Heinrich Ferdinand Philipp von Sybel

Heinrich Ferdinand Philipp Sybel, seit 1831 von Sybel (* 5. Januar 1781 in Soest; † 19. Februar 1870 in Bonn) rheinpreußischer Verwaltungsbeamter und politisch engagierter Honoratior.

Biographie

Herkunft und akademische Ausbildung

Heinrich Ferdinand Philipp Sybel war das neunte von dreizehn Kindern des evangelischen Pfarrers an St. Petri in Soest, Ludolph Florens Sybel (1736–1823), zugleich Archischolarch und Inspector ministerii, und dessen Ehefrau Florentine Marie Elisabeth, geb. Sasse (1744–1821). Als ältester Sohn war er zunächst für die Nachfolge im geistlichen Amt bestimmt. Nach dem Abschluss seiner Schulbildung am Archigymnasium in Soest entschied er sich auf Anraten des Direktors jedoch, dem väterlichen Berufspfad nicht zu folgen. Stattdessen nahm er 1799 zu Halle a.S. ein Jura- und Philosophiestudium auf; letzteres bei Johann Heinrich Tieftrunk (1760–1837) und Johann Christoph Hoffbauer (1766–1827). Ab 1801 setzte er seine Studien in Berlin fort und übernahm zur Sicherung seines Lebensunterhalts eine Tätigkeit als Auskultator. 1804 erwarb er sein drittes Staatsexamen mit Auszeichnung.[1]

Beamtenlaufbahn, Ehe und Ämter

Bereits ein Jahr nach seiner Anstellung als Assessor cum voto illimitato bei der Regierung in Münster erhielt Sybel 1805 zusätzlich das Inquisitoriat sowie die Leitung des Zuchthauses, Aufgaben, die er nach dem Zusammenbruch Preußens auch unter französischer Herrschaft weiterführte. 1811 wurde er als Regierungsrat nach Hamm versetzt; 1812 erfolgte die Ernennung zum procureur impérial (Staatsanwalt) in Düsseldorf im Zusammenhang mit der Einführung der französischen Gerichtsordnung und dank persönlicher Kontakte zum Umfeld des bergischen Innenministers Nesselrode-Reichenstein (1755–1824).[2] Nach den kriegsbedingten Umwälzungen von 1813/14 blieb Sybel im staatlichen Dienst und wurde 1814 kommissarischer Kreisdirektor von Elberfeld.[3] Am 29. September 1815 heiratete Sybel in Elberfeld Charlotta Amalia Brügelmann (1798–1846), eine Tochter von Karl Friedrich Brügelmann (1758–1824) und Johanna Charlotta von Carnap (1762–1816). Aus der Ehe gingen zwei Töchter und drei Söhne hervor; namentlich der Historiker und Politiker Heinrich von Sybel (1817–1895)[4] und der Wirtschaftspolitiker Alexander von Sybel (1823–1902). Die Liebesheirat verband Sybel mit dem wohlhabenden Elberfelder Unternehmermilieu und machte ihn finanziell unabhängiger von seinem Beamtengehalt.[5]

Versetzungen führten ihn 1816 an das Oberlandesgericht Emmerich (später nach Cleve verlegt) und bald darauf zurück nach Düsseldorf. Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten veranlassten Sybel 1833, den aktiven Staatsdienst niederzulegen; 1841 erfolgte jedoch seine Rehabilitation, zugleich wurde er zum Ehrenmitglied der Düsseldorfer Regierung ernannt. Zwei Jahre später wurde er in den Stand eines Geheimen Regierungsrats erhoben. Darüber hinaus fungierte er als gewähltes Mitglied städtischer Gremien (Stadtrat 1834–1838; Gemeinderat 1846–1847) und leitete zeitweise die städtische Finanzkommission. Auf provinzialer Ebene vertrat er 1845 als Abgeordneter des II. Standes (Ritterschaft) den 8. Rheinischen Provinziallandtag in Koblenz.[6]

Kulturelles und bürgerliches Engagement, religiöse Überzeugung und kirchenpolitische Haltung

Sybels Haus wurde schon früh zum Treffpunkt eines literarischen Kreises, dessen Mittelpunkt seit 1826 der damalige Landgerichtsrat in Magdeburg und spätere Oberhofdichter Carl Lebercht Immermann (1796–1840) war. Zu den Gästen gehörten u. a. Luis Spohr (1784–1859), Wilhelm von Schadow ( 1788–1862), Carl Schnaase ( 1798–1875), Felix Mendelssohn (1809–1847), sowie der in Düsseldorf residierende General der Kavallerie Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen (1794–1863), ein Neffe des Königs. Er vermittelte 1831 die Verleihung des erblichen Adels an Sybel, als Friedrich Wilhelm III. mehrere angesehene Einwohner der neuen Provinz auszeichnete. Darüber hinaus war Sybel Mitglied sämtlicher wichtigen geselligen und karitativen Vereinigungen der Stadt, darunter des Bezirksvereins zum Wohle der arbeitenden Klassen und des von Theodor Fliedner begründeten Rheinisch-Westfälischen Gefängnisvereins, welcher sich für die Resozialisierung von Gefangenen einsetzte. Wirtschaftlich betätigte er sich als Mitbegründer, Aktionär und Aufsichtsrat in regionalen Schifffahrts- und Eisenbahnunternehmen, wodurch er in Kontakt mit führenden Liberalen und Wirtschaftspolitikern seiner Zeit geriet.[7]

Sybel blieb zeitlebens überzeugter Protestant. Er wirkte als lutherischer Presbyter aktiv an der 1817 angeregten Kirchenunion zwischen Lutheranern und Reformierten mit. Sowohl als Düsseldorfer Kreis- als auch als Rheinischer Provinzialsynodaler bekämpfte er Bestrebungen, die er als gegen die Mitwirkung der Laien gerichtet oder zur Herausbildung einer Staatskirche führend betrachtete. Unter Friedrich Wilhelm IV. sprach er sich gegen die antiaufklärerischen Tendenzen und den von ihm wahrgenommenen pietistischen Kurs der Kirchenpolitik aus. Seine Einstellung gegenüber der katholischen Kirche war von einer prinzipiellen Toleranz gegenüber dem Einzelnen geprägt; zugleich lehnte er „Ultramontanismus“ und politischen Katholizismus entschieden ab. Während seiner Zeit in Münster kam er vermutlich erstmals in engeren Kontakt mit Katholiken. Die für ihn verstörende Konversion einer Freundin zum katholischen Glauben führte er auf den Einfluss des Münsterschen Kreises um Fürstin Amalie von Gallitzin (1748–1806) zurück und deutete sie als Verführung eines wehrlosen Opfers. Gleichzeitig pflegte Sybel ein gutes Verhältnis zu Ferdinand August Graf von Spiegel-Desenberg (1764–1835), dem von der katholischen Aufklärung geprägten Münsteraner Domdechanten und seit 1824 Erzbischof von Köln. Dass sein Sohn Alexander in eine streng katholische Familie einheiratete und seine Enkelin katholisch getauft wurde, musste Sybel zähneknirschend hinnehmen.[8]

Wirken nach 1846 und Tod

Der Tod seiner Ehefrau 1846 markierte eine Zäsur. Sybel verließ Düsseldorf, siedelte nach Bonn über und bewohnte zeitweise das Familiengut Haus Isenburg bei Köln, das ab 1856 seinen hauptsächlichen Wohnsitz bildete Im Revolutionjahr 1848 stand Sybel zunächst in Nähe zu demokratischen und radikal-liberalen Kreisen, wandelte jedoch rasch zu gemäßigten Positionen. Er nahm am Frankfurter Vorparlament teil und wurde 1850 in die Erste Kammer des preußischen Landtags gewählt, wo er die gemäßigt-liberale Fraktion um Georg von Vincke unterstützte; seine Mandatszeit in der Kammer umfasste mehrere Jahre, danach wirkte er noch für kurze Zeit im Abgeordnetenhaus mit. Auch in späteren Jahrzehnten blieb er politisch aufmerksam.[9] Sybel verstarb hoch betagt 1870 im Hause seines Sohnes Heinrich in Bonn und wurde in Düsseldorf neben seiner Frau bestattet.[10]

Selbstzeugnisse und Editionen

Teile der handschriftlichen Aufzeichnungen Sybels liegen in editierter Form vor.

  • Friedrich Ludwig Karl von Sybel: Nachrichten über die Soester Familie Sybel. 1423–1890, München 1890.
  • Friedrich Zurbonsen: Aus den Aufzeichnungen eines westfälischen Juristen, 1846. In: Westfälische Zeitschrift (WZ). Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Bd. 88, 1. Abt. (1931), S. 196–207.
  • Friedrich Zubonsen: Im Krameramtshaus zu Münster 1806. In: Westfälischer Merkur, 7. September 1924.
  • Friedrich Zubonsen: Aus der Jugendzeit eines westfälischen Juristen. In: Unsere Heimat. Beiträge zur Geschichte des Münsterlandes und der Nachbargebiete (Beilage des Münsteraner Anzeigers), 3. Jg., H. 2–3 (1928), Teil I, II und Schluss.

Das Stammbuch Heinrich Philipp Ferdinand von Sybel, welches die Hallenser und Berliner Studienzeit Sybels abdeckt, ist in digitalisierter Form zugänglich.[11]

Literatur

  • Friedrich Zur Bonsen: Aus den Aufzeichnungen eines westfälischen Juristen, 1846. In: Westfälische Zeitschrift (WZ). Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Bd. 88, 1. Abt. (1931), S. 196–207.
  • Ina Ulrike Paul: Sybel, Heinrich Ferdinand Philipp. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL), Bd. 11, Herzberg 1996, Sp. 314–20, hier S. 318.

Anmerkungen

  1. Ina Ulrike Paul: Sybel, 1996, Sp. 315.
  2. Ina Ulrike Paul: Sybel, 1996, Sp. 315.
  3. Ina Ulrike Paul: Sybel, 1996, Sp. 315f.
  4. Zu diesem: Volker Dotterweich: Sybel, Heinrich von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB), Bd. 25, Berlin 2013, S. 733–35.
  5. Ina Ulrike Paul: Sybel, 1996, Sp. 315f.
  6. Ina Ulrike Paul: Sybel, 1996, Sp. 315–18.
  7. Ina Ulrike Paul: Sybel, 1996, Sp. 314–20, hier S. 316, 318; Friedrich Zurbonsen: Aufzeichnungen, 1931, S. 206.
  8. Ina Ulrike Paul: Sybel, 1996, Sp. 317.
  9. Ina Ulrike Paul: Sybel, 1996, Sp. 318.
  10. Ina Ulrike Paul: Sybel, 1996, Sp. 314–20, hier S. 314f., 319f; Friedrich Zurbonsen: Aufzeichnungen, 1931, S. 207.
  11. Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Yg St. 8° 66/81, Denkmal der Freundschaft. Stammbuch Heinrich Philipp Ferdinand von Sybel, Halle/Berlin 1799ff. (Digitalisat)