von Schaffner die bekannte Szene aus dem Abendmahl aufgegriffen, in der Jesus umgeben von seinen zwölf Jüngern an einem langen Tisch sitzt. Schaffners Darstellung der Szene ist an das bekannte Fresko von Leonardo da Vincis in der Mailänder Kirche Santa Maria delle Grazie angelehnt.[4] Schaffner kannte das Fresko von Stichen und schuf als erster Maler davon ein weitgehend exaktes Abbild in einer Kirche nördlich der Alpen. Das Bild unterscheidet sich jedoch vom Original in zwei Punkten. Zum einen ruht der Lieblingsjünger Johannes gemäß der christlich-alemannischen Tradition der Christus-Johannes-Darstellung an der Brust seines Herrn. Zum anderen hat sich Schaffner in dem dritten Jünger von links selbst porträtiert.[4]
Auf der Rückseite des Schreins befindet sich ein Bildnis des Jüngsten Gerichts. Es ist in schlechtem Erhaltungszustand und gilt als Gesellenarbeit aus Schaffners Werkstatt. Die Außenseiten der Flügel zeigen die Heiligen Diepold, Barbara und Erhard sowie Johannes den Täufer. Ihnen wurde der Altar geweiht. Die Rückseite der Predella schmückt eine Ikone der heiligen Vera. Auch sie ist kein Werk Schaffners, sondern stammt aus seiner Werkstatt.[1]
Stifter und Bau des Altars
Den Auftrag zum Bau des Altars vergab 1512 oder 1517 der Ulmer Apotheker Laux Hutz, der zu den wohlhabendsten Kaufmannsfamilien Ulms zählte.[1][2] Der Altar trägt das Datum 1521. Zu diesem Zeitpunkt war Hutz bereits verstorben. Martin Schaffner war als Testamentsvollstrecker eingesetzt, der im Rahmen einer Gedächtnisstiftung den Bau des Altars selbst organisierte.[4][1] Er übernahm das Gesamtkonzept, malte die Flügel- und Predellabilder selbst und verpflichtete die Werkstatt Weckmann für die Figuren. Im linken Altarflügel ist das Wappen der Familie Hutz abgebildet.[1] Darüber hinaus trägt Zebedäus, Ehemann von Marias Stiefschwester Maria-Salome, die Gesichtszüge des Stifters. Er agiert von einer Arkade aus in den Vordergrund.[4] Vor der Reformation existieren solche Stifter-Porträts, sie waren aber dennoch „gewagt“.[3]
Aufstellungsorte
Nach seiner Fertigstellung stand das Retabel in der Turmvorhalle des Ulmer Münsters. Hier befand sich der Hausaltar der Familie Hutz.[1] Noch vor dem reformatorischen Ulmer Bildersturm im Jahr 1531, wurden die im Ulmer Münster aufgestellten Altäre an ihre Stifter zurückgegeben. Der Flügelaltar gelangte zu Verwandten der Familie Hutz, die ihn in den Privathäusern von Matthäus Lupin d. J. und Daniel Schleicher aufbewahrten. Nach seiner Renovierung im Jahr 1598 durch den Ulmer Stadtmaler Philipp Renlin wurde der Altar bis 1787 in der Sakristei des Münsters gelagert. Danach stand er bis 1808 im Chorraum der Barfüßerkirche am Ulmer Münsterplatz. Als diese in ein Magazin umgebaut werden sollte, wurde das Retabel im Altarraum des Ulmer Münsters aufgestellt, wo es seitdem steht.[1][7]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g h i Daniela Vordermaier: Der Hutzaltar im Ulmer Münster – Nahrungsmittel als sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Indikatoren in religiösen Bildwerken der Ulmer Schule. Hrsg.: kultur- und gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Paris-Lodron-Universität Salzburg. Juli 2019, S. 2 - 4 (uni-salzburg.at [PDF]).
- ↑ a b c Familienbande in Holz und Gold; der Hutz-Altar im Chorraum des Ulmer Münsters. In: one photo a day. 18. November 2016, abgerufen am 15. August 2025.
- ↑ a b Web Steiner: Projekt: Ulmer Münster. In: websteiner.com. 2022, abgerufen am 16. August 2025.
- ↑ a b c d e f g h Barbara Maier-Lörcher: Meisterwerke Ulmer Kunst. Thorbecke Verlag, Ostfildern 2004, ISBN 3-7995-8004-2, S. 32–33.
- ↑ Anette Pelizaeus: Christliche Kunst in Südwestdeutschland: Gotik. In: wkgo.de. Württembergische Kirchengeschichte online, 2025, abgerufen am 16. August 2025.
- ↑ Christof Metzger: Schaffner, Martin. In: deutsche-biographie.de. Deutsche Biographie, abgerufen am 16. August 2025.
- ↑ Manuel Teget-Welz: Martin Schaffner. Leben und Werk eines Ulmer Maiers zwischen Spätmittelalter und Renaissance. In: Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm. Band 32. W. Kohlhammer, Stuttgart 2008, S. 442–443.
Koordinaten: 48° 23′ 55″ N, 9° 59′ 33″ O