Hélène Campinchi

Hélène Campinchi 1920

Hélène Campinchi (geboren als Lasthénie Blanche Hélène Landry am 10. Mai 1898[1] in Paris; gestorben am 19. Februar 1962 in Saint-Mandé) war eine französische Anwältin, Beamtin und Widerstandskämpferin.

Leben

Familie

Hélène Landry war die Tochter von Adolphe Landry, einem französischen Politiker, der verschiedene Ministerämter bekleidete.[2] Marguerite Pichon-Landry, Marie Long-Landry und Lasthénie Thuillier-Landry waren ihre Tanten und Olivier Long ein Cousin. Sie war die Älteste von drei Geschwistern und heiratete 1925 den späteren Minister César Campinchi.[3]

Ausbildung und Laufbahn

1920 erwarb sie einen Abschluss in Philosophie (licence de philosophie) und einen Abschluss in Rechtswissenschaften (licence de droit). Im Jahr darauf wurde sie Anwältin am Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht) und trat der Pariser Anwaltskammer bei.[2]

Hélène Landry trat 1920 als stellvertretende Leiterin des Zivilkabinetts in das Kabinett des Marineministers, ihres Vaters, ein. Sie war damit die erste Frau, die einen Posten in einem Ministerkabinett bekleidete.[2] Sie folgte ihrem Vater, als er 1924 zum Minister für öffentliche Bildung ernannt wurde.[A 1][2] 1930 wurde sie Referentin im Arbeitsministerium, das ihr Vater ab 1931 als Minister leitete.[4]

Abgesehen von der Zeit zwischen Januar und März 1938, als César Campinchi, ihr Ehemann, als Justizminister tätig war, übte er von 1937 bis 1940 das Amt des Marineministers aus, und Hélène Campinchi war in diesen beiden Ministerien als Beauftragte tätig.[4]

Als Beauftragte von François de Menthon leitet sie die Kommission, die die Verordnung vom 2. Februar 1945[5] über die straffällige Kindheit verfasste, und setzte damit den Entschließungsantrag ihres Mannes über die straffällige Kindheit aus dem Jahr 1937 in die Tat um.[2] Sie wollte, dass diese Reform das Fachwissen der Richter erhöht, die Wiedereingliederung von Jugendlichen erleichtert und den Sozialarbeitern eine größere Rolle zuweist.[6] In den Diskussionen um den Zugang von Frauen zu Richterämtern setzte sie sich mit den Abgeordneten Edouard Dupreux[7] und Germaine Poinso-Chapuis für einen gleichberechtigten Zugang von Frauen zum Beruf ein. Ihre Rolle bei François de Menthon ermöglichte es ihr, Stellen für Richterinnen an den Jugendgerichten zu schaffen und diese Gerichte im Rahmen der Verordnung vom 2. Februar 1945 zu modernisieren.[8]

Sie war Verwaltungsrätin in mehreren Kinderschutzvereinen (Service social de l’enfance, La Tutélaire, Union des sociétés de patronage) und setzte diese Funktionen auch nach dem Krieg fort.[2] 1951 gehörte sie zusammen mit Marcelle Kraemer-Bach und Marie-Hélène Lefaucheux zu einer französischen Delegation bei den Vereinten Nationen.[2][9]

Zweiter Weltkrieg

Am 16. Juni 1940 flüchten Hélène Campinchi und ihr Mann César an Bord der Massilia nach Algerien. Sie lebten in Casablanca und später in Algier unter Hausarrest, bevor sie nach Marseille zurückgebracht wurden, wo ihr Mann 1941 an einer Leberoperation starb.[2][10] Danach schloss sie sich mit Pierre Mazé[11] und seiner Radikalsozialistischen Partei sowie der zivilen als auch der militärischen Organisation der Résistance an. Sie spielte eine wichtige Rolle bei der Verteidigung der Angeklagten während des Prozesses in Riom. Im Juli 1944 wurde sie von der Gestapo verhaftet und im Gefängnis Fresnes inhaftiert. Ihre Rettung verdankte sie dem Vorrücken der alliierten Truppen.[4]

Politische Karriere

Hélène Campinchi trat als Gemeinderätin von Sari-d’Orcino[12] und später als Vizepräsidentin des Generalrats von Korsika[A 2] von 1945 bis 1955 in die Politik ein.[2] Sie war Mitglied des Vorstands des Rassemblement des femmes républicaines, das dem Rassemblement des gauches républicaines angehörte und 1948 Vizepräsidentin der Parti républicain, radical et radical-socialiste.[2] Sie war Vizepräsidentin des Nationalrats der radikalen Frauen (Conseil national des femmes Radicales).[13] Außerdem hielt sie durch Vorträge über die Lafarge-Affäre Kontakt zu den Korsen der Alliance française in Tunis.[14]

Ehrungen

Commons: Hélène Campinchi – Sammlung von Bildern

Anmerkungen

  1. Adolphe Landry war allerdings nur 3 Tage im Amt.
  2. Ihr Vater Adolphe war zwischen 1919 und 1938 mehrfach Präsident dieses Rats; zu seiner Funktion siehe weiterführend Conseil général de la Corse in der frankophonen Wikipédia.

Einzelnachweise

  1. 1888 Naissances 22/31. In: Archives Paris. Abgerufen am 10. Juli 2025 (französisch).
  2. a b c d e f g h i j k Sylvain Cid: CAMPINCHI Hélène (1898–1962). In: Enfants en justice. Abgerufen am 10. Juli 2025 (französisch).
  3. César, Sampiero, Auguste, Napoléon, Jérôme Campinchi. In: Assemblée nationale – Biographie. Abgerufen am 11. Juli 2025 (französisch).
  4. a b c Gaston Monnerville: Monnerville, Gaston, « Éloge de César Campinchi et Hélène Campinchi-Landry ». (PDF; 1,5 MB) In: La Gazette du Palais. 5. September 1978, abgerufen am 10. Juli 2025 (französisch).
  5. Ordonnance n° 45-174 du 2 février 1945 relative à l’enfance délinquante. In: Légifrance. Abgerufen am 10. Juli 2025 (französisch).
  6. HÉLÈNE CAMPINGHI: La réforme des tribunaux pour enfants. In: Le Monde. 9. Februar 1945, abgerufen am 10. Juli 2025 (französisch).
  7. Edouard, Gustave, Hector Depreux. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 10. Juli 2025 (französisch).
  8. Sara L. Kimble: No Right to Judge: Feminism and the Judiciary in Third Republic France. In: French Historical Studies. 2008, doi:10.1215/00161071-2008-008.
  9. De-ci, de-là. In: Le Mouvement féministe. 1. Dezember 1951, abgerufen am 10. Juli 2025 (französisch).
  10. Hélène Chaubin: César Campinchi. In: Musée de la R´sistance en ligne. Abgerufen am 11. Juli 2025 (französisch).
  11. Pierre, Marie Mazé. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 11. Juli 2025 (französisch).
  12. Hélène Chaubin: Femmes dans la Résistance méditerranéenne. In: Résistances et Libérations France 1940–1945. 1995, doi:10.4000/clio.514.
  13. L'Action radicale socialiste vom 23. März 1946 auf Gallica
  14. Tunisie-France vom 13. Juni 1949; „Le procès de Mme Lafarge“ und „Les Corses de Tunis reçoivent Madame Campinchi“ auf Gallica