Gesundheitliche Inklusion
Als gesundheitliche Inklusion (englisch: health inclusion, auch health inclusivity) bezeichnet man den Prozess der Beseitigung persönlicher, sozialer, kultureller und politischer Barrieren, die Einzelpersonen und Personengruppen daran hindern, eine gute körperliche und geistige Gesundheit zu bewahren bzw. zu erlangen.[1]
In diesem Zusammenhang wird eine barrierefreie, inklusive und interdisziplinäre Gesundheitsversorgung als Grundlage für Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe angesehen.[2][3][4][5]
Hintergrund und Definitionen
Der Begriff Inklusion (von lateinisch includere, „einschließen“) beschreibt bei gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen unter anderem das Anliegen der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben.
Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen von 2006 fordert unter anderem „das Recht von Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung“. Zu diesem Zweck sollen die Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen treffen, „um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu geschlechtsspezifischen Gesundheitsdiensten, einschließlich gesundheitlicher Rehabilitation, haben“.
"Inclusion Health" ist ein Sammelbegriff, der im englischen Sprachraum verwendet wird, um Menschen zu beschreiben, die sozial ausgegrenzt sind und in der Regel mehreren sich überschneidenden Risikofaktoren für schlechte Gesundheit ausgesetzt sind, wie etwa Armut, Gewalt und komplexe Traumata. Dazu zählen unter anderem Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, Drogen- und Alkoholabhängigkeit erfahren, besonders schutzbedürftige Migrantinnen und Migranten sowie Opfer moderner Sklaverei.[6][7]
Anforderungen an eine inklusive Gesundheitsversorgung
Inklusive Gesundheitsversorgung bedeutet Chancengleichheit beim Zugang für alle Bürgerinnen und Bürger, sodass sie aktiv an ihrer Gesundheitsversorgung teilhaben können. Damit Gesundheitsversorgung inklusiv ist, müssen Leistungserbringende im Gesundheitswesen anerkennen, dass Gesundheit durch unterschiedliche Erfahrungen, Identitäten, soziale Verbindungen, Bedürfnisse, Wünsche und körperliche Gegebenheiten beeinflusst wird. Um inklusiv zu sein, müssen Gesundheitsdienstleistende die vielfältigen Lebenserfahrungen der Patientinnen und Patienten respektieren und wertschätzen. Dies erfordert, dass sowohl das Gesundheitssystem als auch die darin tätigen Personen die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten berücksichtigen.[8]
Inklusive Gesundheitsversorgung zielt darauf ab, gesundheitliche und soziale Ungleichheiten zu verhindern und zu bekämpfen, die bestimmte Personen und Bevölkerungsgruppen aufgrund von Armut, sozialer Ausgrenzung und Erkrankungen erfahren.[7]
Die UN-Behindertenrechts-Konvention nennt unter anderem folgende Anforderungen an eine inklusive Gesundheitsversorgung:
- unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in derselben Bandbreite von derselben Qualität und auf demselben Standard wie bei anderen Menschen;
- Versorgung mit Gesundheitsleistungen, die von Menschen mit Behinderungen speziell wegen ihrer Behinderungen benötigt werden;
- möglichst gemeindenahe Versorgung mit Gesundheitsleistungen, auch in ländlichen Gebieten;
- Verpflichtung für die Angehörigen der Gesundheitsberufe, Menschen mit Behinderungen eine Versorgung von gleicher Qualität wie anderen Menschen angedeihen zu lassen, sowie Schulungen in diesem Bereich durchzuführen;
- Verbot der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in der Krankenversicherung und in der Lebensversicherung;
- Verhinderung der diskriminierenden Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung oder -leistungen oder von Nahrungsmitteln und Flüssigkeiten aufgrund von Behinderung.[9]
Wichtige Handlungsfelder
Wissenschaftliche Untersuchungen nennen unter anderem folgende Handlungsfelder, in denen vorrangig Benachteiligung abgebaut und gesundheitliche Inklusion verbessert werden müssen: Psychische Gesundheit, schulische Gesundheitsbildung und Gesundheitsförderung sowie Digital Health Inclusion.[10][11][12]
Situation in Deutschland
Nach Einschätzung von Sozialverbänden und anderen Organisationen bestehen im Gesundheitswesen zahlreiche Barrieren, die die Teilhabe für Menschen mit Behinderungen und / oder Benachteiligungen vielfach erschweren.[13][14][15][16] Ein im November 2024 veröffentlichter Aktionsplan des Bundesgesundheitsministeriums soll nach Vorstellung seiner Autoren und Herausgeber die wesentlichen Probleme thematisieren und zu ihrer Lösung beitragen.[5]
Dabei wurden im Einzelnen folgende Handlungsfelder angesprochen:
- Barrierefreie und inklusive Gesundheitsversorgung in der ambulanten Versorgung und in weiteren Gesundheitseinrichtungen (unter anderem in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Apotheken)
- barrierefreie Langzeitpflege
- Personal im Gesundheitswesen (Ausbildung, Fortbildung, Weiterbildung)
- inklusive Gesundheitsförderung und Prävention
- Förderung der Gesundheitskompetenz und zielgruppengerechten Kommunikation
- inklusive Digitalisierung
- Diversität im Gesundheitswesen.
Literatur
- Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen: Düsseldorfer Erklärung der Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern. Gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderungen weiter verbessern! Düsseldorf 2019
- Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben (KSL) NRW: Inklusive Gesundheit. Gelsenkirchen 2025
- Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben (KSL) NRW: Vielfalt Pflegen. Praxishandbuch zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der Pflege. Gelsenkirchen 2023
- Economist Impact: Health drives wealth: the economic impact of health inclusivity. Findings from the third phase of the Health Inclusivity Index. London 2025
Weblinks
- Gemeinsam für inklusive Medizin: Positionspapier zur Ergänzung des Medizinstudiums. Hannover 2025
- Inklusion. Kooperationsverbunde Gesundheitliche Chancengleichheit
- Inclusive Health Research, Inclusive Health Research awards programme
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Katherine Stewart, Emi Michael, Laura Avery, Shaileen Atwal, Lindsey Boss, Miranda Baxa: The Road to Health Inclusivity: from policy to practice. Findings from the second phase of the Health Inclusivity Index. Economist Impact, London 2023, S. 9 (economist.com [PDF]).
- ↑ Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben KSL.NRW: Inklusive Gesundheit. 2025 (ksl-nrw.de [abgerufen am 15. Mai 2025]).
- ↑ Gesundheit – gute Versorgung für alle. In: Schwerpunkt Gesundheit. Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, 2024, abgerufen am 15. Mai 2025.
- ↑ BIÖG - Leitbegriffe: Inklusion und Gesundheitsförderung. Abgerufen am 15. Mai 2025.
- ↑ a b Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen. Bundesgesundheitsministerium (Deutschland), November 2024, abgerufen am 15. Mai 2025.
- ↑ N. H. S. England: Inclusion health groups. Abgerufen am 22. Mai 2025 (englisch).
- ↑ a b Department of Health, Ireland: Inclusion Health. Dublin 20. Mai 2025 (gov.ie).
- ↑ HCCA Executive Committee (Hrsg.): Inclusive Health Care Position Statement. Health Care Consumer Association Australia HCCA, Chifley Februar 2023 (org.au).
- ↑ Artikel 25 Gesundheit. In: Die UN-Behindertenrechtskonvention Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, November 2018, abgerufen am 15. Mai 2025.
- ↑ Ulrich Reininghaus, Christian Rauschenberg, Anita Schick, Jessica A. Hartmann: [Public mental health from an international perspective: from "shifting the curve" to inclusion of vulnerable populations]. In: Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz. Band 66, Nr. 4, April 2023, ISSN 1437-1588, S. 371–378, doi:10.1007/s00103-023-03673-9, PMID 36847854, PMC 9969372 (freier Volltext) – (nih.gov [abgerufen am 15. Mai 2025]).
- ↑ Uwe H. Bittlingmayer, Gözde Okcu: [School from the spirit of public health? : Health promotion in schools from a sociology of education perspective]. In: Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz. Band 65, Nr. 7-8, Juli 2022, ISSN 1437-1588, S. 768–775, doi:10.1007/s00103-022-03547-6, PMID 35648160, PMC 9232413 (freier Volltext) – (nih.gov [abgerufen am 15. Mai 2025]).
- ↑ Shoba Poduval, Lily Arnold, Emma Carta, Danielle Nimmons, Irene Stratton, Michael Shaw, Katherine Bradbury, Fiona Stevenson: Do community-based digital health inclusion programmes contribute to tackling health inequalities in disadvantaged population groups?: a qualitative study of experiences of a city-wide programme in the North of England. In: BMC public health. Band 25, Nr. 1, 22. Januar 2025, ISSN 1471-2458, S. 275, doi:10.1186/s12889-025-21418-y, PMID 39844090, PMC 11756065 (freier Volltext) – (nih.gov [abgerufen am 15. Mai 2025]).
- ↑ Deutscher Caritasverband e V: neue caritas Artikel. 4. November 2021, abgerufen am 22. Mai 2025.
- ↑ Inklusive Gesundheit | KSL.NRW. Abgerufen am 22. Mai 2025.
- ↑ Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen verbessern. Abgerufen am 22. Mai 2025 (deutsch).
- ↑ Deutscher Ärzteverlag GmbH, Redaktion Deutsches Ärzteblatt: Nicht inklusiv genug: Dusel übt Kritik am Gesundheitssystem. 3. Januar 2024, abgerufen am 22. Mai 2025.