Helmuth Lütjens

Johann Helmuth Ferdinand Lütjens (* 26. Februar 1893 in Frankfurt am Main;[1] † 7. Januar 1987[2] in Bergen[3]) war ein deutsch-niederländischer Kunsthistoriker und Kunsthändler.
Herkunft, Kindheit, Jugend, Studium
Helmuth Lütjens wurde am 26. Februar 1893 geboren und entstammte einer Hamburger Familie. Sein Vater war als Teilhaber für das dortige Unternehmen Arnold Otto Meyer in Singapur tätig.[4] Seine Mutter war Niederländerin.[5] Einer seiner Brüder war der spätere Admiral Günther Lütjens (1889–1941), der als Flottenchef der Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg diente.[6] Lütjens studierte Kunstgeschichte und promovierte 1921 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit der Dissertation Untersuchungen zur Graphik des Rembrandtkreises.[7] Die Arbeit war eine frühe wissenschaftliche Beschreibung der Radierungen von Jan Lievens und von Johannes van Vliet. Sie gab durch neue Methoden Antworten auf Zuschreibungs- und Datierungsfragen bei Rembrandt.[8]
Berufliche Stationen und Arbeitsschwerpunkte
Nach einem Volontariat im Berliner Kupferstichkabinett unter der Leitung von Max J. Friedländer begann Lütjens seine berufliche Laufbahn 1923 als Mitarbeiter des Kunstsalons Paul Cassirer in Berlin. Im selben Jahr wurde er zum Leiter der neu gegründeten Amsterdamer Filiale der Galerie ernannt,[9] die unter dem Namen „B.V. Amsterdamsche Kunsthandel Paul Cassirer“ in der Keizersgracht 109 firmierte.[10] Sein Vertrag sah auch die Beratung des Bankiers und Sammlers Franz Koenigs vor, zudem hatte er Oskar Kokoschka zu betreuen.[11] Lütjens konzentrierte sich geschäftlich auf den Handel mit Gemälden des 17. Jahrhunderts, unter anderem für das Rijksmuseum Amsterdam und das Museum Boymans.[5] 1937 beantragte er die niederländische Staatsbürgerschaft, die ihm 1939 kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges gewährt wurde.[12]
Nach Beginn der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Berliner Stammhaus von Walter Feilchenfeldt und Grete Ring liquidiert, um einer Arisierung zu entgehen. Amsterdam übernahm die Kunstbestände und Geschäftsunterlagen[13] und entwickelte sich zum Hauptgeschäftssitz.[14] Lütjens leitete das Geschäft während der Vorkriegszeit und der deutschen Besatzung der Niederlande (1940 bis 1945).[9] Unmittelbar nach dem Krieg versuchte Lütjens, Feilchenfeldt und Ring, die den Kunstsalon Paul Cassirer in der Schweiz beziehungsweise in Großbritannien repräsentierten, davon zu überzeugen, Max Beckmann unter Vertrag zu nehmen, er scheiterte damit allerdings.[15] Lütjens blieb bis 1987 Leiter des Amsterdamer Hauses.[16] Es wurde 2011 schließlich geschlossen.[17]
Freundschaft mit Max Beckmann
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Familienbild Lütjens -
Bildnis Rietje
und Nelly Lütjens
Während der Kriegsjahre entwickelte sich eine besondere Beziehung zwischen Lütjens und dem deutschen Maler Max Beckmann, der 1937 mit seiner Frau Quappi ins Amsterdamer Exil geflohen war.[18][19] Lütjens unterstützte Beckmann in mehrfacher Hinsicht: Er kaufte einige Werke an und versteckte ab Februar 1943 auf dessen Bitte den Großteil von Beckmanns Werken in der Keizersgracht 109, um sie vor dem Zugriff der deutschen Besatzer zu bewahren.[20] Zudem gewährte er dem Ehepaar Beckmann zeitweise Unterkunft in seinem Haus.[9] Beckmann bezeichnete die Besuche bei der Familie Lütjens als sein „Morphium in dieser Zeit“.[19]
Die Freundschaft der Familien Beckmann und Lütjens kam in zwei Werken zum Ausdruck. 1944 schuf Beckmann das Gemälde Familienbild Lütjens, das Lütjens nach Fertigstellung sofort erwarb.[5][21] 1945 porträtierte er zudem Lütjens Frau gemeinsam mit der Tochter des Paares (Bildnis Rietje und Nelly Lütjens).[22]
Fonds
2025 wurde der Fonds op Naam (Fonds mit eigenem Namen) Helmuth Lütjens en Nelly Lütjens-van den Boom Fonds bei der Vereniging Rembrandt eingerichtet. Mit Mitteln dieses Fonds sollen Museen beim Ankauf von Malerei des 20. Jahrhunderts finanziell unterstützt werden.[23]
Schriften
- Untersuchungen zur Graphik des Rembrandtkreises. Dissertation, Universität Freiburg im Breisgau, 1921, 141 S., maschinenschriftlich, ungedruckt.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Hesssisches Hauptstaatsarchiv, Bestand 903, Signatur 903_9118, Urkundes des Standesamtes Frankfurt am Main über die Anzeige der Geburt, erfolgt durch den Vater und amtlich dokumentiert am 1. März 1893 (einsehbar über Ancestry).
- ↑ Christina Feilchenfeldt: The Paul Cassirer Gallery (1933–1945): Berlin – Amsterdam – London. In: Ines Rotermund-Reynard (Hrsg.): Echoes of Exile. Moscow Archives and the Arts in Paris 1933–1945. Walter de Gruyter, Berlin, München, Boston 2016, ISBN 978-3-11-029058-5, S. 123–137, hier S. 137.
- ↑ Traueranzeige in NRC Handelsblad, 7. Januar 1987.
- ↑ Vizeadmiral Lütjens. In: Hamburger Fremdenblatt, 25. Juni 1940 (einsehbar in der Sammlung zu Günther Lütjens im Pressearchiv 20. Jahrhundert).
- ↑ a b c Jonieke van Es: Familieportret Lütjens. In: Bulletin van de Vereniging Rembrandt. Vereniging Rembrandt, 2009, S. 29–32, abgerufen am 14. Juli 2025 (Frühjahrsausgabe).
- ↑ Erhard Göpel: Der Nachlaß Max J. Friedländers. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 26. März 1959, abgerufen am 13. Juli 2025 (Zeitungsartikel als Teil der Archivalien der Kreutzberger / Foerg Clippings Collection im Archiv des Leo Baeck Instituts).
- ↑ Helmuth Lütjens: Untersuchungen zur Graphik des Rembrandtkreises. Abgerufen am 13. Juli 2025 (Eintrag Katalog der Deutschen Nationalbibliothek).
- ↑ Hans Schneider: Jan Lievens. Sein Leben und seine Werke. Verbesserter Nachdruck mit Supplement von R. E. O. Ekkart. 2. Auflage. Israel, Amsterdam 1973, S. 78 (online).
- ↑ a b c Lütjens, Helmuth. In: max-beckmann.org. Kaldewei Kulturstiftung, abgerufen am 14. Juli 2025.
- ↑ Lütjens, Helmuth. In: Kommentierte Online-Edition der fünf Reisetagebücher Hans Posses (1939–1942). Germanisches Nationalmuseum, abgerufen am 13. Juli 2025.
- ↑ Christina Feilchenfeldt: The Paul Cassirer Gallery (1933–1945): Berlin – Amsterdam – London. In: Ines Rotermund-Reynard (Hrsg.): Echoes of Exile. Moscow Archives and the Arts in Paris 1933–1945. Walter de Gruyter, Berlin, München, Boston 2016, ISBN 978-3-11-029058-5, S. 123–137, hier S. 131.
- ↑ Christina Feilchenfeldt: The Paul Cassirer Gallery (1933–1945): Berlin – Amsterdam – London. In: Ines Rotermund-Reynard (Hrsg.): Echoes of Exile. Moscow Archives and the Arts in Paris 1933–1945. Walter de Gruyter, Berlin, München, Boston 2016, ISBN 978-3-11-029058-5, S. 123–137, hier S. 125.
- ↑ Kunstsalon Paul Cassirer. In: Forschungsdatenbank Proveana. 10. April 2025, abgerufen am 18. Juli 2025.
- ↑ Christina Feilchenfeldt: Paul Cassirer, Amsterdam, und der internationale Kunsthandel während der 1930er Jahre. (PDF) In: Provenienzforschung: eine Wissenschaftspraxis in der Diskussion. Interdisziplinäres Online-Symposium. Donnerstag und Freitag, 3./4. Juni 2021. 2021, abgerufen am 18. Juli 2025.
- ↑ Christina Feilchenfeldt: The Paul Cassirer Gallery (1933–1945): Berlin – Amsterdam – London. In: Ines Rotermund-Reynard (Hrsg.): Echoes of Exile. Moscow Archives and the Arts in Paris 1933–1945. Walter de Gruyter, Berlin, München, Boston 2016, ISBN 978-3-11-029058-5, S. 123–137, hier S. 133.
- ↑ Paul Cassirer und Walter Feilchenfeldt. In: feilchenfeldt.com/. Abgerufen am 14. Juli 2025.
- ↑ Luise Mahler: Kunstsalon Paul Cassirer (also known as Galerie Paul Cassirer or Kunstanstalt Paul Cassirer, formerly Kunstsalon Bruno & Paul Cassirer). In: The Modern Art Index Project. Leonard A. Lauder Research Center for Modern Art, The Metropolitan Museum of Art, Juni 2019, abgerufen am 14. Juli 2025.
- ↑ Zu dieser Freundschaft siehe Mathilde Q. Beckmann: Mein Leben mit Max Beckmann (Aus dem Amerikanischen von Doris Schmidt), R. Piper & Co. Verlag. München, Zürich 1983, S. 36–38, ISBN 978-3-492-02688-8.
- ↑ a b Michael Lassmann: Ein dunkler Max Beckmann. In: Weltkunst (online). 28. Juni 2023, abgerufen am 14. Juli 2025.
- ↑ Reimertz: Max Beckmann. Biografie. Luchterhand, München 2003, S. 358, ISBN 978-3-630-88006-8.
- ↑ Portrait of the Family Lütjens. In: boijmans.nl. Museum Boijmans Van Beuningen, abgerufen am 14. Juli 2025.
- ↑ Bildnis Rietje und Nelly Lütjens, Nummer 692 im Catalogue raisonné der Gemälde von Max Beckmann auf der Website der Kaldewei Kulturstiftung, abgerufen am 14. Juli 2025.
- ↑ Helmuth Ltjens und Nelly Lotjens-van den Boom Fund (2025). In: verenigingrembrandt.nl. Vereniging Rembrandt, abgerufen am 14. Juli 2025.