Grabanlage des Moritz von Nassau-Siegen

Die Grabanlage des Moritz von Nassau-Siegen, kurz Moritzgrab, ist ein Kenotaph in Bedburg-Hau, Kreis Kleve, das an den Fürsten Johann Moritz von Nassau-Siegen erinnert.
Baubeschreibung, Geschichte und Bedeutung
Das Grabmal wurde im Sommer 1678, gut ein Jahr vor dem Tod des schwer erkrankten Fürsten, errichtet und besteht aus einem gusseisernen Sarkophag und einer axial davor erbauten Exedra.
Der aus Platten zusammengesetzte, 2,82 m lange, 1,55 m breite und 2,20 m hohe Sarkophag wurde bereits 1663 von Hermann Pithan in Siegen gegossen. Die Reliefs auf dem Sarkophag sind mit Wappen, Trophäen und Inschriften verziert, darunter auch mit dem Wahlspruch Qua patet orbis („Soweit der Erdkreis reicht“). Der Deckel des Sarkophags mit Fürstenwappen, Gussdatum und Malteserkreuz als Zeichen des Johanniterordens, dessen Ballei Brandenburg der Fürst seit 1652 als Herrenmeister geleitet und gefördert hatte, ist ostentativ an einer Seite der Anlage aufrecht aufgestellt. Legenden zufolge wurden der Leichnam oder wenigstens das Herz des Fürsten in der Tumba bestattet.[1] Tatsächlich aber hatte Johann Moritz seinen ursprünglichen Plan, sich in dem Sarkophag in freier Landschaft bestatten zu lassen, kurz vor seinem Tod aufgegeben. Seine Bestimmung vom 30. September 1678, die die landschaftliche Bestattung noch vorgesehen hatte, hatte er mit letztwilliger Verfügung vom 24. November 1679 wieder aufgehoben.[2] Entsprechend überführten seine Bediensteten den ungeöffneten Leichnam, den sie gemäß Testament in einen von einem Holzsarg umschlossenen Bleisarg gelegt hatten, in die 1669 von Maurits Post errichtete Fürstengruft des Hauses Nassau-Siegen, in das Untere Schloss von Siegen.
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Die Exedra ist in Backstein gemauert. Ihre Front besteht aus 16 in Tuff und Konglomerat gemauerten Pilastern, auf denen 16 gusseiserne Kratere stehen. Mit Ausnahme der Mittelachse, die die Blickbeziehung auf den Sarkophag freihält, sind die Räume zwischen den Pfeilern als Nischen bzw. mit Korbbögen vermauert, wobei die Nischen 4 und 11 als von Kämpferlinien geteilte Arkaden einen Durchgang ermöglichen. In den Nischen waren originale römische Antiquitäten aus der Kunstkammer des Fürsten als Spolien eingemauert, von Johann Moritz gesammelte römische Altar- und Inschriftensteine, Aschekrüge, Lampen und allerlei Kriegsgerätschaften. Der preußische Kammerpräsident Julius Ernst von Buggenhagen ließ die Altertümer im Jahr 1792, als sie durch Witterung, 1702 datierende Verwüstungen der französischen Armee[3] und den Abtransport einiger Antiken in die Sammlung Friedrichs I.[4] schon erheblich beschädigt bzw. dezimiert waren, wieder in die Schwanenburg verbringen,[5] wo später eine neue Antiquitätenkammer entstand. Im Zuge einer Restaurierung wurde die Exedra 1979 durch Einmauerung von Kopien wieder vervollständigt.
Außer Keramiken und Inschriften zeigt das Halbrund von links nach rechts in den Nischen:
- Nische 1: Weihestein für die Kapitolinische Trias
- Nische 2: Grabstele des Marcus Caelius
- Nische 3: Weihestein für Jupiter Conservator
- Nische 5: Grabstele für Marcinus aus der Hilfstruppe der Breuker
- Nische 8: Grabstein des treverischen Reiters Silvanus und seiner Schwester Prima
- Nische 12: Grabstein eines Soldaten
Nach Familienlegende und Selbstverständnis glaubte der Fürst an einen römischen Ursprung seines Geschlechts. Durch Bezug auf die römischen Antiquitäten und die damit verehrten antiken Götter und Helden stilisierte er sich in einem Geschichtsmythos als neuen Heros. Als Memoria verweist das heute denkmalgeschützte Grabmal auf ein herrscherliches Geschichtsbewusstsein des Barock und die Rezeption der Antike in dieser Zeit. Ferner ist es ein Beispiel für die Ausstrahlung des holländischen Klassizismus und Palladianismus auf den nordwestdeutschen Raum. In seiner landschaftlichen Einbettung reflektiert das Grabmal den Arkadienmythos, wie er etwa in dem zeitgenössischen Gemälde Et in Arcadia Ego von Nicolas Poussin zum Ausdruck kam. Friedrich II. von Preußen regte dieses Vorbild zu seiner eigenen Bestattung in einer Grabstelle auf einer Terrasse von Schloss Sanssouci an.
Die Denkmalanlage ist Teil von großräumig konzipierten Anlagen einer barocken Landschaftsgestaltung. Als klevisch-märkisch-ravensbergischer Statthalter des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm ließ Johann Moritz von Nassau-Siegen nach seiner Tätigkeit als Gouverneur von Niederländisch-Brasilien die Landschaft um Kleve von seinem Architekten Jacob van Campen gartenkünstlerisch nach Konzepten des Jagdparks und Barockgartens umgestalten und besondere Punkte der Landschaft mit malerischen Staffagen ausstatten. Am Ende einer Allee, die ihrerseits westliches Glied einer Patte d’oie ist, entstand als Fortsetzung dieser Landschaftsgestaltung im Waldrand des Papenberges im Bedburg-Hauer Ortsteil Berg und Tal (Bergendael) die Grabmalanlage. In der Nähe lag die Eremitage des Fürsten.[6] Nach früheren Ideen war das Kenotaph zunächst für den „Ruheberg“ am „Amphitheater“ vorgesehen gewesen.
Literatur
- Paul Clemen: Die Kunstdenkmäler des Kreises Kleve (= Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Band 1, IV). Verlag von L. Schwann, Düsseldorf 1892, S. 543 (Digitalisat).
- Wilhelm A. Diedenhofen: Klevische Gartenlust. Gartenkunst und Badebauten in Kleve. Städtisches Museum Haus Koekkoek, Kleve 1994, S. 62 f.
- Jens Voss: Heros im Garten. Zum theoretischen Hintergrund der Gartenkunst von Johann Moritz von Nassau-Siegen. In: An den Wassern zu Kleve. Studien und Beiträge zur Garten- und Badegeschichte Kleves. Ausstellungskatalog, Kleve 2004, S. 11–21.
- Peter Hilger: Bergendael. Eremitage und Grabmal des Fürsten Johann Moritz von Nassau-Siegen. In: An den Wassern zu Kleve. Studien und Beiträge zur Garten- und Badegeschichte Kleves. Ausstellungskatalog, Kleve 2004, S. 23–39.
- Wilhelm A. Diedenhofen: Gärten und Parks in Kleve (= Rheinische Kunststätten, Heft 202). Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Köln 2008, ISBN 978-3-86526-021-5.
Weblinks
- Moritzgrab des Johann Moritz von Nassau-Siegen im Alten Park, Datenblatt im Portal kuladig.de
Einzelnachweise
- ↑ Josef Stapper: Johann Moritz von Nassau-Siegen. Zu seinem 250. Todestag. Kleve 1929, S. 32
- ↑ Ludwig Driesen: Leben des Fürsten Johann Moritz von Nassau-Siegen. Verlag der Deckerschen Geheimen oder Hofbuchdruckerei, Berlin 1849, S. 2, 289, 354 (Google Books)
- ↑ Unter Louis-François de Boufflers und Camille d’Hostun de la Baume, duc de Tallard führte Frankreich einen Angriff auf die Niederlande durch. Vor Nimwegen wurden sie von John Churchill, 1. Duke of Marlborough zurückgeschlagen. Im Zuge der Militäroperationen wurde das Gebiet um Kleve verheert und geplündert.
- ↑ Paul Clemen: Die Kunstdenkmäler des Kreises Kleve (= Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Band 1, IV). Verlag von L. Schwann, Düsseldorf 1892, S. 543
- ↑ Max Siebourg: Das Denkmal der Varusschlacht. In: Bonner Jahrbücher. Band 135, 1930, S. 84–104, hier S. 87 f.
- ↑ Irmgard Hantsche (Hrsg.): Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604–1679) als Vermittler. Politik und Kultur am Niederrhein im 17. Jahrhundert (= Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas, Band 13). Waxmann Verlag, Münster 2005, ISBN 978-3-8309-6528-2, S. 41, 122
Koordinaten: 51° 46′ 15,6″ N, 6° 9′ 57″ O