Fritz Reinhardt (SS-Mitglied)

Fritz Reinhardt als Zeuge bei den Nürnberger Prozessen.

Friedrich Rudolph (Fritz) Reinhardt (* 27. September 1898 in Kassel; † 30. September 1965 in Stade)[1] war ein deutscher NS-Agrarfunktionär, SS-Funktionär und Zeuge in den Nürnberger Prozessen.

Leben und Wirken

Fritz Reinhardt war Sohn von Karl Reinhardt, der als Vermessungsinspektor tätig war. Nach dem Schulbesuch nahm er von 1916 bis 1918 als Kriegsfreiwilliger am Ersten Weltkrieg teil, in dem er mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet wurde. Sein höchster Dienstgrad war Wachtmeister der Reserve. Nach dem Krieg studierte Reinhardt Landwirtschaft an der Universität Halle/Salle. Er schloss sein Studium 1923 als Diplomlandwirt ab. Nach dem bestandenen Staatsexamen wurde Reinhardt Versuchsringsleiter im sächsischen Trossin und Beamter (Sachbearbeiter für Versuchswesen und Bäuerliche Wirtschaftsberatung in der Ackerbau-Abteilung) der Landwirtschaftskammer der Provinz Sachsen in Halle (Saale). Von 1924 bis 1926 war er Mitglied im Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten.

Zum 1. Januar 1929 trat Reinhardt in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 109.707).[2] Von 1929 bis 1934 arbeitete Reinhardt im landwirtschaftlichen Beratungsdienst der Landwirtschaftlichen Abteilung der I.G. Farben. Im Jahr 1932 wurde Reinhardt an der Uni Halle zum Dr. rer. nat. promoviert.[3]

Ab Anfang 1934 war Reinhardt im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft für ein Jahr als Referent des Staatssekretärs Herbert Backe tätig; anschließend arbeitete er ein Dreivierteljahr als Rassefachberater beim Oberabschnittsführer Ost des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS. Am 24. März 1934 trat er in die SS ein (SS-Nummer 166.846). Als Angehöriger des Stabes beim Rasse- und Siedlungshauptamt wurde er am 9. November 1936 zum SS-Obersturmführer und am 11. September 1938 zum SS-Hauptsturmführer befördert; später stieg er noch zum Sturmbannführer auf. Im Januar 1945 wurde er noch für eine Beförderung zum Standartenführer vorgeschlagen.

Von 1935 bis 1937 wurde Reinhardt als Hauptabteilungsleiter der Landesbauernschaft nach Schleswig-Holstein versetzt. Anschließend war er 1937 bis 1940 persönlicher Referent des Reichsobmanns im Reichsnährstand, Gustav Behrens.

Im Oktober 1939 kam er zum Chef des Landwirtschaftlichen Stabes beim Oberverwaltungschef des Reichsministers Hans Frank in Posen.[4]

Neben seiner primären Berufslaufbahn führte Reinhardt Schulungen zu landwirtschaftlichen Themen für die SS und den Reichsnährstand durch. In seinen Arbeiten für das Rasse- und Siedlungshauptamt sprach er sich auch für die Zwangssterilisation unerwünschter Personengruppen im größeren Stil aus.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Reinhardt als Sonderführer zum Heer einberufen und zum Generalquartiermeister abkommandiert. Nach der deutschen Besetzung Frankreichs im Sommer 1940 wurde er als Militärverwaltungsvizechef zum Leiter der Abteilung „Ernährung und Landwirtschaft“ beim Militärbefehlshaber in Frankreich ernannt, die er bis zum Ende der Besatzung im Herbst 1944 führte. Der Reichslandwirtschaftsrat (RLR) Reinhardt wurde Ende 1941 oder im Januar 1942 zum Reichsnährstandsrat ernannt.[5] Im November 1943 wurde er mit dem Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern ausgezeichnet, da „er verantwortlich die landwirtschaftliche Erzeugung und die Versorgung mit Nahrungsmitteln des französischen Volkes und der deutschen Besatzungsarmee geleitet und damit einen kriegsentscheidenden Beitrag geleistet hat.“[6]

Nach Kriegsende geriet Reinhardt am 27. Juni 1945 in alliierte Kriegsgefangenschaft. In der Folge wurde er am 10. Februar 1947 als Zeuge bei den Nürnberger Prozessen verhört. Anschließend saß er im Rahmen seiner Entnazifizierung im Interniertenlager Kornwestheim ein.[7] Am 5. Juli 1948 stufte ihn die Spruchkammer des Internierungslagers Ludwigsburg als „Belasteten“ ein. Er wurde zu dreijähriger Haft in einem Arbeitslager sowie zur Zahlung von 1000 D-Mark verurteilt, aber bereits im Frühling 1949 aus der Haft entlassen.[8]

Beförderungen

  • 15. September 1935: SS-Untersturmführer (Ernennung)
  • 9. November 1936: SS-Obersturmführer
  • 11. November 1939: SS-Hauptsturmführer
  • 9. November 1943: SS-Sturmbannführer
  • 1944: SS-Standartenführer
  • 30. Januar 1945: SS-Obersturmbannführer

Literatur

Einzelnachweise

  1. Geburtsregister des Standesamtes Kassel Nr. 1884/1898.
  2. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/34240107
  3. Hans-Christian Harten: Weltanschauliche Schulung der SS und der Polizei im Nationalsozialismus: Zusammenstellung personenbezogener Daten, PeDocs 2017, S. 365/366, https://www.pedocs.de/volltexte/2018/15155/pdf/Harten_2017_Weltanschauliche_Schulung_der_SS_und_der_Polizei.pdf
  4. Hans-Christian Harten: Weltanschauliche Schulung der SS und der Polizei im Nationalsozialismus: Zusammenstellung personenbezogener Daten, PeDocs 2017, S. 365, https://www.pedocs.de/volltexte/2018/15155/pdf/Harten_2017_Weltanschauliche_Schulung_der_SS_und_der_Polizei.pdf
  5. „Beförderungen im Verwaltungsamt des Reichsbauernführers“, in: Gartenbauwirtschaft, Wirtschaftszeitung des deutschen Gartenbaues, 59. Jg., Nr. 3, 22. Januar 1942, S. 2, https://gartentexte-digital.ub.tu-berlin.de/archiv/Gartenbauwirtschaft/Jg.59/Nr._03.pdf
  6. Klaus Patzwall: Die Ritterkreuzträger des Kriegsverdienstkreuzes, 1942–1945: eine Dokumentation in Wort und Bild, 1984, S. 88.
  7. Bestand EL 903/3: Spruchkammer der Interniertenlager: Verfahrensakten des Lagers 75, Kornwestheim, Ludendorffkaserne beim Landesarchiv Baden-Württemberg.
  8. Andreas Dornheim: Beamte, Adjutanten, Funktionäre. Personenlexikon zum Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Reichsnährstand. W. Kohlhammer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-17-040086-3, S. 273.