Hauptwerke der romanischen Buchmalerei

Etwa ab dem späten 11. Jahrhundert fasst man, ausgehend von der Architektur, die bis dahin auch regional unterschiedlichen europäischen Kunststile beginnend etwa um 950/960 als Romanik zusammen. Der Übergang zur Buchmalerei der Gotik verlief in unterschiedlichen Regionen mit zeitlichen Verzögerungen. Setzte der Stilwandel in Frankreich und England schon ab den 1140er Jahren ein, blieben nördlich der Alpen sowie in Spanien und Italien teilweise noch bis um 1300 romanische Formen dominant. In dieser Zeit entstanden über 1500 illuminierte Manuskripte,[1] von denen 111 derzeit als Faksimile verfügbar sind.

Leider gibt es in der kunstgeschichtlichen Literatur keine allgemein akzeptierten Kriterien, nach denen eine Handschrift als Hauptwerk der romanischen Buchmalerei zu gelten habe, so dass die hier vorgestellte Auswahl auch als „willkürlich“ bezeichnet werden kann.

Liste der Handschriften

Abbildung Gebräuchlicher Name Datierung Lokalisierung, Malschule Inhalt Besonderheiten Signatur
Facundus-Beatus 1047 geschrieben vom sog. Facundus im Auftrag von Ferdinand I. und Doña Sancha von León und Kastilien[2] Apokalypse-Handschrift mit einem dem Beatus von Liébana zugeschriebenen Kommentar.
Bild: Apokalyptische Reiter, f. 135
Eine von 26 illuminierten derartigen Handschriften; diente vor allem der privaten Andacht und Erbauung von Mönchen. Madrid, Spanische Nationalbibliothek, Cod. Vitr. 14-2
Hugo Pictor[3] spätes 11. Jahrhundert Kathedrale von Exeter, Devon Kommentar des Hieronymus zum Buch Jesaja und Texte in Altenglisch enthält ein Selbstporträt des Buchmalers Oxford, Bodleian Library, MS Bodley 717
S. Gregorii magni moralium in Iob 1111 Cîteaux Moralia in Job[4] Dijon, Bibliothèque municipale, Cod. 168-170
Bibel des Stephan Harding 1109/11 Cîteaux Bibel
Bild: Cod. 14, fol. 13
drei Bände[5] Dijon, Bibliothèque municipale, Cod. 12-15
Albani-Psalter zwischen 1120 und 1145 St. Albans-Abtei Psalter, liturgischer Kalender, Gebete, Gesänge und weitere Texte. Bild: Maria Magdalena verkündet die Auferstehung Auftragswerk des Abtes Geoffrey de Gorham für die Einsiedlerin Christina von Markyate Hildesheim, Dombibliothek, Ms St. Godehard 1
Stuttgarter Passionale[6], auch Zwiefalter Passionale oder Hirsauer Passionale genannt erste Hälfte des 12. Jahrhunderts Kloster Zwiefalten, Kloster Hirsau Passionale, bestehend aus drei verschiedenen Teilen: pars hiemalis (Cod. bibl. fol. 57; um 1120–1125), pars aestivalis (Cod. bibl. fol. 56; um 1125–1130), pars tertia (Cod. bibl. fol. 58; 1130–1140) Cod. bibl. fol. 57: Initialen ff. 136-150r: um 1130–1140, Zeichnung f. 262r: 3. Viertel 12. Jh.; Cod. bibl. fol. 56: Zeichnung f. 135r: 2. Hälfte 12. Jh. Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. bibl. fol. 56–58
Melisende-Psalter um 1140 Jerusalem Psalter stark von der byzantinischen und der islamischen Buchmalerei beeinflusst; entstanden wahrscheinlich im Auftrag von Fulko V. von Anjou für seine Frau Melisende, die Königin von Jerusalem London, British Library, MS Egerton 1139
Codex Guta-Sintram um 1154 Augustiner-Chorfrau Guta von Schwarzenthann (Schrift) und Augustiner-Chorherr Sintram von Marbach (Buchschmuck) in den Klöstern Marbach und Schwarzenthann im Elsass Gebete, Kalender mit Heiligenverzeichnis (Martyrologium, Nekrolog, Augustinusregel mit Kommentar des Hugo von St. Viktor und Consuetudines).
Bild:Dedikationsbild, fol. 9r
Nachschlagewerk für das tägliche Leben Straßburg, Bibliothèque du Grand Séminaire, Ms 37
Bestiarium von Aberdeen Ende des 12. Jahrhunderts unbekannt Bestiarium Eins der wenigen Bestiarien, die die Schöpfungsgeschichte miteinbeziehen. Die Handschrift blieb unvollendet. Aberdeen, Universitätsbibliothek, MS 24
Hunterian Psalter um 1170 York Psalter Der Name bezieht sich auf den schottischen Buchsammler William Hunter des 18. Jahrhunderts. Die letzten 13 Folios enthalten Ergänzungen aus dem späten 13. Jahrhundert.[7] Glasgow, Universitätsbibliothek, Sp. Coll. MS Hunter U.3.2 (229)
Kopenhagener Psalter vor 1173 wahrscheinlich York oder Durham Psalter, enthält zudem eine Alphabet, einen Kalender, Gebete sowie sechzehn ganzseitige Bilder von neutestamentlichen Szenen als Lese- und Andachtsbuch für einen königlichen Prinzen erstellt[8] Kopenhagen, Königliche Bibliothek, MA Thott 143 2°
Evangeliar Heinrichs des Löwen[9] zwischen 1175 und 1188 Helmarshausen Evangeliar Für den Marienaltar der Stiftskirche St. Blasius in Braunschweig angefertigt Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 105 Noviss. und München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm. 30055
Hortus Deliciarum („Garten der Köstlichkeiten“) zwischen 1167 und 1196 Odilienberg Enzyklopädie der Herrad von Landsberg.
Bild: Die Philosophie mit den sieben freien Künsten
Auftrag der Herrad von Landsberg, Äbtissin des Klosters Hohenburg im Elsass; eine der ältesten Quellen für mehrstimmige Musik; 1870 bei der Belagerung von Straßburg verbrannt Ehemals Straßburg, Stadtbibliothek
Liber Scivias der Hildegard von Bingen wohl zwischen 1160 und 1180 Benedikinerkloster St. Eucharius-St. Matthias in Trier oder Rupertsberg, die Miniaturen wahrscheinlich in Maria Laach[10] Liber Scivias Es wird angenommen Hildegard sei selbst für die Ausstattung verantwortlich gewesen oder habe sie überwacht.[11] Ehemals Wiesbaden, Hessische Landesbibliothek, Ms. I (verschollen)
Stammheimer Missale ca. 1170 Deutschland Missale
Bild: Incipit-Seite, f. 85r
frühes liturgisches Zeugnis für die Verehrung des Heiligen Bernward Los Angeles, J. Paul Getty Museum, Ms. 64
Welfenchronik zwischen 1167 und 1174 vermutlich ein Geistlicher am Hof des Herzogs von Spoleto, Welf VI. Chronik Fußt in Teilen auf der um 1125/26 entstandenen wesentlich kürzeren Genealogia Welforum Fulda, Landesbibliothek, Ms. D 11
Evangeliar Heinrichs des Löwen und Mathildes von England zwischen 1173 und 1188 Ein Mönch Herimann der Benediktinerabei Helmarshausen Evangeliar
Bild: f. 19r
enthält ca. 1.500 kleinere, 77 größere und sieben große, reich verzierte Initialen Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 105 Noviss. 2°
Landgrafenpsalter 1208–1213 Niedersachsen Psalter Zackenstil leitet zur Gotik über Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Ms. HB II 24
Reiner Musterbuch zwischen 1208 und 1213 Zisterzienserstift Rein bei Graz; Schreiber unbekannt, Heinricus als Künstler Grafiken, Federzeichnungen, Initialen, Musteralphabete, geometrische und astronomische Zeichnungen.
Bild: folios 10r und 11v
Sammelhandschrift für den Unterricht Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 507
Berthold-Sakramentar[12] um 1215 Weingarten im Auftrag des Berthold von Hainburg, Abt der Abtei Weingarten Gebete für die Messe und Sakramentenspendung am Übergang von der Romanik zur Gotik New York, Pierpont Morgan Library, M.710
Carmina Burana[13] erste Hälfte des 13. Jahrhunderts Kloster Benediktbeuern ca. 350 Gedichte und Lieder in (Mittel-)Latein, Mittelhochdeutsch und anderen europäischen Sprachen.
Bild: Das Schicksalsrad (Rota Fortunae).
neben Initialen mit Fleuronné auf fast jeder Seite nur 8 Illuminationen und 1 Federzeichnung München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 4660
Nibelungenlied, Donaueschinger Nibelungenhandschrift C Beginn des 13. Jahrhunderts Südtirol oder Vorarlberg hochmittelalterliche deutschsprachige Ausformung der Nibelungensage.
Bild: Handschrift C, fol. 1r
Der Text ist in ca. 37 Fassungen erhalten, von denen drei in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen wurden, auch diese. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Codex Donaueschingen 63.
Goslarer Evangeliar ca. 1240 wahrscheinlich für Kloster Neuwerk in Goslar bestimmt und in der Umgebung von Goslar entstanden Evangeliar. Bild: Szenen aus dem Lukasevangelium Goslar, Stadtarchiv, B 4387
Tristan des Gottfried von Straßburg um 1240/50 im Schwäbischen oder Bodenseeraum Tristan und Isolde.
Bild: Verbannung Tristans und Isoldes vom Hof Markes; Marke beobachtet Tristan und Isolde in der Minnengrotte; Ihre Wiederaufnahme an den Hof, f. 90r
ältestes erhaltenes Exemplar einer Tristan-Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 51
Medicina antiqua erste Hälfte des 13. Jahrhunderts Süditalien medizinische und pharmazeutische Texte des 4. und 5. Jahrhunderts.
Bild: Mythische Alraunenernte, fol. 118r
mit Deckfarbenmalerei und rund 50 Jahre später eingefügten Federzeichnungen; Text oft beschädigt, da gewisse Passagen und Darstellungen bei späteren christlichen Lesern Anstoß erregten Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Vindob. 93
Rheinauer Psalter[14] um 1260 Kloster Allerheiligen zu Schaffhausen Psalter.
Bild: fol. 7v
als privates Gebetbuch einer hochgestellten Persönlichkeit geschaffen; die Miniaturen im Übergang vom streng geometrischen, linearen Zackenstil zum weicheren, weitläufigeren Stil der Gotik Zürich, Zentralbibliothek, Ms. Rh. 167
Weltchronik – Karl der Große[15] um 1300 Rudolf von Ems (um 1200 bis um 1254) und Der Stricker (1. Hälfte des 13. Jahrhunderts) Weltgeschichte (Rudolf von Ems) und Versepos über das Leben Karls des Großen (Stricker); Oberrhein (Konstanz, Zürich?).
Bild: Eroberung Jerusalems, folio 169v
möglicherweise im Auftrag aus dem Umkreis der Züricher Geistlichkeit St. Gallen, Kantonsbibliothek Vadiana, Ms. 302 Vad

Literatur

  • Ingo F. Walther, Norbert Wolf: Meisterwerke der Buchmalerei – Die schönsten Handschriften der Welt von 400 bis 1600. Taschen, Köln 2005, ISBN 978-3-8228-4747-3 (bespricht 159 Handschriften, davon 33 der Romanik)
  • Otto Mazal: Buchkunst der Romanik, Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1978, ISBN 3-201-01056-1

Siehe auch

Liste der Handschriften der Reichenauer Malschule

Commons: Romanische Buchmalerei – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Otto Mazal: Buchkunst der Romanik, S. 349–367.
  2. Facundus Beatus. Bildglossar für die Kunst des Mittelalters, abgerufen am 11. Mai 2025.
  3. Christopher de Hamel: Pracht und Anmut – Begegnungen mit zwölf herausragenden Handschriften des Mittelalters, C. Bertelsmann, München 2018, ISBN 978-3-570-10199-5, S. 276–329
  4. Manuscrits de Cîteaux. S. Gregorii magni moralium in Job libri I-XVI. Bibliothèque municipale de Dijon, 2018, abgerufen am 12. Mai 2025.
  5. Manuscrits de Cîteaux. Bible dite de saint Étienne Harding. Bibliothèque municipale de Dijon, 2018, abgerufen am 12. Mai 2025.
  6. Stuttgarter Passionale im Bildindex der Kunst und Architektur.
  7. The Hunterian Psalter. Glasgow University Library, Special collections department, Mai 2007, abgerufen am 15. Mai 2025.
  8. de Hamel, München 2018, S. 330–385
  9. Ingo F. Walther, Norbert Wolf: Codices illustres – Die schönsten Handschriften der Welt 400-1600. Taschen, Köln 2005, ISBN 978-3-8228-4747-3, S.&mbsp;138-141
  10. Wendelin Koch: Visionäre Farbigkeit – Anmerkungen zum Liber Scivias der Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179), in: Ingrid Bennewitz, Andrea Schindler (Hrsg.): Farbe im Mittelalter / Materialität – Medialität – Semantik, Akademie Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-05-004640-2, S. 791-802, hier S. 794f
  11. Liselotte E. Sauma-Jeltsch (Hrsg.): Die Miniaturen im „Liber Scivias“ der Hildegard von Bingen – Die Welt der Vision und die Ordnung der Bilder, Reichert, Wiesbaden 1988, ISBN 978-3-89500-038-6, S. 3f
  12. Walther und Wolf, Köln 2005, S. 150f
  13. de Hamel, München 2018, S. 386–437
  14. Christoph Eggenberger, Marlis Stähli: Der Rheinauer Psalter – Meisterwerk der Buchmalerei um 1260, Quaternio-Verlag, Luzern und Zentralbibliothek Zürich 2013, ISBN 978-3-905924-16-9
  15. Walther und Wolf, Köln 2005, S. 192f