Harald Schmid (Politikwissenschaftler)

Harald Schmid (2024)

Harald Schmid (* 1964 in Freudenstadt) ist ein deutscher Politikwissenschaftler und Zeithistoriker.

Leben

Beruflicher Werdegang

Schmid absolvierte zunächst eine Verlagsausbildung zum Druckformhersteller.[1] 1987 bis 1991 arbeitete er als freier Journalist für die Südwest-Presse (Redaktion Freudenstadt), die Rheinische Post (Redaktion Duisburg) und die Bergedorfer Zeitung. An der Universität-Gesamthochschule Duisburg und an der Universität Hamburg studierte er von 1988 bis 1995 Sozialwissenschaften, Politikwissenschaft und Geschichte. Seine Diplomarbeit schrieb er über Auschwitz und die Moderne. Deutungen zum Rationalitätsgehalt der nationalsozialistischen Massenvernichtung (1994). Von 1996 bis 1999 war er Promotionsstipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung. Er wurde 2001 an der Universität Hamburg zum Dr. phil. promoviert mit der Studie „Die Toten werden noch gebraucht“. Geschichtspolitik und Gedenktage – die Institutionalisierung des 9./10. November 1938 in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. (1999)[2]

Anschließend war Schmid zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung (Mitglied des Historikerteams der im November 2001 eröffneten Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 bis 1944“) und im Historisch-Technischen Museum Peenemünde. Er war in der politischen Erwachsenenbildung tätig (u. a. als Dozent an der Schweriner Akademie für Politik, Wirtschaft und Kultur in Mecklenburg-Vorpommern), als Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Hamburg und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er war Mitgründer und -gesellschafter der Agentur Clio&Co. Der Geschichtsservice (2007–2017).[3]

Seit 2011 arbeitet Schmid als Historiker bei der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten. In diesem Zusammenhang nimmt er auf Landes- und Bundesebene diverse Funktionen wissenschaftlicher Beratung und politischer Interessenvertretung wahr:

Zu seinen Forschungs- und Arbeitsschwerpunkten zählen Geschichtspolitik, Kulturen und Medien des Erinnerns, Gedenkstätten und Erinnerungsorte, regionale Zeitgeschichte und politischer Extremismus. Schmid ist als Autor, Herausgeber, Referent, Gutachter, Moderator und Kurator tätig. So hat er beispielsweise Konzeptionen und Projekte für Gedenkstätten und Erinnerungsorte federführend entwickelt:

  • 2011: Gedenkstätten zur Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein. Eine Entwicklungskonzeption[10][11]
  • 2015: Entwurf für das Landesgedenkstättenkonzept Schleswig-Holstein[12]
  • 2015: Konzept zur Weiterentwicklung der Erinnerungskultur für die Landeshauptstadt Kiel (mit Johannes Rosenplänter und Jens Rönnau)[13]
  • 2017: Kuratierung der Dauerausstellung im "Haus der Gegenwart" im Rahmen der Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing[14]
  • 2013–2027: Mitwirkung an der Neukonzeption der im November 2017 wiedereröffneten KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund (u. a. Projekt- und Ausstellungskonzept)[15]
  • 2020: Infolge einer von Schmid initiierten Petition des von ihm mitgegründeten Initiativkreises Gedenktag 8. Mai in Schleswig-Holstein hat der Schleswig-Holsteinische Landtag im Juni 2020 den 8. Mai 1945 als offiziellen Gedenktag etabliert.[16][17][18]

Schmid hat sich immer wieder auch publizistisch an aktuellen Debatten beteiligt: von der Goldhagen-Debatte über den Aufstieg der NPD bis hin zu Fragen der Erinnerungskultur und Geschichtspolitik.[19][20][21][22][23][24][25][26][27][28][29][30][31] Er zählt auch zu den Unterstützern der Bürgerinitiative Aktion 18. März, die sich für einen Nationalen Gedenktag zur Erinnerung an das herausragende demokratiegeschichtliche Datum der Märzrevolution von 1848 einsetzt.[32]

Ehrenamtliche Tätigkeit

Von 2001 bis 2004 war er Ehrenamtlicher Richter am Verwaltungsgericht Hamburg; von 2005 bis 2008 amtierte er als Hauptschöffe am Landgericht Hamburg. Schmid war von 2006 bis 2018 Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Politik und Geschichte in der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft.[33] Seit 2015 ist er Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein e.V.

Publikationen (Auswahl)

Schmid ist Mitgründer, Mitherausgeber und Redaktionsmitglied des seit 2010 erscheinenden Jahrbuchs für Politik und Geschichte. Von 2009 bis 2013 war er auch Mitherausgeber und Redaktionsmitglied des Jahrbuchs Demokratische Geschichte. Als Redakteur hat er den von 2012 bis 2020 zweimal jährlich veröffentlichten Newsletter Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein erstellt.[34]

Monografien

  • Erinnern an den "Tag der Schuld". Das Novemberpogrom von 1938 in der deutschen Geschichtspolitik (Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, Forum Zeitgeschichte, Band 11), Ergebnisse-Verlag, Hamburg 2001, ISBN 3-87916-062-7 (zugleich Dissertation, Universität Hamburg 1999)
  • Antifaschismus und Judenverfolgung. Die "Reichskristallnacht" als politischer Gedenktag in der DDR (Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung: Berichte und Studien, Band 43), V & R Unipress, Göttingen 2004, ISBN 3-89971-146-7
  • mit Peter Reichel: Von der Katastrophe zum Stolperstein. Hamburg und der Nationalsozialismus nach 1945 (Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg: Hamburger Zeitspuren, Band 4), Dölling und Galitz, München/Hamburg 2005, ISBN 3-937904-27-1
  • mit Henning Borggräfe und Hanne Leßau: Die Wahrnehmung der NS-Verbrechen und ihrer Opfer im Wandel (International Tracing Service, Bad Arolsen: Fundstücke, Band 3), Wallstein, Göttingen 2015, ISBN 3-8353-1744-X

Herausgeberschaften

  • mit Justyna Krzymianowska: Politische Erinnerung. Geschichte und kollektive Identität. Peter Reichel zum 65. Geburtstag, Königshausen & Neumann, Würzburg 2007, ISBN 3-8260-3656-5
  • mit Peter Reichel und Peter Steinbach: Der Nationalsozialismus – die zweite Geschichte. Überwindung – Deutung – Erinnerung, C.H Beck-Verlag, München 2009
  • Geschichtspolitik und kollektives Gedächtnis. Erinnerungskulturen in Theorie und Praxis (Formen der Erinnerung, Band 41), V & R Unipress, Göttingen 2009, ISBN 978-3-89971-575-0
  • Erinnerungskultur und Regionalgeschichte. Martin Meidenbauer, München 2009, ISBN 978-3-89975-169-7
  • mit Robert Bohn, Susanne Bohn, Uwe Danker, Sebastian Lehmann und Astrid Schwabe, Dirk Stegmann: Demokratische Geschichte, Jahrbuch für Schleswig-Holstein, Bände 20–23, 2009–2012
  • mit Janina Fuge und Rainer Hering: Das Gedächtnis von Stadt und Region. Geschichtsbilder in Norddeutschland (Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg: Hamburger Zeitspuren, Band 7), 2. Auflage, München, Hamburg, 2011
  • mit Janina Fuge und Rainer Hering: Gedächtnisräume. Geschichtsbilder und Erinnerungskulturen in Norddeutschland (Reihe Zeit + Geschichte der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Band 33) (Formen der Erinnerung, Band 56), V & R Unipress, Göttingen 2014, ISBN 3-8471-0243-5
  • mit Susanne Ehrlich, Nina Leonhard und Horst-Alfred Heinrich: Schwierige Erinnerung. Politikwissenschaft und Nationalsozialismus. Beiträge zur Kontroverse um Kontinuitäten nach 1945, Nomos, Baden-Baden 2015, ISBN 3-8487-1074-9
  • mit Claudia Fröhlich, Horst-Alfred Heinrich und Birgit Schwelling: Jahrbuch für Politik und Geschichte, Bände 1–7, Franz-Steiner-Verlag, Stuttgart, 2010–2019

Aufsätze, Essays, Interviews

Einzelnachweise

  1. Berufsbild zum Ausbildungsberuf: Druckformhersteller. In: www.berufsbilder-online.de. Abgerufen am 21. April 2024.
  2. Veröffentlicht unter dem Titel: Erinnern an den „Tag der Schuld“. Das Novemberpogrom von 1938 in der deutschen Geschichtspolitik, Hamburg 2001.
  3. Clio&Co. Der Geschichtsservice. Internet Archive, archiviert vom Original am 27. Mai 2007; abgerufen am 20. Mai 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.clioundco.de
  4. Verband der Gedenkstätten in Deutschland e. V. gegründet. Abgerufen am 13. Februar 2021.
  5. Andreas Ehresmann, Jonas Kühne, Harald Schmid: Sisyphos lässt grüßen. Von der Arbeitsgemeinschaft zum Bundesverband: Etappen bundesweiter Interessenvertretung der Gedenkstätten, in: Gedenkstättenrundbrief 210/2023, S. 148–153
  6. Harald Schmid: Die Mühen der Ebene. Zur Erinnerungskultur und Gedenkstättenpolitik. In: Deutscher Kulturrat (Hrsg.): Politik & Kultur. Band 2/21-01/22, S. 25.
  7. Peter Intelmann: Meckel und ein neues Forum für die Erinnerungskultur. Lübecker Nachrichten, 24. Januar 2019, abgerufen am 11. November 2019.
  8. Forum Erinnerungskultur Lübeck. Abgerufen am 21. Mai 2025.
  9. Streit um Gedenken an den 8. Mai – Quelle: https://www.shz.de/32165557 ©2021. Zeitungen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags, 7. Mai 2021, abgerufen am 30. Juni 2021.
  10. Matthias Hoenig: KZ-Gedenkstätten - Pflichtbesuch für jeden Schüler. Schleswig-Holsteins NS-Gedenkstätten sind in desolatem Zustand. Die FDP in Kiel fordert eine neue Erinnerungskultur in Schulen. In: Die Welt. 19. Januar 2012, abgerufen am 28. Juni 2025.
  11. Lina Sulzbacher: Verstaubte Orte des Gedenkens. Die Gedenkstätten in Schleswig-Holstein wurden lange vernachlässigt. Nun will eine Bürgerstiftung Bundesmittel zur Modernisierung beantragen. In: die tageszeitung. 12. Januar 2012, abgerufen am 28. Juni 2025.
  12. Ministerium für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein: Landeskonzept zur Förderung und Weiterentwicklung von Erinnerungsarbeit an historischen Lernorten zur Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Diktatur in Schleswig-Holstein. April 2015, abgerufen am 11. November 2019.
  13. Harald Schmid (mit Jens Rönnau und Johannes Rosenplänter): Kiel und der Nationalsozialismus Konzeption zur Weiterentwicklung der Erinnerungskultur. Oktober 2015, abgerufen am 11. November 2019.
  14. Thomas Steensen: Gegen das Vergessen. KZ-Gedenkstätte Schwesing neu eröffnet. In: Nordfriesland. 198, Juni 2017, S. 24 f.
  15. Raimo Alsen, Angelika Königseder (Hrsg.): Das KZ im Dorf. Geschichte und Nachgeschichte des Außenlagers Ladelund. Ausstellungskatalog. Metropol, Berlin 2017, ISBN 978-3-86331-374-6.
  16. Fraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und der Abgeordneten des SSW: Bekenntnis zum 8. Mai als nationaler Gedenktag. In: www.landtag.ltsh.de. Schleswig-Holsteinischer Landtag, 19. Juni 2020, abgerufen am 12. Juli 2025.
  17. Initiativkreis Gedenktag 8. Mai in Schleswig-Holstein. Abgerufen am 30. Oktober 2021.
  18. Als Beispiel für erfolgreiches zivilgesellschaftliches Engagement im Feld von Erinnerungskultur wurde der Petitionstext aufgenommen in das Lehrbuch: Buchners Kolleg Geschichte 12, Ausgabe Bayern, Hrsg.: Dieter Brückner, Michael Mayer, Hanne Singer, Bamberg 2024, S. 347.
  19. Harald Schmid: Vom „Henker“ zum „Wunderheiler“. Gerechtigkeit für Goldhagen?, in: Menora. Jahrbuch für deutsch-jüdische Geschichte 8/1997, S. 16–50
  20. Harald Schmid: Der andere Völkermord. Eine Erinnerung zum 60. Jahrestag von Himmlers „Auschwitz-Erlass“. In: Frankfurter Rundschau. 16. Dezember 2002.
  21. Harald Schmid: Der 27. Januar beginnt am 9. November. Novemberpogrom und Befreiung von Auschwitz – die politische Bedeutung zweier Gedenktage im Vergleich, in: Frankfurter Rundschau, 27.01.2003, S. 7
  22. Harald Schmid: Schock aus Hessen Vor 40 Jahren Im November 1966 begann der Einzug der neugegründeten NPD in sieben Landtage. In: Freitag - Die Ost-West-Wochenzeitung. 10. November 2006, abgerufen am 20. November 2019.
  23. Harald Schmid: Antizionistischer Antifaschismus Wie antisemitisch war die DDR? Über die Erst- und Letzt-Begründung des anderen deutschen Staates. In: Freitag - die Ost-West-Wochenzeitung. 8. Juni 2007, abgerufen am 20. November 2019.
  24. Harald Schmid: Kommodes Gedenken. Die Erinnerungskultur des vereinten Deutschlands. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. Band 53, Nr. 11, 2008, S. 41–50.
  25. Harald Schmid, Detlef Garbe, Martin Krieger, Olaf Mörke, Karl-Heinrich-Pohl: Stellungnahme zum Konzept des Deutschen Marinebundes zur Neugestaltung der Historischen Halle des Marine-Ehrenmals in Laboe. Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, Nr. 52/53, 2010/11. In: https://www.akens.org. Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein, abgerufen am 12. Juli 2025.
  26. Harald Schmid: "Islamophobe sind verbreiteter als Islamisten" (Interview mit Maria Sterkl). In: Der Standard. 27. Juni 2011, abgerufen am 20. Mai 2020.
  27. Harald Schmid: Mehr Gegenwart in die Gedenkstätten! Erinnerungsorte in Zeiten des Memory-Drains und der Entpolitisierung. In: Gedenkstätten-Rundbrief. 2015, abgerufen am 20. November 2019.
  28. Harald Schmid: Doppelte "Vergangenheitsbewältigung" in Deutschland (Interview). In: 8. Mai 1945: Ende des Zweiten Weltkriegs. Deutschlandfunk Nova, 1. Mai 2020, abgerufen am 20. Mai 2020.
  29. Harald Schmid: Befreiung oder Niederlage? 75 Jahre Kriegsende. In: Bundeskanzler Willy-Brandt-Stiftung. 8. Mai 2020, abgerufen am 20. Mai 2020.
  30. Harald Schmid: „Vergleich völlig inakzeptabel“ Sachsens Gedenkstätten-Chef vergleicht die Stuttgarter Krawalle mit der „Reichskristallnacht“. NS-Forscher Harald Schmid fordert seinen Rücktritt (Interview). In: die tageszeitung. 7. Juli 2020, abgerufen am 10. Juli 2020.
  31. "Viele von uns waren entsetzt". Historiker Harald Schmid über ein verfehltes Konzept von Claudia Roth und einen Runden Tisch mit Gedenkstättenleitern im Kanzleramt. In: Jüdische Allgemeine. 5. Juni 2024 (juedische-allgemeine.de).
  32. Unterstützerinnen und Unterstützer der Aktion 18. März. In: https://www.maerzrevolution.de/die-aktion-18-maerz.html. Aktion 18. März, 28. April 2023, abgerufen am 12. Juli 2025.
  33. Arbeitskreis "Politik und Geschichte" in der DVPW. In: Internet Archive. 11. August 2011, archiviert vom Original am 10. August 2011; abgerufen am 15. März 2025.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uni-stuttgart.de
  34. Newsletter Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein. Abgerufen am 13. Februar 2021.