Grenzüberschreitender Straßenbahnverkehr

Grenzüberschreitender Straßenbahnverkehr über Staatsgrenzen hinweg bestehen und bestanden vornehmlich in Zentraleuropa. Weltweit verkehren derzeit nur Straßenbahnen über die Grenzen der drei Länder Deutschland, Frankreich und der Schweiz – in vier Städten: in Genf (CH/FR), Basel (CH/FR – CH/DE), Straßburg (DE/FR) und Saarbrücken (DE/FR), wobei letztere als Stadtbahn (Eisenbahn) geführt wird.[1] Die heutigen Linien sind meist erst in jüngerer Zeit entstanden, knüpfen aber an frühere Gebietserschließungen an.

Staatsgrenzen querende Strecken gab es in der Geschichte mehrfach und bereits vor 1900. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden die Verbindungen aus der Schweiz in das Elsass und nach Südbaden eingestellt und erst 1947 wiedereröffnet. Ab jenem Jahr waren die Verkehre zum Teil gebrochen, in Saint-Louis und Lörrach wurde nur ein Inselbetrieb aufrechterhalten. An der Grenze nach Huningue mussten die Fahrgäste den Wagen verlassen, der vom Zoll nach Schmuggelwaren durchsucht wurde.[1]

Liste

(ehemalige Straßenbahnen in Kursivschrift)

Beteiligte Staaten Straßenbahnbetrieb Spurweite Bestands-
zeitraum
Sonstiges
Schweiz – Frankreich Straßenbahn Genf 1000 mm 188x–196x
2019–
Ende des 19. Jahrhunderts wurden in der Region Genf beidseits der Staatsgrenzen Tramschienen verlegt; Ende der 1960er-Jahre blieb nur noch ein Stück in der Stadt Genf übrig.
Im Jahr 2019 wurde die Strecke der Strassenbahn Genf über die Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz hinweg in die französische Stadt Annemasse wiedereröffnet. Im 2026 erfolgt eine Neuerschließung nach Saint-Julien-en-Genevois.
Straßenbahn Basel
(mit Birsigtalbahn)
1000 mm 1900–1957
2017–
Im Jahr 1900 wurde eine Straßenbahnstrecke von Basel nach Sankt Ludwig, dem heutigen Saint-Louis, eröffnet. Im Jahr 1957 wurde sie auf Busbetrieb umgestellt.
Aufgrund von notwendigen umfangreichen Arbeiten an einer Eisenbahnbrücke wurde sie noch nicht wiedereröffnet, jedoch im Jahr 2017 eine Linie über Burgfelden.[2]
Die ehemalige Birsigtalbahn, die heutige Linie 10, wurde 1984 ins Basler Straßenbahnnetz integriert und führt durch Leymen, das auf französischem Staatsgebiet liegt.[3]
Bis 1961 bestand eine weitere Linie nach Huningue (bis 1945 deutsch, seither französisch) – siehe unter Schweiz – Deutschland.
Schweiz – Deutschland Straßenbahn Basel 1000 mm 1910–1961
1919–1967
2014–
Straßenbahn Basel: 1910 eröffnete eine Linie nach Hüningen (Huningue – seit 1945 wieder zu Frankreich gehörend), ebenfalls im seinerzeit deutschen Reichsland Elsaß-Lothringen gelegen. Im Jahr 1961 wurde sie auf Busbetrieb umgestellt – heutiger Verkehr durch Distribus.[4]

Von 1919 bis 1967 gab es eine weitere grenzüberschreitende Linie nach Lörrach.[5] Diese wurde aber nur von 1926 bis 1938 durchgehend im Linienbetrieb befahren, ansonsten mussten die Fahrgäste die Grenze zu Fuß überqueren und in ein anderes Fahrzeug einsteigen. Die Fahrzeuge überquerten aber zur Wartung in Basel die Grenze.
2014 begann der grenzüberschreitende Betrieb der Strassenbahn Basel nach Weil am Rhein.

Straßenbahn Lörrach 1000 mm 1926–1938 Die einzige Linie der Straßenbahn Lörrach, ursprünglich ein Teil des Basler Straßenbahnnetzes, verkehrte zwischen 1926 und 1938 durchgehend zwischen Deutschland und der Schweiz. Vor 1926 und nach 1938 mussten die Fahrgäste aber an der Grenze aussteigen und die Kontrollstellen zu Fuß passieren.
Die Verlängerung der Basler Tramlinie von Riehen nach Lörrach wird intensiv diskutiert – auf leicht geänderter Streckenführung (unterhalb und nicht durch das Stadtzentrum), wurde aber bisher aufgrund der bestehenden Wiesentalbahn noch nicht umgesetzt.
Frankreich – Deutschland Straßenbahn Straßburg 1435 mm 2017– Seit 2017 verkehren französische Züge der Straßenbahn Straßburg über den Rhein in den deutschen Grenzort Kehl. Vorgänger war eine 1898 eröffnete Dampfstraßenbahn, die schon nach wenigen Monaten elektrifiziert wurde. Da sie nur bis 1918 und später von 1942 bis 1944 verkehrte, überquerte sie nie die deutsch-französische Grenze.
Straßenbahn Saarlouis 1435 mm 1925–1961 Die Straßenbahn Saarlouis betrieb zwischen 1925 und 1961 eine Strecke nach Creutzwald im französischen Lothringen. Sie war als Kleinbahn konzessioniert, diente vor allem dem Bergarbeiterverkehr zur Kohlengrube „La Houve“ und wurde als Linie 9 bezeichnet.[6]
Deutschland – Niederlande
Deutschland – Belgien
Straßenbahn Aachen 1000 mm 1889–1939
1889–1944
Am 6. November 1889 wurde, noch als Pferdebahn, die erste internationale Strecke der Straßenbahn Aachen in die niederländische Gemeinde Vaals eröffnet. Sie wurde mit Kriegsausbruch 1939 eingestellt. 1919 kamen die Kreise Eupen und Malmedy infolge des Versailler Vertrags an Belgien. Die Strecken der Aachener Straßenbahn im Kreis Eupen mussten 1923 an die belgische SNCV abgegeben werden, lediglich die Strecke von Aachen in das nunmehr belgische Altenberg, die keine Verbindung mit dem restlichen Eupener Netz hatte, blieb bei der Aachener Straßenbahn und wurde von ihr grenzüberschreitend bis zur kriegsbedingten Einstellung 1944 betrieben. Zwischen 1940 und 1944 übernahm die Aachener Straßenbahn wieder alle Strecken des Eupener Netzes.

Die 1902 errichtete Strecke der Aachener Straßenbahn nach Merkstein führte bis zu ihrer Einstellung 1959 über die Neustraße/Nieuwstraat, die auf etwa zwei Kilometern die Grenze zwischen dem deutschen Herzogenrath und dem niederländischen Kerkrade bildet. Zwar verliefen die Schienen entlang der Grenzlinie auf deutscher Seite, da ein Ein- und Ausstieg auch auf niederländischer Seite möglich war, wurden die Bahnen am Beginn und Ende des Abschnitts Zollkontrollen unterzogen.[7] Diese entfielen, als nach dem Ersten Weltkrieg ein Grenzzaun entlang der Neustraße gezogen wurde und der Fahrgastwechsel nur noch auf deutscher Seite möglich war.

Tschechoslowakei – Polen Straßenbahn Teschen 1000 mm 1920–1921 Die 1911 eröffnete Straßenbahn Cieszyn fuhr ab 1920 über die Grenze zwischen Polen und der Tschechoslowakei, nachdem die zuvor zu Österreich gehörende Stadt Cieszyn (deutsch: Teschen) nach dem Ersten Weltkrieg zwischen den beiden neu entstandenen Staaten aufgeteilt worden war. Die Behinderungen durch die neuen Zollkontrollen und Unstimmigkeiten bei der Aufteilung der Betriebskosten zwischen dem polnischen Cieszyn und Český Těšín führten jedoch bereits 1921 zur Einstellung des Betriebs.
Deutschland - Polen Straßenbahn im oberschlesischen Industriegebiet 785/1435 mm ab 1922 Ein Sonderfall waren die grenzüberschreitenden Strecken der Straßenbahn im oberschlesischen Industriegebiet. Zwischen 1922 und 1939 wurden mehrere Linien dieses großen Netzes durch die damalige deutsch-polnische Grenze durchschnitten. Ein grenzüberschreitender Betrieb zwischen den deutschen und polnischen Betreibern fand nicht auf allen Strecken statt bzw. wurde in den Jahren nach 1922 schrittweise eingestellt. Die meisten dieser Strecken existieren heute noch, sind aber durch den Übergang der deutschen Ostgebiete an Polen keine grenzüberschreitenden Strecken mehr.
USA – Mexiko Straßenbahn El Paso („International Tram“) 1435 mm späte 1890er - 1973 Die Straßenbahn El Paso in den USA hatte bis 1973 eine grenzüberschreitende Straßenbahnlinie in die mexikanische Nachbarstadt Ciudad Juárez.[8]
USA - Kanada Straßenbahn Calais–Saint Stephen 1435 mm 1894–1929

Sonderfälle

Ein Wagen der Roten Elektrischen (1909)

Aktuelle Strecken

Straßenbahnen

Tram-trains

In weiteren Städten besteht zudem die Möglichkeit in einen Straßenbahnwagen einzusteigen, der im weiteren Verlauf ins Eisenbahnnetz übergeht (Tram-train) und anschließend eine Staatsgrenze überquert:

Projekte

Weitere Planungen von Staatsgrenzen überquerenden Straßenbahnstrecken existieren. Nach dem Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums, zu dem auch die Schweiz gehört, sind derartige Projekte heute leichter zu realisieren. So wurde eine Verbindung über die Oder hinweg zwischen Frankfurt und dem polnischen Słubice erwogen. Mit den Arbeiten an einer Strecke von Hasselt in Belgien nach Maastricht in den Niederlanden wurde bereits begonnen.

Weitere erwogene oder absehbare Projekte sind unter anderem:

  • Die belgische Kusttram soll beidseitig nach Frankreich und in die Niederlande verlängert werden,
  • von Basel aus ist eine Strecke in das französische Huningue projektiert
  • und die Straßenbahn Görlitz soll eine Verbindung nach Zgorzelec (Polen) erhalten.[1]

Einzelnachweise

  1. a b c Über die Grenze in: Straßenbahn Magazin 7/2021, S. 16 ff.
  2. Geschichte – Basler Verkehrs-Betriebe. Abgerufen am 16. Juli 2024 (deutsch).
  3. Liniennetz – Basler Verkehrs-Betriebe. Abgerufen am 18. Juli 2024 (deutsch).
  4. Geschichte – Basler Verkehrs-Betriebe. Abgerufen am 16. Juli 2024 (deutsch).
  5. Peter Schenk: Horrende Kosten: Aus der Traum für ein Tram nach Lörrach. 1. November 2023, abgerufen am 16. Juli 2024.
  6. Heike Theobald: Die historische Linie 9 wird mit Leben gefüllt, Saarbrücker Zeitung, 28. November 2011
  7. Reiner Bimmermann: Aachener Straßenbahn. Band 1: Geschichte. Schweers+Wall, Aachen 1999, ISBN 3-89494-116-2, S. 62
  8. PCC-Revival in der Wüste in: Straßenbahn Magazin 7/2019, S. 34 ff.
  9. Wolfgang Kramer, Sigurd Hilkenbach, Claude Jeanmaire: Die Strassenbahnlinien im westlichen Teil Berlins. Erster Teil: Linien 1–54. Verlag Eisenbahn, Villigen AG 1986, ISBN 3-85649-046-9.