Gerichtsbuch

Als Gerichtsbuch (auch Gerichtsprotokoll) bezeichnete man in der Frühen Neuzeit die bei den lokalen Gerichten der Ämter, Rittergüter, Städte und anderer örtlicher Herrschaftsträger geführten Aufzeichnungen über die im jeweiligen Gerichtsbezirk vorgenommenen Rechtshandlungen. Mit Vereinheitlichung der Gerichtsverfassung und des Verfahrensrechts in der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch die Reichsjustizgesetze von 1879 verloren die Gerichtsbücher an Bedeutung.
Je nach Inhalt und regionalen Sprachgewohnheiten hatten die Bücher unterschiedliche Titel, beispielsweise in Sachsen:[1]
- Erbsonderungsbuch: Regulierung von Nachlässen
- Gerade- und Heergerätekaufbuch: Regulierung des mütterlichen und väterlichen Erbteils
- Gerichtshandelsbuch, in Bayern Briefprotokoll:[2] Alle Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Beurkundungszwang, besonders in kleinen Gerichten verwendet (am häufigsten existierende Art von Gerichtsbüchern)
- Hypothekenbuch: Hypotheken auf Immobilien (spätere Form der Konsensbücher)
- Kaufbuch: Käufe von Mobilien und Immobilien
- Konsensbuch: Hypotheken auf Immobilien mit der Zustimmung des Lehnsherrn zu ihrer Aufnahme
- Lehnbuch: Besitzwechsel von Bauernstellen nach Lehnsrecht
- Quittungsbuch: Quittungen über empfangene Ratenzahlungen aus Schuldverträgen
- Rezessbuch: Verträge verschiedener Art
- Rügenbuch: Strafrechtliche Bagatellen nach einem besonderen Prozesstyp
- Schöppenbuch: Von den Schöffen eines örtlichen Gerichts geführtes Gerichtsbuch
- Stadtbuch: Alle rechtsrelevanten oder zur kommunalen Verwaltung notwendigen Angelegenheiten: Neubürger- und Ratslisten, Privilegien, Handwerksordnungen, Eide, Rechnungen, Steuerlisten
- Testamentsbuch: Testamente und ihre Eröffnung
- Verzichtsbuch: Grundstücksübertragungen und damit zusammenhängende Verzichte auf Ansprüche
- Vormundschaftsbuch: Gerichtliche Bestellung und Beaufsichtigung von Vormündern
- Zessionsbuch: Abtretungen von Hypotheken und anderen Forderungen an Dritte
In Bayern war für die Verzeichnung von Strafgeldern ein eigenständiges Amtsbuch unter der Bezeichnung Wändelbuch bekannt. Im Verhörprotokoll wurden Prozesse der Strafgerichtsbarkeit und der streitigen Gerichtsbarkeit aufgezeichnet.[3]
Aus der Stadt Eger z. B. haben sich das Buch der Gebrechen und zwei Achtbücher, teilweise nur in Auszügen, erhalten.
Literatur
- Reinhard Heydenreuter: Gerichts- und Amtsprotokolle in Altbayern. Zur Entwicklung des gerichts- und grundherrlichen Amtswesens, in: Mitteilungen zur Archivpflege in Bayern 25/26 (1979/80), S. 11–46.
- Werner Schultheiß: Über spätmittelalterliche Gerichtsbücher aus Bayern und Franken. Beiträge zum Urkundenwesen und Gerichtsverfahren Süddeutschlands, in: FS f. Hans Liermann z. 70. Geburtstag, hrsg. v. Klaus Obermayer, Hans-Rudolf Hagemann, Erlangen 1964 (Erlanger Forschungen A 16), S. 265–296.
- Reiner Groß: Gerichtsbücher und Protokolle der sächsischen Lokalbehörden bis 1856 im Sächsischen Landeshauptarchiv Dresden, in: Archivmitteilungen 13 (1963), S. 186ff.
- Friedrich Benninghoven: Anlage und Entstehung des Kulmer Gerichtsbuches 1330-1430, in: Archiv für Diplomatik 45 (1999), S. 87–118.
- Karl Shippel: Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens. Zugleich ein Beitrag zur Rechtsgeschichte des Katasters. Marburg 1914.
- Daniel Luger: Das ‚Königliche Gerichtsbuch‘ des Michael von Pfullendorf aus den Jahren 1442 bis 1451 – Zu den Anfängen des Kammergerichts am römisch-deutschen Königshof. Einführung und Edition. Mit einem Vorwort von Bernhard Diestelkamp. Böhlau Verlag 2022, ISBN 978-3-412-52413-5.
Weblinks
- Online-Edition der Ingelheimer Haderbücher
- Sächsische Gerichtsbücher. Onlineprojekt des Sächsischen Staatsarchivs.
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Jens Kunze: Gerichtsbücher als wertvolle Quellen für die Heimatforschung. In: Bausteine für Ortschronisten und Heimatforscher, Band II. Kohrener Schriften 2020, S. 57 ff., 59.
- ↑ Briefprotokoll. Staatliche Archive Bayerns, abgerufen am 28. August 2025.
- ↑ Gerichtsbuch oder Verhörprotokoll. Staatliche Archive Bayerns, abgerufen am 28. August 2025.