Hermann Weingärtner

Hermann Weingärtner an den Ringen bei den 1. Olympischen Spielen der Neuzeit 1896 in Athen. Foto: Albert Meyer

Hermann Otto Ludwig Weingärtner (* 27. August 1864 in Frankfurt (Oder), Königreich Preußen; † 22. Dezember 1919 in Frankfurt (Oder), Deutsches Reich) war ein deutscher Turner und Olympiasieger.

Weingärtners Vater war der Turn- und Schwimmlehrers und Badeanstaltsbesitzer Karl Gustav Albert Weingärtner (gest. nach 1879). Sein Mutter war dessen Ehefrau Charlotte Wilhelmine Weingärtner, geb. Koch. Er war nach Carl Gustav Albert (geb. 27. Februar 1869, Turnlehrer) und Robert (gest. November 1896) der drittälteste von fünf Söhnen. Die jüngeren Brüder hießen Max und Adolf. Die Familie wohnte nacheinander in den Häusern Fischerstrasse 2, 94/95 und 100.

Teilnehmerplakette der Stadt Rom für das 3. Bundesturnfest des italienischen Turnverbandes Federazione Ginnastica Nationale 1895 in Rom aus dem Nachlass von Alfred Flatow.

Weingärtner wurde in Frankfurt (Oder) geboren, erlernte den Beruf des Kaufmanns und wurde Mitglied des Frankfurter Turnvereins 1860. Aufgrund beruflicher Verpflichtungen zog er 1855 nach Berlin und trat 21-jährig der Berliner Turnerschaft bei.[1] Um das Jahr 1880 starb sein Vater und die Mutter übernahm die 1867 von ihrem Mann gegründete Badeanstalt auf der Insel Ziegenwerder in Frankfurt (Oder)[2]. Spätestens 1893 war die Leitung der Badeanstalt an seinen Bruder Robert übergegangen.

Seinen ersten großen nationalen sportlichen Erfolg erreichte Weingärtner beim 8. Deutschen Turnfest 1894 in Breslau (Wrocław), ein Jahr später gewann er eine goldene Plakette beim Bundesturnfest des italienischen Turnverbandes Federazione Ginnastica Nazionale Italiana in Rom.[3]

Silberne Medaille für die Gewinner von Wettbewerben bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit 1896. Die Medaille wurde nachträglich vom IOC als Goldmedaille anerkannt.

Bei den I. Olympischen Sommerspielen 1896 in Athen gewann Weingärtner am 9. April den Einzelwettbewerb am Reck. Ferner gewann er die Mannschaftswettbewerbe am Reck und am Barren. Zweite Plätze errang er an den Ringen und beim Pauschenpferd. Am Barren soll er zudem Dritter im Einzelwettbewerb gewesen sein: Andere Quellen, darunter die offizielle Seite des Internationalen Olympischen Komitees ordnen seine Bronzemedaille dem englisch vault men zu, was dem Sprung am Sprungpferd entspricht.[4] Er war mit drei Goldmedaillen, gemeinsam mit Alfred Flatow und Paul Masson, erfolgreichster Sieger hinter Carl Schuhmann und erzielte in der internationalen Gesamtwertung den zweiten Platz. In Deutschland wurde er auf seine Olympiateilnahme hin durch die Deutsche Turnerschaft gesperrt. Der Grund war der Boykott der Olympischen Spiele durch die Deutsche Turnerschaft, die sich gegen das olympische Konzept stellte.

Sieben Monate nach seinen Olympiaerfolgen starb im November 1896 sein Bruder Robert an Herzversagen. Hermann Weingärtner ging zurück nach Frankfurt (Oder) und übernahm die Leitung der Badeanstalt. Er heiratete 1900 die Bäckerstochter Elisabeth Kummert, mit der er drei Kinder hatte: Ella, Erich und Klara. Am 22. Dezember 1910 erhielt er für die Rettung eines Ertrinkenden die preußische Rettungsmedaille am Band.[5]

Hermann Weingärtner starb am 22. Dezember 1919 an einem Herzschlag, den er erlitt, als er mit einem Kahn vom Ziegenwerder an das Oderufer am Ende der Bischofstraße übersetzte.[6]

Ehrungen

Siegerstele der deutschen Goldmedaillengewinner von 1896 mit seinem Namen am Olympiastadion Berlin

Trivia

Zu den Olympischen Sommerspielen 1964 in Tokio spendete Familie Weingärtner „dem Athleten mit den besten Ergebnissen“ die Olympiamedaille Hermann Weingärtners. Nach den Spielen wurde die Medaille dem japanischen Olympiasieger Yukio Endō verliehen. 1994 wurde dem Japanischen Olympischen Komitee die Medaille übergeben und im Prinz Chichibu Gedächtnis Sportmuseum in Tokio ausgestellt. In den frühen Morgenstunden des 14. März 2010 wurde die Medaille aus einer unverschlossenen und unbewachten Vitrine gestohlen. Bisher (Stand 2025) ist sie nicht mehr aufgetaucht.[15][16]

Commons: Hermann Weingärtner – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Turn-Olympiasieger Hermann Weingärtner wurde vor 150 Jahren geboren. In: gymmedia.de. Abgerufen am 18. September 2025.
  2. Ralf-Rüdiger Targiel: Frankfurts Badeinsel mitten im Fluss. In: Märkische Oderzeitung. Frankfurt (Oder) 28. Juni 2019 (archive.org).
  3. Hans-Eberhard Fehland, Hans-Jürgen Losensky: Sportstadt Frankfurt (Oder). Herausgeber: Verein Sportgeschichte der Stadt Frankfurt (Oder) e. V. 2005, S. 10 f.
  4. Hermann WEINGÄRTNER. In: olympics.com. Abgerufen am 16. März 2022.
  5. Adreß-Buch für Frankfurt an der Oder 1912. Königliche Hofbuchdruckerei Trowitzsch & Sohn, Frankfurt (Oder) 1911, S. IV (archivportal-d.de [PDF; 79,5 MB; abgerufen am 17. September 2025]): „22. Badeanstaltsbesitzer Hermann Weingärtner erhält für die mutige Rettung eines Ertrinkenden die Rettungsmedaille am Bande.“
  6. Todesanzeige sowie Nachruf des Turnvereins 1860 in der Frankfurter Oderzeitung vom 25. Dezember 1919
  7. Olympische Legenden am Belzborn. (PDF; 83 kB) In: gymmedia.com. Magistrat der Stadt Langen, 19. Mai 2011, abgerufen am 18. September 2025.
  8. Hermann-Weingärtner-Preis / Frankfurt (Oder). In: frankfurt-oder.de. Abgerufen am 17. September 2025.
  9. Dietrich Stulpe: Ringer Marcus Thätner jubelt zur Premiere. In: Märkische Oderzeitung. 16. Januar 2008, archiviert vom Original;.
  10. Dietrich Stulpe: Jury entscheidet sich für Romy Tarangul. In: Märkische Oderzeitung. 20. Januar 2010, archiviert vom Original;.
  11. Hubertus Rößler: Preisvergabe mit Tanzeinlage. In: Märkische Oderzeitung. Frankfurter Stadtbote. 9. September 2013, S. 13.
  12. Hubertus Rößler: Die WM als Meisterstück. In: Märkische Oderzeitung. Frankfurt (Oder) 17. Januar 2020 (archive.org).
  13. Aktuelles - www.sgi-ffo.de. In: sgi-ffo.de. Abgerufen am 17. September 2025.
  14. Allgemeines / Sportzentrum Frankfurt Oder. In: sport-in-frankfurt.de. Abgerufen am 17. September 2025.
  15. Olympiamedaille Herman Weingärtners geklaut. In: gymmedia.com. Abgerufen am 17. September 2025.
  16. Annette Kögel: Kolumne Meine Paralympics: Auf die Plätze, fertig – Öko! In: tagesspiegel.de. 7. November 2018, abgerufen am 18. September 2025.