Gertraude Pohl
Gertraude Pohl (* 13. Februar 1940 in Zittau) ist eine deutsche bildende Künstlerin.
Leben und Werk
Gertraude Pohl machte in Zittau das Abitur und absolvierte von 1958 bis 1959 eine Lehre als Weberin. Daneben nahm sie von 1956 bis 1959 in Zittau Zeichen- und Malunterricht bei Hans Lillig. Von 1959 bis 1964 studierte sie bei Herbert Behrens-Hangeler, Arno Mohr und Ernst Rudolf Vogenauer an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee (KHS). Danach war sie kurze Zeit freie Mitarbeiterin eines Industrie-Ateliers. Ab 1965 arbeitete sie in Berlin freischaffend als Form- und Farbgestalterin. 1968 heiratete sie Norbert Pohl, den sie während des Studiums kennengelernt hatte. 1971 wurde ihre Tochter Anna-Maria geboren, die später Architektin und Fotografin wurde, und 1976 Eva-Maria, später Grafikdesignerin.
In der DDR war Gertraude Pohl ab 1978 insbesondere in der Projektierung und Ausstattung von Gesellschaftsbauten und bei der Gestaltung von Neubau-Wohngebietszentren in Berlin und Frankfurt/Oder tätig. Ihr bedeutendstes Projekt war von 1973 bis 1976 die Mitwirkung an der Projektierung des Palastes der Republik, wozu sie vom Chefarchitekten des Palastes Heinz Graffunder berufen wurde. Unter ihrer Leitung erarbeitete ein Kollektiv von Formgestaltern und Künstlern, dem Volker Barthmuß (* 1939), Leo Beilfuß (* 1937), Bernd Martin (* 1944), Klaus Schöne und Siegfried Schütze (* 1940) angehörten, ein ausgeklügeltes Farb- und Materialkonzept, „das Oberflächentextur und Farbigkeit aller Natur- und Kunststoffmaterialien, also der Natursteinböden, der Fliesen in den Sanitärbereichen, der Möbelfurniere, der lasierten Holzpaneele fester Einbauten sowie die Porzellandekore und die gesamte Palette der Textilien, von den Möbelbezugsstoffen über die Teppichböden und Tischwäsche bis hin zur Dienstkleidung, umfasste.“[1] Für das Hauptfoyer des Palasts entwarf Gertraude Pohl auch 1975 den Natursteinboden. Den Abriss des Palastes der Republik nach der deutschen Wiedervereinigung empfand sie als großen Schmerz.
Für weitere bedeutende Bauten entwickelte sie insbesondere die komplexe Farbgestaltung, machte sie u. a. koordinierende Arbeiten und schuf sie auch als Textilgestalterin textile Wand- und Bodenarbeiten. Zu diesen Projekten gehörten in Berlin u. a. von 1968 bis 1970 das Interhotel Stadt Berlin, 1972/1973 das Haus des Reisens und von 1976 bis 1979 der Pionierpalast "Ernst Thälmann". 1982 schuf sie textile Wandbilder für das Café Moskau. 1984 entwarf sie für den Großen Saal der Botschaft der DDR in Moskau die Wandgestaltung in Sibirischem Marmor und Spiegelglas und von 1984 bis 1986 für Industriegebäude in Berlin Wandbilder in Industrie-Email.
1986/1987 fertigte sie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Denkmalpflege der DDR textile Behänge für die Westportale der Friedrichswerderschen Kirche. Für das Interhotel Stadt Berlin[2] schuf sie 1973 ein 9 m × 1,35 m großes Wandbild aus Keramik und Glas. Es wurde nach der Privatisierung des Hauses verdeckt und beschädigt und ist heute wieder in der 37. Etage des Hotels teilweise sichtbar.
Von 1978 bis 1988 lehrte Gertraude Pohl an der KHS im Fachkurs Grundprozesse der Gestaltung des Fachgebiets Textilkunst/Design. Sie hatte im In- und Ausland eine bedeutende Zahl von Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen, in der DDR u. a. von 1977 bis 1987 an der VIII. bis X. Kunstausstellung der DDR in Dresden, und beteiligte sich an wichtigen Wettbewerben. 1980 war sie mit einem Giebelbild in Berlin-Prenzlauer Berg Preisträgerin im Wettbewerb des Verbands Bildender Künstler der DDR (VBK) und 1988 Preisträgerin bei der Keramik-Quadriennale Faenza.
Gertraude Pohl war bis 1990 Mitglied des VBK. In der Zeit der DDR unternahm sie Studienreisen nach Bulgarien, in die Bundesrepublik, nach Dänemark, Finnland, Polen, Rumänien und in die Sowjetunion.
Nach der deutschen Wiedervereinigung blieben öffentliche Aufträge aus. Gegen die neuen existenzgefährdenden materiellen Beschwernisse für bildende Künstler initiierte und organisierte Gertraude Pohl die Performance-Aktion Künstler zeigen Flagge, die im Herbst 1991 mit Künstlern aus Berlin und Brandenburg auf dem Alexanderplatz begann.[3]
Ab 1992 schuf Gertraude Pohl vor allem plastische Arbeiten mit Papier und Kunststoffen, Collagen, Materialbilder, Objekte und Installationen, und sie machte konzeptionelle und kuratorische Arbeiten. Ab 1993 organisierte sie künstlerische Projekte mit geistig behinderten Menschen. 1993 erhielt sie ein Arbeitsstipendium der Stiftung Kulturfonds der neuen Bundesländer.
1993 wurde sie Mitglied der GEDOK Berlin/Brandenburg und gehörte sie zu den Gründern des Selbsthilfevereins zur Förderung von Kunst und Kultur ART und weise e.V.[4]
Mit ihren beiden Töchtern gründete sie 2004 in Berlin das Unternehmen Arbeitsgemeinschaft Atelier Pohl.
Auf den Kunstausstellungen der DDR ausgestellte Werke
- Landschaft 1 – 3 (Textile Applikation; VIII. KA)
- Im Quadrat – Variationen (1981, Textile Applikation; IX. KA)
Literatur
- Gertraude Pohl. Fels und Flechte. Bilder – Fahnen – Objekte – Installationen. GEDOK Brandenburg, 2007, ISBN 978-3-934532-31-1 (Ausstellungskatalog)
- Dietmar Eisold (Hrsg.): Lexikon Künstler in der DDR. Verlag Neues Leben, Berlin 2010, ISBN 978-3-355-01761-9, S. 715
- Gertraude Pohl. Stichworte vor Ort und in Bewegung. Installation – Objekt – Projekt. Oettel, Görlitz, 2013, ISBN 978-3-938583-97-5 (Ausstellungskatalog)
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Anke Kuhrmann: Der Palast der Republik. Geschichte und Bedeutung des Ost-Berliner Parlaments- und Kulturhauses (= Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte. Band 49). Imhof Verlag, Petersberg, 2006, S. 47/48
- ↑ Siehe Park Inn by Radisson Berlin Alexanderplatz
- ↑ Nellja Vermej: Der Alexanderplatz. BeBra Verlag, Berlin, 2021; ISBN 978-3-89809-181-7; ohne Seitenangabe
- ↑ Art und Weise e.V. In: Atelier Pohl Berlin. Abgerufen am 11. September 2025.