Gertie Sitte
Gertie Sitte (* in Wien (?); † nach 1955) war eine österreichische Tänzerin, Kabarettistin, Schauspielerin und Ballettmeisterin.
Leben
Gertie Sitte erhielt ihre Ausbildung an der Wiener Kunstakademie und war anschließend Schülerin der bekannten österreichischen Tänzerin Ellinor Tordis.[1] Im Dezember 1928 trat sie bei einem Ellinor-Tordis-Tanzabend im Großen Saal der Wiener Urania auf.[2] Im November 1929 gehörte sie als Ensemblemitglied der Tanzgruppe Ellinor Tordis zu den Mitwirkenden beim „Brigitten-Nachmittag“ im Großen Wiener Rathaussaal.[3]
Ab Anfang der 1930er Jahre wirkte sie an verschiedenen Wiener Kleinkunstbühnen.[4] Im April 1932 trat sie mit parodistischen Tänzen bei der Wiener Kleinkunstbühne „Der liebe Augustin“ auf.[5]
Im Mai 1933 wirkte sie, in einer zeitgenössischen Rezension als „filigrane Tanzkünstlerin von Format und starker persönlicher Note“ beschrieben, bei einem Tanzabend der österreichischen Tänzerin Gertie Tenger im Großen Saal der Wiener Urania mit.[6][7] Von Januar bis September 1934 tanzte sie am Wiener Burgtheater als Gruppentänzerin in der Inszenierung Die Tragödie des Menschen von Imre Madách (Musik: Franz Salmhofer).[8][9]
1934/35 trat sie gemeinsam mit u. a. Trude Möllnitz, Elisabeth Neumann-Viertel, Traute Witt und Eduard Kautzner in der Wiener Kleinkunstbühne „Die Stachelbeere“ auf.[10][11][12][13][14] Im Oktober 1935 wirkte sie bei der „Stachelbeere“ in einer Aufführung der Operette Die Insel Tulipatan mit.[15] 1935/36 trat sie bei der Wiener Kleinkunstbühne „Literatur am Naschmarkt“ auf.[16][17][18] Anschließend war sie an der „Komödie“ in Wien engagiert.[1] Im April 1936 wirkte sie im Großen Saal der Wiener Urania als Tänzerin in der Erstaufführung des Bühnenspiels Prinz Eugen, der edle Ritter von Otto Marbach mit.[19][20]
Im Sommer 1936 ging Gertie Sitte mit einem Ensemble der „Literatur am Naschmarkt“ auf Tournee in die Tschechoslowakei und trat mit der Truppe auch in Reichenberg auf.[1] 1937 gastierte sie im Rahmen der Pariser Weltausstellung gemeinsam mit dem Tanz-Ensemble von Ellinor Tordis als Amor in dem Ballett Les petits riens von Jean-Georges Noverre und Wolfgang Amadeus Mozart im Versailler Theater.[21][22]
Sitte engagierte sich in der Harand-Bewegung und wirkte bei Kulturveranstaltungen der Harand-Jugend mit.[23][24][25]
Kurz vor dem „Anschluss Österreichs“ gab Sitte ihr künstlerisches Wirken beim Kabarett auf und emigrierte in die Tschechoslowakei, wo sie fortan an Operettenbühnen tätig war. Von 1938 bis 1941 hatte sie ein Engagement als Solistin in der Abteilung für „Oper und Operette“ am Stadttheater Troppau.[26][27] 1941 wurde sie von Franz Stoß an das Stadttheater Teplitz-Schönau engagiert, wo sie bis 1944 zum Ensemble gehörte.[1]
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Gertie Sitte-Dafert unter der Intendanz ihres Ehemanns, des Wiener Schauspielers Hans Dafert, am Stadttheater Leoben engagiert, wo sie im April 1947, damals noch als Gast, mit der Titelrolle in der Komödie Scampolo von Dario Niccodemi debütierte.[1][28] Anschließend übernahm sie dort „mit außerordentlichen Erfolg“ die Titelrolle in dem musikalischen Lustspiel Das Fräulein mit dem Koffer von Franz Paul (Musik: Karl Loube).[29][30]
Zur Spielzeit 1947/48 wurde Sitte-Dafert als Schauspielerin schwerpunktmäßig für die Sparten „Schauspiel“ und „Musikalisches Lustspiel“ und als Ballettmeisterin fest an das Stadttheater Leoben engagiert.[31][32] In der Spielzeit 1947/48 sang und spielte sie dort die Titelrolle in der Operette Lisa, benimm dich! von Hans Lang.[33] Im Dezember 1947 übernahm sie kurzfristig für eine erkrankte Kollegin die Titelrolle in dem Märchenstück Der kleine Muck.[34] In der Spielzeit 1947/48 war sie an der Seite von Franz Essel in Juliane Kays Schauspiel Vagabunden und in Johann Nestroys Posse Der Talisman zu sehen.[35][36] Im März 1948 übernahm sie die Rollen „Hexe“ und „Böser Geist“ in einer Faust-Neuinszenierung.[37] Im April 1948 war sie in dem Singspiel Axel an der Himmelstür zu sehen.[38] Im Mai 1948 folgte die Viola in einer Neuinszenierung der Shakespeare-Komödie Was ihr wollt.[39] In der Spielzeit 1948/49 war sie neben Ewald Balser als „Pützchen“ in Carl Zuckmayers Schauspiel Des Teufels General zu sehen.[40] Im März 1949 spielte sie am Stadttheater Leoben an der Seite von Annie Rosar in der Komödie Das Kuckucksei von Walter Firner.[41] Ab März 1949 übernahm sie in einer Inszenierung der Operette Monika von Nico Dostal die Rolle der Vera.[42] Im April 1949 war Gertie Sitte-Dafert als Privatsekretärin und „Kirchenmaus“ Susi Sachs neben Siegfried Breuer in dem musikalischen Lustspiel Arm wie eine Kirchenmaus von Ludwig Schmidseder zu sehen.[43][44] Im Juni 1949 spielte sie die böhmische Köchin Theres in dem Volksstück Graf Schorschi.[45] Im Juli 1949 trat sie im Rahmen der Theaterinitiative des Obersteierischen Kulturbundes unter der Regie von Franz Essel bei einer Jedermann-Inszenierung in der Salzburger Festspielfassung bei einer Freilichtaufführung vor der Stadtpfarrkirche St. Xaver in Leoben als „Werke“ auf.[46]
Am Stadttheater Leoben übernahm sie als Ballettmeisterin regelmäßig auch die Einstudierung der Tänze bei Operettenaufführungen.[47][48] Sittes Vertrag endete im Juli 1949 mit der Auflösung des festen Ensembles des Stadttheaters Leoben.
In der Theatersaison 1949/50 war sie mit ihrem Ehemann Hans Dafert, der sich im Juli 1950 offiziell von seiner Schauspielkarriere verabschiedete, und den beiden Leobener Schauspielkollegen Franz Essel [nach dessen Ausscheiden ersetzt durch die Leobner Schauspielerin Elisabeth Fuchs] und Walter Hauttmann in dem kurzlebigen Kabarettensemble „Die Großen Vier“ aktiv.[49][50][51][52] Im Dezember 1950 wirkte sie als Gast in einer Aufführung des neugegründeten „Hochschulstudios Leoben“ als Estelle Rigault in der Sartre-Inszenierung Bei geschlossenen Türen [sic!] mit.[53] Im Sommer 1952 trat Sitte-Dafert gemeinsam mit Maxi Böhm, Peter Hey und Josef Egger im Vorprogramm zur Kärntner Sommermodenschau in Velden und Villach auf.[54] Im Februar und März 1953 war sie bei Radio Alpenland in dem von ihr geschriebenen „Musikalischen Funklustspiel“ Kleine Diebereien zu hören.[55][56][57]
Im von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger herausgegebenen „Deutschen Bühnenjahrbuch“ der Saison 1955/56 ist Gertie Sitte unter dem Namen „Gerti Dafert-Sitte“ noch erwähnt, jedoch ohne Engagement, und nur mit dem GDBA-Vermerk „Dem Lokalverband [d.i. Graz] angeschlossen“.[58] Weitere biografische Informationen zu Gertie Sitte konnten bisher nicht ermittelt werden.
Literatur
- Hans Veigl/Iris Fink (Hrsg.): Verbannt, Verbrannt, Vergessen und Verkannt. Kurzbiographien zum Thema Verfolgung und Vertreibung österreichischer Kabarett- und Kleinbühnenkünstler 1933–1945. Österreichisches Kabarettarchiv. Graz 2012. Seite 102. ISBN 978-3-9501427-1-6.
Weblinks
- Gertie Sitte – Biografie (frz.)
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e „Scampolo“ im Stadttheater. In: Obersteirische Zeitung, 30. April 1947, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Tanzabend Ellinor Tordis. In: Wiener Zeitung, 8. Dezember 1928, S. 5 (online bei ANNO).
- ↑ Brigitten-Nachmittag. Programm. Abgerufen am 29. Januar 2025.
- ↑ Österreichische Kleinkunst 1926-1945 im Überblick. In: iwk. Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst. Heft Nr. 1/2. 1985. Seite 4.
- ↑ Wiener Kleinkunst. In: Salzburger Volksblatt, 20. April 1932, S. 6 (online bei ANNO).
- ↑ Tanzabend Gertie Tenger. In: Wiener Allgemeine Zeitung, 18. März 1933, S. 6 (online bei ANNO).
- ↑ Tänze und Pantomimen. In: Der Tag, 20. März 1933, S. 10 (online bei ANNO).
- ↑ Burgtheater. In: Reichspost, 23. Jänner 1934, S. 12 (online bei ANNO).
- ↑ Burgtheater. In: Reichspost, 1. September 1934, S. 14 (online bei ANNO).
- ↑ Ingrid Wolf: „Die Stachelbeere“. In: Die Bühne. Heft Nr. 389. Seite 29.
- ↑ Kleinkunstbühne „Die Stachelbeere“. In: Der Tag, 20. Dezember 1934, S. 8 (online bei ANNO).
- ↑ Die Stachelbeere. In: Neues Wiener Tagblatt, 15. Jänner 1935, S. 10 (online bei ANNO).
- ↑ Neues Programm in der „Stachelbeere“. In: Der Tag, 21. Februar 1935, S. 9 (online bei ANNO).
- ↑ Kleinkunstbühne Stachelbeere: „Mit Volldampf zurück!“. In: Der Tag, 5. Mai 1935, S. 12 (online bei ANNO).
- ↑ Neues Programm in der „Stachelbeere“. In: Der Tag, 20. Oktober 1935, S. 13 (online bei ANNO).
- ↑ Kleinkunstbühne „Literatur am Naschmarkt“. In: Illustrirte Kronen-Zeitung, 6. September 1935, S. 8 (online bei ANNO).
- ↑ „Frühjahrs-Olympiade“ in der „Literatur am Naschmarkt“. In: Der Tag, 6. März 1936, S. 8 (online bei ANNO).
- ↑ Die jungen Autoren am Naschmarkt. In: Die Stunde, 18. März 1936, S. 4 (online bei ANNO).
- ↑ „Prinz Eugen, der edle Ritter“. In: Neues Wiener Tagblatt, 24. April 1936, S. 10 (online bei ANNO).
- ↑ Prinz Eugen-Spiel in der Urania. In: Neues Wiener Tagblatt, 13. Mai 1936, S. 23 (online bei ANNO).
- ↑ Erfolg Gertie Sittes im Versailler Theater. In: Gerechtigkeit, 2. Juli 1937, S. 12 (online bei ANNO).
- ↑ Les petits riens. Aufführungskritik. In: Revue de la Quinzaine. Nr. 14/1937. Seite 399/400. Abgerufen am 29. Januar 2025.
- ↑ Unser erster Filmnachmittag. In: Gerechtigkeit, 26. April 1934, S. 2 (online bei ANNO).
- ↑ Colonnaden-Nachmittag. In: Gerechtigkeit, 7. Juni 1934, S. 2 (online bei ANNO).
- ↑ Akademie der Harand-Jugend. In: Gerechtigkeit, 12. März 1936, S. 4 (online bei ANNO).
- ↑ Pem's Privat-Berichte vom 21. September 1938. Abgerufen am 29. Januar 2025.
- ↑ Gertie Sitte. In: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Deutsches Bühnenjahrbuch 1940. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater – Film – Funk – Fernsehen. 51. Jg., Hamburg 1940, S. 608/609 [Troppau I] und S. 926 [Register]. Abgerufen am 30. Januar 2025.
- ↑ Josef Rutter: „Scampolo“ im Stadttheater. In: Obersteirische Zeitung, 3. Mai 1947, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Spielplanänderung im Stadttheater. In: Obersteirische Zeitung, 18. Juni 1947, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Josef Rutter: Das Fräulein mit dem Koffer im Stadttheater. In: Obersteirische Zeitung, 4. Juni 1947, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Gertie Sitte. In: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Deutsches Bühnenjahrbuch 1945/48. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater – Film – Funk – Fernsehen. 56. Jg., Hamburg 1948, S. 408 und 620 (Register).
- ↑ Neuverpflichtungen ans Stadttheater. In: Obersteirische Zeitung, 30. August 1947, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Aus der Theaterkanzlei. In: Obersteirische Zeitung, 1. Oktober 1947, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Stadttheater Leoben: Aus der Theaterkanzlei. In: Obersteirische Zeitung, 3. Dezember 1947, S. 4 (online bei ANNO).
- ↑ Erfolge im Drei-Städte-Theater. In: Arbeiterwille, 4. Februar 1948, S. 2 (online bei ANNO).
- ↑ Josef Rutter: Der Talisman im Stadttheater. In: Obersteirische Zeitung, 7. Februar 1948, S. 2 (online bei ANNO).
- ↑ Josef Rutter: Goethes „Faust“ im Stadttheater. In: Obersteirische Zeitung, 20. März 1948, S. 2 (online bei ANNO).
- ↑ „Axel an der Himmelstür“. In: Obersteirische Zeitung, 28. April 1948, S. 2 (online bei ANNO).
- ↑ Josef Rutter: „Was ihr wollt“ im Stadttheater Leoben. In: Obersteirische Zeitung, 22. Mai 1948, S. 2 (online bei ANNO).
- ↑ Leoben hat es gewagt! Ewald Balser in „Des Teufels General“. In: Arbeiterwille, 18. Jänner 1949, S. 5 (online bei ANNO).
- ↑ „Das Kuckucksei“. Annie Rosar als Gast.. In: Obersteirische Zeitung, 12. März 1949, S. 2 (online bei ANNO).
- ↑ „Monika“. In: Obersteirische Zeitung, 26. März 1949, S. 2 (online bei ANNO).
- ↑ „Arm wie eine Kirchenmaus“. Gastspiel Siegfried Breuer. In: Obersteirische Zeitung, 9. April 1949, S. 5 (online bei ANNO).
- ↑ Siegfried Breuer, Werner Krauß in Knittelfeld. In: Murtaler Zeitung, 16. April 1949, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Vierstädtetheater: „Graf Schorschi“. In: Murtaler Zeitung, 11. Juni 1949, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Matthias Wieland: Obersteirischer Kulturbund 1947-1992. Beiträge zu einem Jubiläum. Seite 8. Verlag Der Kulturbund 1992. ISBN 978-3-95001-910-0. (Auszüge bei Google Books)
- ↑ Stadttheater Leoben. In: Obersteirische Zeitung, 10. Mai 1947, S. 4 (online bei ANNO).
- ↑ Stadttheater Leoben. In: Obersteirische Zeitung, 18. Juni 1947, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Die „Großen Vier“ vom Leobner Grand Hotel. In: Obersteirische Zeitung, 29. April 1950, S. 5 (online bei ANNO).
- ↑ Die Großen Vier vom Grand Hotel. In: Obersteirische Zeitung, 6. Mai 1950, S. 7 (online bei ANNO).
- ↑ Die Großen Vier im Grand Hotel. In: Obersteirische Zeitung, 24. Juni 1950, S. 5 (online bei ANNO).
- ↑ Hans Dafert. In: Obersteirische Zeitung, 18. Juli 1950, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Sartre-Aufführung des Hochschulstudios. In: Obersteirische Zeitung, 9. Dezember 1950, S. 5 (online bei ANNO).
- ↑ Es wird Sommer. In: Die neue Zeit vom 25. Juni 1952. Seite 3. Abgerufen am 29. Januar 2025.
- ↑ Kleine Diebereien. Rundfunkprogramm vom 26. Februar 1953. Abgerufen am 29. Januar 2025.
- ↑ Kleine Diebereien. Sendung vom 26. Februar 1953. Abgerufen am 30. Januar 2025.
- ↑ Kleine Diebereien. Sendung vom 25. März 1953. Abgerufen am 30. Januar 2025.
- ↑ Gerti Dafert-Sitte. In: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Deutsches Bühnenjahrbuch 1956. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater – Film – Funk – Fernsehen. 64. Jg., Hamburg 1956, S. 341 [Graz].