Als Formhypothesen bezeichnet man in der mathematischen Statistik eine Erweiterung des Standardformalismus bei Konfidenzbereichen. Dabei wird durch die Formhypothesen vorgegeben, welche Werte im Konfidenzbereich enthalten sein sollen und welche nicht. Dies ermögliche die Formulierung von Optimalitätsbegriffen für Konfidenzbereich wie beispielsweise gleichmäßig beste Konfidenzbereiche. Über das duale Konzept der zugehörigen Testhypothesen lässt sich dann eine Beziehung von Konfidenzbereichen und Tests herstellen, mit der sich Konfidenzintervalle aus Test konstruieren lassen und umgekehrt.
Gegeben sei ein statistisches Modell
, wobei
die Indexmenge der Wahrscheinlichkeitsmaße ist. Des Weiteren sei eine zu schätzende Funktion

gegeben, die im parametrischen Fall meist als Parameterfunktion bezeichnet wird und in den Entscheidungsraum
abbildet.
Als Formhypothesen zu
wird dann eine Familie
bezeichnet, so dass
und
ist sowie
für alle 
Anschaulich enthält
alle „korrekten“ Werte, welche von dem Konfidenzbereich möglichst überdeckt werden sollen. Analog enthält
alle „inkorrekten“ Werte, die möglichst nicht im Konfidenzbereich enthalten sein sollen.
Beispiel
Gegeben sei ein einfaches statistisches Modell
, wobei
die Normalverteilung mit Varianz eins ist. Geschätzt werden soll der Mittelwert, also ist
.
Somit sind die Indexmenge und der Entscheidungsraum beide gleich, es ist
.
Mögliche Formhypothesen wären
sowie
für alle
.
Diese sagen aus, dass der Bereich, welcher symmetrisch um den Mittelwert liegt möglichst überdeckt werden soll, wohingegen alles außerhalb möglichst nicht überdeckt werden soll. Zu beachten ist, dass in der Definition nicht gefordert wird, dass
, die Hypothesen also für jedes
den Entscheidungsraum disjunkt zerlegen. So wäre in diesem Beispiel durchaus möglich,
oder
zu wählen.
Definition
Ist ein Konfidenzbereich

gegeben sowie Formhypothesen
, so heißt
ein Konfidenzbereich für
zum Konfidenzniveau
, wenn für alle
gilt:
für alle
.
Beispiel
Wählt man als Formhypothesen
,
und
beliebig (aber disjunkt), so lautet der Konfidenzbereich zu den Formhypothesen
für alle 
und entspricht somit genau der klassischen Formulierung eines Konfidenzbereiches zum Konfidenzniveau
.
Testhypothesen
Analog zu den Formhypothesen werden die Testhypothesen zu gegebenen Formhypothesen definiert. Im Gegensatz zu diesen sind sie Teilmengen der Indexmenge
statt des Entscheidungsraumes
.
Definition
Gegeben seien Formhypothesen
. Dann heißt
, definiert durch

und

die Testhypothesen zu den Formhypothesen.
Beispiel
Führt man das obige Beispiel fort, so erhält man
![{\displaystyle H_{\gamma }:=\{\vartheta \in \Theta \mid \gamma \in [\vartheta -2;\vartheta +2]\}=[\vartheta -2;\vartheta +2]}](./1780b05953d4c3032fe419f97301e1fea885e0d9.svg)
und
![{\displaystyle K_{\gamma }:=\{\vartheta \in \Theta \mid \gamma \notin {\tilde {H}}_{\vartheta }\}=\mathbb {R} \setminus [\vartheta -2;\vartheta +2]}](./3e7512602529ac6167605bc1ee569025edf75842.svg)
In diesem Beispiel sind die Formhypothesen und die Testhypothesen identisch, auch wenn sie formell auf verschiedenen Mengen definiert sind: Einmal auf der Indexmenge
und einmal auf dem Entscheidungsraum
. Im Allgemeinen stimmen diese beiden Mengen nicht überein.
Literatur
- Ludger Rüschendorf: Mathematische Statistik. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-41996-6, S. 240–247, doi:10.1007/978-3-642-41997-3.