Georg Gatt

Georg Gatt

Georg Gatt (geboren am 8. Februar 1843 in Nößlach, getauft im Kirchspiel Vinaders am Brenner;[1][2] gestorben 5. Juni 1924 in Jerusalem[3]) war ein österreichischer römisch-katholischer Priester, Missionar und Palästinaforscher.

Biografie

Georg Gatts Eltern waren der Nößlacher Bauer Joseph Gatt und dessen Ehefrau Maria geb. Salchner.[2]

Gatt wurde am 6. April 1867 in Bozen nach Studium am Collegium Cassineum in Brixen und ab 1864 am Pontificium Collegium Germanicum et Hungaricum de Urbe in Rom zum Priester der Diözese Brixen geweiht.[4] Der österreichische Erzbischof Joseph Othmar von Rauscher ernannte ihn 1871 zum Vizerektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem.[5] Kurz darauf schloss er sich Alphonse Ratisbonne an und half diesem, eine Schule für Jungen in Jerusalem aufzubauen.[6]

Im Jahr 1879 entschied sich Gatt, als Missionar in die Stadt Gaza zu gehen und die wenigen Katholiken dort seelsorgerlich zu betreuen. Der lateinische Patriarch von Jerusalem Vincenzo Bracco stimmte Gatts Vorhaben zu, doch müsse er die finanziellen Mittel dafür selbst organisieren.[6] Während Gatt eine Reise durch Europa unternahm, um Mittel für sein Projekt einzuwerben, begann der maronitische Hilfspriester Don Mamatalla Doumith bereits mit der Arbeit in der Missionsstation Gaza. Für fünf Jahre wurde ein Pfarrhaus angemietet und ein Raum im Erdgeschoss als Kapelle eingerichtet. Zur finanziellen Absicherung der Missionsstation kaufte Gatt 1883 eine Mühle in Isdud. 1894 berichtete der österreichische Konsul Theodor Ippen, dass Gatt ein großes Grundstück in Gaza erworben und darauf ein Missionshaus mit Kapelle und Gästezimmern errichtet habe. Die Finanzierung seines Ein-Mann-Projekts blieb nicht zuletzt wegen der hohen Steuern prekär, weshalb Gatt weitere Kollektenreisen unternahm und als Palästinaforscher zahlreiche Artikel veröffentlichte.[7]

Nach Beginn des Ersten Weltkriegs lag die Stadt Gaza an der Palästinafront. Am 1. März 1917 erging der Evakuierungsbefehl Cemal Paschas für die rund 40.000 Einwohner der Stadt Gaza.[8] Der 73-jährige Gatt schlug sich daraufhin nach Jerusalem durch und fand im Österreichischen Hospiz Aufnahme.[9]

Georg Gatt, der 81-jährig in Jerusalem starb, wurde in Krypta der dortigen Konkathedrale vom Allerheiligsten Namen Jesu beigesetzt.[10]

Werk

Gatt trat mit verschiedenen Veröffentlichungen zur Landeskunde Palästinas hervor. Besonderen Wert haben seine Artikel zur Topographie und Wirtschaft der Stadt Gaza, die er durch eigene Anschauung sehr gut kannte. Sein 1888 in der Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins veröffentlichter Stadtplan von Gaza wird allgemein zur Lokalisierung von Baudenkmälern genutzt.[11] Wolfgang Zwickel betont, dass es zur Geschichte vieler Orte im Gazastreifen kaum Detailwissen gebe. „Der einzige detaillierte kulturhistorische Aufsatz über Gaza-Stadt stamme vom Österreicher Georg Gatt, der in den 1880er Jahren eine katholische Missionsstation aufbaute und die Stadtviertel mit ihren Häusern und Brunnen beschrieb.“[12]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Verzeichniss der bewohnten Ortschaften der Kaimakāmīje Gaza. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins, Band 7 (1884), S. 293–298.
  • Bemerkungen über Gaza und seine Umgebung. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins, Band 7 (1884), S. 1–14.
  • Industrielles aus Gaza. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins, Band 8 (1885), S. 69–79.
  • Legende zum Plane von Gaza. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins, Band 11 (1888), S. 149–159 (mit Stadtplan).
  • Die Hügel von Jerusalem: Neue Erklärung der Beschreibung Jerusalems bei Josephus Bell. Jud. V. 4, 1 u. 2. Herder, Freiburg im Breisgau 1897. (Digitalisat)
  • Sion in Jerusalem, was es war, und wo es lag: nach den Angaben der alten Urkunden mit Bezug auf die diesbezüglichen Ansichten der Gelehrten. Brixen 1900.
  • Ein Panorama von Jerusalem zur Zeit Christi. In: Zeitschrift für katholische Theologie, Band 26 (1902), S. 370–376.
  • Die Topographie des Buches Nehemias. In: Theologische Quartalschrift, Band 86 (1904), S. 575–599.
  • Zur Topographie Palästinas. In: Theologische Revue, Band 3 (1904), S. 161–163.; Band 4 (1905), S. 503–506.
  • Die Mauer des Agrippa. In: Theologische Quartalschrift, Band 87 (1905), S. 264–270.

Anmerkungen

  1. Barbara Haider-Wilson: Österreichs friedlicher Kreuzzug 1839-1917: das Heilige Land in Aussenpolitik, Gesellschaft und Mentalitäten der Habsburgermonarchie (= Archiv für österreichische Geschichte. Nr. 144). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2021, ISBN 978-3-7001-8616-8, S. 682 (austriaca.at [abgerufen am 15. September 2025]).
  2. a b Matriken Tirol: Taufbuch Vinaders 1843-1930 (Digitalisat)
  3. Franz Schausberger: Als Gaza eine blühende Region war: „Alles im Überfluss vorhanden“. In: Salzburger Nachrichten, 23. August 2024.
  4. Lateinisches Patriarchat von Jerusalem: 1867 Can. Georges Gatt (1843-1924)
  5. Österreichisches Hospiz zur Hl. Familie: Newsletter Nr. 14 (2024), S. 2 f.
  6. a b Barbara Haider-Wilson: Österreichs friedlicher Kreuzzug 1839-1917: das Heilige Land in Aussenpolitik, Gesellschaft und Mentalitäten der Habsburgermonarchie (= Archiv für österreichische Geschichte. Nr. 144). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2021, ISBN 978-3-7001-8616-8, S. 684 (austriaca.at [abgerufen am 15. September 2025]).
  7. Barbara Haider-Wilson: Österreichs friedlicher Kreuzzug 1839-1917: das Heilige Land in Aussenpolitik, Gesellschaft und Mentalitäten der Habsburgermonarchie (= Archiv für österreichische Geschichte. Nr. 144). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2021, ISBN 978-3-7001-8616-8, S. 684 f. (austriaca.at [abgerufen am 15. September 2025]).
  8. Dotan Halevy: Toward a Palestinian History of Ruins: Interwar Gaza. In: Journal of Palestine Studies. Band 48, Nr. 1, 1. November 2018, ISSN 0377-919X, S. 53–72, doi:10.1525/jps.2018.48.1.53 (tandfonline.com [abgerufen am 15. September 2025]).
  9. Helmut Wohnout: Das österreichische Hospiz in Jerusalem: Geschichte des Pilgerhauses an der Via Dolorosa. Böhlau, Wien Köln Weimar 2000, ISBN 978-3-205-99095-6, S. 114.
  10. 1867 Can. Georges Gatt (1843-1924). Latin Patriarchate of Jerusalem, abgerufen am 15. September 2025 (englisch).
  11. Yuval Ben-Bassat, Johann Büssow: Late Ottoman Gaza: An Eastern Mediterranean Hub in Transformation. Cambridge University Press, Cambridge 2024, S. 25: “Gatt’s Map […] is invaluable as it helps reconstruct the buildings and layout of the city, and leads to insights unavailable from other sources. In particular, it provides information not only on public buildings and infrastructure but also on the households of leading Gazan families.”
  12. Karsten Packeiser: Das historische Erbe von Gaza: vergessen oder zerstört. In: Evangelische Zeitung. 7. Dezember 2023, abgerufen am 15. September 2025.