Franz Ziereis
Franz Xaver Ziereis (* 13. August 1905 in München; † 24. Mai 1945 in Gusen) war ein deutscher Nationalsozialist und Kommandant des KZ Mauthausen im Range eines SS-Standartenführers. In dieser Funktion war er maßgeblich verantwortlich für die Ermordung von Zehntausenden Menschen während des Nationalsozialismus.
Leben
Nachdem Ziereis in München eine Kaufmannsschule besucht hatte, verpflichtete er sich 1924 für zwölf Jahre in der Reichswehr.
Am 30. September 1936 trat Ziereis als Ausbildungsreferent in die SS (Mitgliedsnummer 276.998) ein und war zunächst als SS-Obersturmführer der 4. SS-Standarte „Oranienburg“ zugeordnet.[1] 1937 übernahm er die Führung der 22. Hundertschaft im SS-Totenkopfverband II („Brandenburg“). Im März 1938 nahm er mit mobilen Einheiten der SS-Totenkopfverbände an der Besetzung Österreichs teil, am 1. Juli desselben Jahres wurde er Ausbilder der SS-Totenkopfstandarte III („Thüringen“). 1937 trat er der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 5.716.146).
Ab 9. Februar 1939 war Ziereis im KZ Mauthausen, das bis 1. April 1939 offiziell noch von Albert Sauer geleitet wurde. Ziereis übte allerdings schon seit dem 17. Februar 1939 die Funktionen des Lagerkommandanten aus.[2] Als Lagerkommandant von Mauthausen wurde Ziereis schließlich zum SS-Standartenführer befördert. 1942 wurde er auch Betriebsdirektor der Granitwerke Mauthausen mit Werkgruppenleitung in St. Georgen an der Gusen.
Am 16. Februar 1945 wurden Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen nach Mauthausen deportiert, woraufhin Ziereis etwa 700 kranke und schwache Menschen aussondern ließ, die bei strengem Frost nackt zwei Tage und Nächte im Freien stehen mussten. Um das dadurch beabsichtigte Erfrieren zu beschleunigen, wurden sie alle drei Stunden mit kaltem Wasser übergossen. Unter den Opfern befand sich Dmitri Michailowitsch Karbyschew. Von Anfang 1945 bis zum 1. Mai dieses Jahres wurden im Lager offiziell 24.613 Tote registriert, außerdem gab Ziereis kurz vor Kriegsende den Befehl, 30.000 Häftlinge aus dem KZ Gusen in Stollen zu treiben und in die Luft zu sprengen.[3]
Am 23. April 1945 um 15 Uhr ordnete Ziereis persönlich im Bunker die sofortige Verbringung von 40 Häftlingen einschließlich des Widerstandskämpfers Franz Josef Messner in den Gaskeller an. Ziereis schüttete eigenhändig die Zyklon-B-Brocken ins Gaseinfüllungsgerät, in der folgenden Nacht wurden Messners Leichnam und die leiblichen Überreste der anderen Opfern, darunter mit Sepp Toifl ein Mitglied des Zentralkomitees der KPÖ, im Krematorium verbrannt.[4][5]
Am 3. Mai 1945, zwei Tage vor der Befreiung des Lagers durch die US-Armee, flüchtete Ziereis und begab sich zu seiner Jagdhütte am Pyhrn.[2]
Laut einer beeidigten Erklärung von Hans Maršálek wurde Ziereis am 22. Mai 1945, nachdem er von amerikanischen Soldaten gestellt und bei einem Fluchtversuch angeschossen worden war, von diesem in Anwesenheit des Kommandanten der 11th Armored Division, Seibel, des ehemaligen Häftlings und Arztes Koszeinski und eines unbekannten polnischen Bürgers im KZ Gusen mehrere Stunden lang verhört. Er gestand dabei die Ermordung mehrerer tausender Gefangener, unter anderem durch Zuordnung zu Strafarbeits-Kompanien und Sprengung in Tunneln. Außerdem berichtete Ziereis, dass aus tätowierter Haut Lampenschirme, Buchumschläge und Lederetuis hergestellt worden seien.[6] In einem Fotoalbum von Oscar Roth, das der Universität Yale vermacht wurde, findet sich eine zweite, kürzere Version dieses Geständnisses, das in wesentlichen Punkten jedoch mit der Erklärung Maršáleks übereinstimmt.[7] Erstmals bekannt gemacht wurden diese Verbrechen der (österreichischen) Bevölkerung in einer Informations- und Aufklärungsschrift über die Geschehnisse in den Konzentrationslagern Auschwitz, Dachau, Buchenwald sowie Mauthausen im Juni 1945.[8]
Bei einem zweiten Fluchtversuch am 24. Mai 1945 erlag Ziereis seinen Verletzungen.[9][10]
Literatur
- Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. Auflage, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
- Arbeitsgemeinschaft „Das Licht“: Beichte des Lagerkommandanten von Mauthausen, SS-Standartenführer Franz Ziereis. Baden-Baden 1947, S. 14 (Textarchiv – Internet Archive).
Weblinks
- Literatur von und über Franz Ziereis im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Lagerkommandant Franz Ziereis ( vom 14. Januar 2013 im Webarchiv archive.today). In: mauthausen-memorial.at.
Einzelnachweise
- ↑ Ziereis, Franz. In: Erich Stockhorst: 5000 Köpfe. Wer war was im 3. Reich. VMA-Verlag, Wiesbaden 1967.
- ↑ a b Lagerkommandant Franz Ziereis. ( vom 14. Januar 2013 im Webarchiv archive.today) In: mauthausen-memorial.at, abgerufen am 17. Februar 2011.
- ↑ Heinz Kühnrich: Der KZ-Staat. Die faschistischen Konzentrationslager 1933 bis 1945. Dietz Verlag, Berlin 1980 (2. Auflage), S. 204 ff.
- ↑ Erinnern – Fotos und Dokumente – 1938–1945 – Schlaglichter: 23. April 1945. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), abgerufen am 24. Januar 2021.
- ↑ Heinz Kühnrich: Der KZ-Staat. Die faschistischen Konzentrationslager 1933 bis 1945. Dietz Verlag, Berlin 1980 (2. Auflage), S. 204.
- ↑ Translation of document 3870-PS. Affidavit of Hans Marsalek ( vom 20. Oktober 2019 im Internet Archive) vom 8. April 1946. Chemielskwy and Seidler in Gusen had human skin specially tanned on which there were tattoos. From this leather they had books bound, and they had lampshades and leather cases made. Bei: Holocaust historiography. Zu den Lampenschirmen aus Haut siehe auch das Originaldokument von General Georges Vanier: A lampshade was found - and this I saw - made from tattooed human skin. Telegramm über Beobachtung im KZ Buchenwald, gesendet von Paris am 27. April 1945 nach Kanada.
- ↑ The deathbed confession of Kommandant Franz Ziereis transcribed by Dr. Oscar Roth in German and then translated by Roth into English ( vom 17. November 2007 im Internet Archive). In: Oscar Roth Papers. Manuscripts and Archives. Yale University Library.
- ↑ Frieda Nödl (für die SPÖ), Josef Kohl (für die KPÖ), Bruno Schmitz (für die ÖVP) (Hrsg.) (1945): Niemals vergessen! Befreite politische KZ-Häftlinge berichten dem Volke. In: Die Volkssolidarität. Zeitschrift (zum Preis von 50 Pfennig) vom 17. Juni 1945. Wien: Albrecht-Dürer-Druck KG (damals Strozzigasse 8). Archivdokument der Deutschen Nationalbibliografie. Zusammengefasst im Datensatz https://d-nb.info/1019701803.
- ↑ Rechtliche Verfolgung der Täter – Exkurs: Die Gefangennahme und Einvernahme von Ziereis. KZ-Gedenkstätte Gusen, abgerufen am 17. Juni 2023.
- ↑ Erwin Gostner: 1000 Tage im KZ. Ein Erlebnisbericht aus den Konzentrationslagern Dachau, Mauthausen und Gusen. Hrsg.: Wagner'sche Univ.-Buchdruckerei Innsbruck. Innsbruck 1945, ISBN 978-3-7065-5772-6, S. 211.