Herzklappenrekonstruktion

Als Herzklappenrekonstruktion bezeichnet man die operative Wiederherstellung der Form und Funktion einer natürlichen funktionsgestörten Herzklappe, im Gegensatz zum Austausch der Klappe mit einer mechanischen oder biologischen Prothese. Je nach Position (Aortenklappe, Mitralklappe, Pulmonalklappe oder Trikuspidalklappe) und Art bzw. Ursache der Funktionsstörung kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz.

Geschichte

Bereits vor der Entwicklung von Herzklappenprothesen wurde eine erste Sprengung einer verengten Aortenklappe zur Behandlung der Aortenstenose von dem französischen Chirurgen Théodore Tuffier durchgeführt. Der amerikanische Chirurg Elliott C. Cutler führte 1923 eine erste Sprengung einer verengten Mitralklappe durch,[1] der englische Chirurg Henry S. Souttar, dem 1925[2] die erste transauriculäre[3] bzw. transatriale digitale Mitralklappensprengung (Sprengung der Mitralstenose durch Mitralkommissurotomie)[4] gelang, folgte. Die ersten Versuche waren aus heutiger Sicht experimentell.

Die erste künstliche Herzklappe mit einer Kugelprothese wurde 1961 durch die beiden Amerikaner Albert Starr und Lowell Edwards implantiert.[5]

Indikationen

Die Indikation zur Herzklappenoperation wird in Abhängigkeit von klinischer Symptomatik und objektivierbaren Kriterien gestellt. Mechanische oder biologische Klappenprothesen sind technisch einfacher und benötigen weniger Nachkorrekturen. Rekonstruierende Eingriffe setzen viel Erfahrung voraus, haben aber weniger Komplikationen wie Gerinnselbildung und Herzklappenentzündungen.[6][7] Der europäischen Leitlinie (2021) folgend ist bei behandlungspflichtiger Mitralklappeninsuffizienz ist die Rekonstruktion Mittel der Wahl. Für Mitralklappenstenosen und die Vitien der Aortenklappe wird primär der Klappenersatz empfohlen.[8] Ziel ist in erster Linie die Verbesserung der Lebenserwartung durch kausale Behandlung einer akuten oder chronischen Herzinsuffizienz, in zweiter Linie auch eine Symptomverbesserung.

Die folgende Aufstellung gibt einen vereinfachten Überblick über die möglichen Indikationen zur Klappenrekonstruktion:

Aortenklappenstenose mit nur geringer oder ohne Verkalkung der Klappe

  • schwere Aortenklappenstenose mit Symptomatik
  • schwere Aortenklappenstenose ohne Symptomatik mit reduzierter Pumpfunktion (EF - Auswurffraktion < 50 %) oder pathologischem Belastungstest oder rascher Progredienz

Aortenklappeninsuffizienz

  • schwere Aortenklappeninsuffizienz und Symptomatik
  • schwere Aortenklappeninsuffizienz ohne Symptomatik mit reduzierter Pumpfunktion (EF < 50 %) oder endsystolischem Durchmesser des linken Ventrikels > 50 mm
  • Aneurysma der Aorta ascendens (aufsteigende Aorta) mit Gefahr des Platzens

Mitralklappenstenose mit nur geringer oder ohne Verkalkung der Klappe

  • Symptomatik und Klappenöffnungsfläche < 1,5 cm²

Mitralklappeninsuffizienz

  • schwere Mitralklappeninsuffizienz und Symptomatik und EF > 30 %
  • schwere Mitralklappeninsuffizienz und hohe Erfolgswahrscheinlichkeit einer Rekonstruktion
  • schwere Mitralklappeninsuffizienz ohne Symptomatik mit EF < 60 % oder neu aufgetretenem Vorhofflimmern oder systolischem pulmonal-arteriellem Druck > 50 mmHg

Trikuspidalklappeninsuffizienz

Operationstechnik

Die Operationstechnik variiert zwischen der Mitralklappenrekonstruktion, der Aortenklappenrekonstruktion, der Pulmonalklappenrekonstruktion und der Trikuspidalklappenrekonstruktion. Allen Methoden ist gemeinsam, dass das Resultat bereits intraoperativ echokardiographisch überprüft werden kann.[9] Nach Indikationsstellung werden Untersuchungen zur Abschätzung des Operations- und Narkoserisikos durchgeführt. Diese umfassen z. B. eine Lungenfunktionsprüfung und eine Herzkatheteruntersuchung. In neuerer Zeit besteht auch die Möglichkeit, die Herzkranzgefäße durch ein EKG-getriggertes CT darzustellen. Wird eine koronare Herzkrankheit festgestellt, wird in der Regel die Anlage von Koronararterienbypässen empfohlen, die in einer Sitzung mit dem Klappenersatz erfolgen kann.

Nachsorge

Antikoagulation

Im Gegensatz zum Klappenersatz ist nach der Rekonstruktion keine Hemmung der Blutgerinnung (Antikoagulation) erforderlich. Lediglich das Auftreten von unregelmäßigem Herzschlag (Vorhofflimmern) kann eine Antikoagulation erfordern, um die Bildung von Gerinnseln im linken Vorhof zu verhindern.

Endokarditisprophylaxe

Nach Herzklappenersatz wird in der Regel eine lebenslange Endokarditisprophylaxe bei allen Eingriffen im Bereich des Mund-Rachen-Raums (z. B. Zahnchirurgie, Tonsillektomie) durchgeführt.[9] Es ist unklar, ob dies auch nach einer Herzklappenrekonstruktion notwendig ist.

Einzelnachweise

  1. E. C. Cutler, S. A. Levine: Cardiotomy and valvulotomy for mitral stenosis. Experimental observations and clinical notes concerning operated case with recovery. In: Boston Medical and Surgical Journal. Band 188, 1923, S. 1032 ff.
  2. Henry S. Souttar: Surgical treatment of mitral stenosis. In: British Medical Journal. Band 2, 1925, S. 603 ff.
  3. Werner Klinner, Eckart Kreuzer: Die Bedeutung der Diagnostik für die Entwicklung der Herzchirurgie. In: Christa Habrich, Frank Marguth, Jörn Henning Wolf (Hrsg.) unter Mitarbeit von Renate Wittern: Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Heinz Goerke zum sechzigsten Geburtstag. München 1978 (= Neue Münchner Beiträge zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften: Medizinhistorische Reihe. Band 7/8), ISBN 3-87239-046-5, S. 393–402, hier: S. 393.
  4. Friedrich Wilhelm Hehrlein: Herz und große Gefäße. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen: Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 164–185, hier S. 174, 176 und 182.
  5. L. Wi Stephenson: History of Cardiac Surgery. In: L. H. Cohn, L. H. Edmunds Jr. (Hrsg.): Cardiac Surgery in the Adult. McGraw-Hill, New York 2003, S. 3–29.
  6. Hans-Joachim Schäfers: Current Treatment of Mitral Regurgitation. 2010 (englisch)
  7. Hans-Joachim Schäfers: Current treatment of aortic regurgitation. UNI-MED Science, 2013 (englisch)
  8. Alec Vahanian, Friedhelm Beyersdorf, Fabien Praz, Milan Milojevic, Stephan Baldus, Johann Bauersachs, Davide Capodanno, Lenard Conradi, Michele De Bonis, Ruggero De Paulis, Victoria Delgado, Nick Freemantle, Martine Gilard, Kristina H Haugaa, Anders Jeppsson, Peter Jüni, Luc Pierard, Bernard D Prendergast, J Rafael Sádaba, Christophe Tribouilloy, Wojtek Wojakowski, ESC/EACTS Scientific Document Group, ESC National Cardiac Societies: 2021 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease: Developed by the Task Force for the management of valvular heart disease of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). In: European Heart Journal. Band 43, Nr. 7, 14. Februar 2022, ISSN 0195-668X, S. 561–632, doi:10.1093/eurheartj/ehab395 (oup.com [abgerufen am 8. Mai 2025]).
  9. a b A. Vahanian, O. Alfieri et al.: Guidelines on the management of valvular heart disease (version 2012). In: Eur Heart J. Band 33, Nr. 19, Oktober 2012, S. 2451–2496.