Hans Rosbaud
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Hans Rosbaud (* 22. Juli 1895 in Graz, Österreich-Ungarn; † 29. Dezember 1962 in Lugano, Schweiz) war ein österreichischer Dirigent, Komponist und Pianist.
Leben
Hans Rosbaud stammte aus einer Musikerfamilie. Der Chemiker und Spion Paul Rosbaud war sein jüngerer Bruder. Seine Mutter, eine geschätzte Pianistin, erteilte ihm schon sehr früh Klavierunterricht. Später studierte er Komposition bei Bernhard Sekles und Klavier bei Alfred Hoehn an Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt am Main. 1920 berief man ihn als Direktor an die Städtische Musikschule nach Mainz, bis er im Herbst 1929 erster Kapellmeister des neu gegründeten Frankfurter Rundfunk-Symphonie-Orchesters wurde. 1937 erhielt er einen Ruf nach Münster, wo er insgesamt vier Jahre als Generalmusikdirektor wirkte. Trotzdem leitete er noch 1938 in Frankfurt Konzerte und nahm im Februar Leopold von Schenkendorffs Hymne Gott segne unsern Führer mit dem Chor und Orchester des Frankfurter Rundfunks auf.[1] Rosbaud stand 1944 in der Gottbegnadeten-Liste des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda.[2]

Im Anschluss an eine dreijährige Zeit an der Spitze der Straßburger Philharmoniker im besetzten Frankreich waren nach dem Krieg die Münchner Philharmoniker, das neugegründete Sinfonie-Orchester Baden-Baden und das Tonhalle-Orchester Zürich weitere Stationen des Dirigenten. Nach 1950 war Hans Rosbaud als Leiter des Sinfonieorchesters des Südwestfunks maßgeblich am Neubeginn der Donaueschinger Musiktage beteiligt. 1951, 1955, 1957, 1960 und 1962 wirkte er als Dirigent bei den Weltmusiktagen der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (ISCM World Music Days).[3][4] Er machte sich 1954 um die konzertante und 1957 bei den Weltmusiktagen in Zürich um die szenische Uraufführung von Schönbergs Oper Moses und Aron verdient.[5] 1955 brachte er, ebenfalls an den Weltmusiktagen der ISCM, Pierre Boulez’ Le marteau sans maître in Baden-Baden mit Solisten des SWF-Symphonieorchesters zur Uraufführung.
Rosbaud war der erste große „Radio-Dirigent“. Er verstand es schon 1929 in Frankfurt, in politisch zunehmend schwierigen Zeiten, alle Chancen des neuen Mediums zu nutzen. Neben den ausgewiesenen hohen künstlerischen Qualitäten war er auch pädagogisch engagiert. So erklärte er den Radiohörern etwa die Instrumente und versuchte immer wieder, zeitgenössische Musik „sendefähig“ aufzubereiten. Uraufführungen von Hindemith, Krenek, Mieg, Penderecki, Strawinski, Veerhoff und Schönberg gehörten für ihn zu seiner Zeit ebenso zur täglichen Arbeit wie die Aufführung von Werken der Vergangenheit. Bemerkenswert war Rosbauds Zusammenarbeit mit Arnold Schönberg, aber ebenso seine Anpassungsfähigkeit an die neuen Umstände in der Zeit des Nationalsozialismus.[6]
Der Nachlass von Hans Rosbaud findet sich in der Washington State University in Pullman.[7]
Schallplattenaufnahmen
Obwohl Hans Rosbaud zeitlebens viele Rundfunkaufnahmen sowie auch einige kommerzielle Produktionen dirigierte, war sein Name nur selten auf Schallplatten (und dann später auf CDs) zu finden. Seine Aufnahmen entstammen fast alle der Mono-Ära. Auch wurden Aufnahmen der jeweiligen Rundfunkorchester meist nur im jeweiligen Sendebereich gesendet und gelegentlich im Bereich der ARD ausgetauscht, aber auf Tonträgern erschienen nur wenige. Die Rundfunkanstalten produzierten noch lange ausschließlich in Mono und waren für die damals neuartige Stereophonie wegen der strengen Monokompatibilitäts-Vorgaben nicht zu interessieren. Einige der Rundfunkproduktionen werden digital restauriert auf CD angeboten.
Ehrungen
1952 erhielt Rosbaud die Schönberg-Medaille,[8] 1960 wurde er zum Ehrenmitglied der International Society for Contemporary Music ISCM gewählt.[9] 1961 erhielt er die Hans-Georg-Nägeli-Medaille der Stadt Zürich.[8] Das 1950 errichtete Konzert- und Sendestudio 5 in Baden-Baden, die Heimat des SWF-Sinfonieorchesters, wurde nach Rosbauds Tod in Hans-Rosbaud-Studio umbenannt.
Werke
- Klaviertrio (Novelletten)
- Konzertstück für Basstuba und Orchester (1936)
- Konzertstück für Violine und Orchester (1918)
- Ouvertüre zu Grillparzers Des Meeres und der Liebe Wellen (1916)
- Sechs Lieder für Gesang und Klavier
- Dämmernd liegt der Sommerabend
- Mein Liebchen, wir fuhren zusammen
- Meiner schlafenden Zuleima
- Litt einst ein Fähnlein (Kleine Geschichte)
- Einladung zum Schlaf
- Heil dir, du treue Magd
- Serenade für Streichtrio
- Thema mit Variationen für Holzbläser-Quintett
Literatur
- Paul Suter: Hans Rosbaud. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 3, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 1523 f.
- Walter Reitz: Porträtskizzen Schweizerischer Tonkünstler. In: Schweizer Illustrierte, Bd. 24, 1920, S. 399–407.
- Joan Evans: Hans Rosbaud: A Bio-Bibliography. Foreword by Pierre Boulez, New York / Westport, Connecticut / London: Greenwood Press 1992, 298 Seiten
- Joan Evans: Im Zeichen von Hans Rosbaud 1948–1962, in: Jürg Stenzl (Hg.): Orchester Kultur. Variationen über ein halbes Jahrhundert. Aus Anlaß des 50. Geburtstages des SWF-Sinfonierorchesters, Stuttgart / Weimar: J. B. Metzler 1996, 17–26
- Klaus Schweizer: Hans Rosbaud: der 'getreue Korrepetitor' und sein CD-Erbe, in: Jürg Stenzl (Hg.): Orchester Kultur. Variationen über ein halbes Jahrhundert. Aus Anlaß des 50. Geburtstages des SWF-Sinfonierorchesters, Stuttgart / Weimar: J. B. Metzler 1996, 61–69
- Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. CD-ROM-Lexikon, Kiel 2009, 2. Auflage, S. 6232–6238 (online).
Weblinks
- Werke von und über Hans Rosbaud im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hans Rosbaud bei Discogs
- Hans Rosbaud bei AllMusic (englisch)
- Nachlass von Hans Rosbaud in den Washington State University Libraries, mit einem ausführlichen Lebenslauf (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, 2. Edition, Kiel 2009, S. 6235.
- ↑ Rosbaud, Hans. In: Theodor Kellenter: Die Gottbegnadeten : Hitlers Liste unersetzbarer Künstler. Kiel: Arndt, 2020, ISBN 978-3-88741-290-6, S. 424f.
- ↑ Programme der ISCM World Music Days von 1922 bis heute
- ↑ Anton Haefeli: Die Internationale Gesellschaft für Neue Musik – Ihre Geschichte von 1922 bis zur Gegenwart. Zürich 1982, S. 480ff
- ↑ Arnold Schönberg Center ( vom 20. Februar 2001 im Internet Archive)
- ↑ Michael Kater: Die mißbrauchte Muse. Piper, München 2000, ISBN 3-492-23097-0.
- ↑ Hans Rosbaud Papers 1899–1973, abgerufen am 8. September 2025.
- ↑ a b Paul Suter: Hans Rosbaud. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 3, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 1523 f.
- ↑ ISCM Honorary Members, abgerufen am 8. September 2025.
