Henry Edward Manning

Henry Edward Kardinal Manning (circa 1890)
Kardinalswappen

Henry Edward Manning (* 15. Juli 1808 in Totteridge, Hertfordshire; † 14. Januar 1892 in London) war ein englischer katholischer Theologe und Kardinal. Von 1865 bis zu seinem Tod war er Erzbischof von Westminster.

Leben und Werk

Henry Edward Manning wurde als Sohn des einflussreichen Parlamentsabgeordneten und Unternehmers William Manning in Totteridge, einem nördlichen Vorort von London, geboren und im anglikanischen Glauben erzogen. Er besuchte die renommierte Harrow School.[1] Er studierte an der Universität Oxford und zeichnete sich in den Debatten der Oxford Union aus.[2] Nach dem Vorbild seines Vaters wollte er zunächst eine politische Karriere einschlagen, entschloss sich aber dann, anglikanischer Geistlicher zu werden. Manning gehörte in Oxford den Kreisen der High Church an und wurde durch die Theologie John Henry Newmans beeinflusst, mit dem er später immer wieder Konflikte austrug.

Manning erhielt nach seinen Weihen eine Pfarrstelle und heiratete 1833, seine Frau Caroline verstarb aber bereits nach wenigen Jahren. Schon bald wurde er zum Erzdechant (englisch: Archdeacon) von Chichester befördert.[3] Seine Predigten zogen Scharen von Zuhörern an, und für zahlreiche Anglikaner wurde er zum Beichtvater.[4] Aufgrund seiner Fähigkeiten galt er bereits früh als aussichtsreicher Kandidat für eine Karriere in der anglikanischen Hierarchie.[5] Doch Manning wandte sich mehr und mehr dem Katholizismus zu.

Als im Jahre 1850 in der Kirche von England zusehends die objektive Wirksamkeit der Sakramente in Zweifel gezogen wurden, entschloss sich Manning zur Konversion. Am 6. April 1851 nahm ihn die katholische Kirche auf,[6] im selben Jahr empfing er auch die Priesterweihe. Papst Pius IX. ernannte Manning 1857 zum Propst des Domkapitels von Westminster.[7] So stieg er zum ersten Berater von Kardinal Nicholas Wiseman, dem Erzbischof von Westminster, auf.

Manning behagte es nicht, dass ein Großteil der katholische Kirche in England und Wales, die sich infolge ihrer jahrhundertelangen Isolation und wiederkehrenden Verfolgung weitgehend selbst gesteuert hatte, auch nach der Wiederherstellung der katholischen Hierarchie in England und Wales 1850 ihre Eigenart und relative Unabhängigkeit bewahren wollte. Manning wollte stattdessen eine „römische“ Kirche in England und Wales, die sich uneingeschränkt dem Jurisdiktionsprimat des Papstes unterordnete. Darüber kam es zum Streit, auch im Domkapitel und mit Titularerzbischof George Errington (1804–1886), dem Koadjutor von Kardinal Wisemann mit dem Recht der Nachfolge als Erzbischof von Westminster. Manning gelang es mit der Unterstützung von Monsignore George Talbot (1816–1886), dem einflussreichen Privatsekretär des Papstes, zu erwirken, dass der Papst 1860 Bischof Errington vom Amt des Koadjutors „befreite“.[8] Bischof Errington nahm die päpstliche Entscheidung und Demut an und zog sich als Pfarrer auf die Isle of Man zurück.[9] Damit war der Weg für Manning frei.

1865 wurde Manning Erzbischof von Westminster. Die Bischofsweihe spendete ihm am 8. Juni 1865 in der Kirche Saint Mary in London der Bischof von Birmingham William Bernard Ullathorne; Mitkonsekratoren waren William Turner, Bischof von Salford, und Thomas Joseph Brown, Bischof von Newport and Menevia. Er war Konzilsvater des Ersten Vatikanischen Konzils von 1870 bis 1871.

Im März 1875 wurde er als Kardinalpriester mit der Titelkirche Santi Andrea e Gregorio al Monte Celio in das Kardinalskollegium aufgenommen. Manning galt als ausgesprochener Ultramontanist und strenger Verfechter des Dogmas der päpstlichen Unfehlbarkeit. Er nahm am Konklave 1878 teil, bei dem Papst Leo XIII. gewählt wurde, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband.

In der britischen Gesellschaft und bei den Regierungen genoss Manning höchstes Ansehen.[10] Er war Mitglied mehrerer Royal Commissions.[11] initiierte er den Bau der Westminster Cathedral und veranlasste den Ausbau des katholischen Bildungswesens. Auch setzte er sich für die Umsetzung der katholischen Soziallehre ein. 1889 beendete seine Vermittlung den großen Streik der Londoner Hafenarbeiter.[12] Unter der Bezeichnung Poor men’s Cardinal, also der „Kardinal der armen Leute“, war er im Volk bekannt. Vor allem unter den besitzlosen katholischen Einwanderern aus Irland genoss er große Hochachtung. Außer der Westminster-Kathedrale ließ er mehrere weitere Schulen, Klöster und Kirchen erbauen. „Den größten offenen Erfolg hatte seine soziale Tätigkeit für die Würde der Arbeit und des Arbeiters, gegen die Wohnungsnot der Städte und Kinderarbeit in den Fabriken, gegen Alkoholismus und sittliche Verseuchung.“[13]

Henry Edward Mannings Beerdigung war ein Ereignis, wie es London selten erlebt hatte. Entlang der Straßen, durch die sich der Trauerzug bewegte, standen unübersehbare Menschenmengen, vor allem Arbeiter, Arbeiterinnen und ihre Kinder.[14]

Lytton Strachey schrieb über Kardinal Manning, er gehöre „zu der nicht so kleinen Gruppe herausragender Kirchenführer, die sich weniger durch Heiligmäßigkeit oder Gelehrsamkeit als durch praktische Tatkraft auszeichnen“.[15]

Schriften

  • Vernunft und Offenbarung, oder: das Wirken des heiligen Geistes auf Erden. Georg Josef Manz, Regensburg 1867 (284 S., Volltext in der Google-Buchsuche [abgerufen am 22. August 2016] englisch: The Temporal Mission of the Holy Ghost. London 1865. Übersetzt von Dr. P.).

Literatur

(in chronologischer Folge)

  • Alfons Bellesheim: Henry Edward Manning, Cardinal-Erzbischof von Westminster (1808–1892). Kirchheim, Mainz 1892.
  • Edmund Sheridan Purcell: Life of Cardinal Manning, Archbishop of Westminister. Macmillan, London 1895
    • Band 1: Manning as an Anglican.
    • Band 2: Manning as a Catholic.
  • Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon (= The collected works of Lytton Strachey, Band 2). Chatto & Windus, London 1948 (Erstausgabe 1918), S. 11–128.
  • Shane Leslie: Henry Edward Manning. His life and labours. Burns Oates & Washbourne, London 1921.
  • Vincent Alan McClelland: Cardinal Manning. His public life and influence 1865–1892. Oxford University Press, Oxford 1962.
  • Robert Gray: Cardinal Manning. A biography. St. Martin’s Press, New York 1985.
  • James Pereiro: Cardinal Manning. An intellectual biography. Clarendon Press, Oxford 1998, ISBN 0-19-815089-X.
  • Adrian Lüchinger: Päpstliche Unfehlbarkeit bei Henry Edward Manning und John Henry Newman (= Ökumenische Beihefte zur Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie, Band 40). Universitätsverlag, Fribourg 2001, ISBN 3-7278-1348-2.
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Fußnoten

  1. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, S. 14.
  2. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, S. 15.
  3. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, S. 33.
  4. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, S. 49.
  5. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, S. 48.
  6. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, S. 61–62.
  7. Edmund Sheridan Purcell: Life of Cardinal Manning, Archbishop of Westminster, Band 2: Manning as a Catholic. Macmillan, London 1895, S. 75.
  8. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, hier S. 70–74.
  9. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, hier S. 79–80.
  10. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, hier S. 113.
  11. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, hier S. 112.
  12. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, hier S. 123.
  13. Matthias Laros: Art. Manning, Henry Edward. In: Lexikon für Theologie und Kirche, 1. Auflage, Band 6: Kirejewski – Maura, Sp. 856.
  14. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, hier S. 127.
  15. Lytton Strachey: Cardinal Manning. In: ders.: Eminent Victorians: Cardinal Manning, Florence Nightingale, Dr. Arnold, General Gordon. Chatto & Windus, London 1948, S. 11.
VorgängerAmtNachfolger
Nicholas Patrick Stephen Kardinal WisemanErzbischof von Westminster
1865–1892
Herbert Kardinal Vaughan