Feuergeben
Feuergeben ist ein Sketch des deutschen Humoristen Loriot. Er zeigt einen Rentner, der von einem Passanten nach Feuer für seine Zigarette gefragt wird. Während der Rentner in seinen Taschen nach Streichhölzern sucht, erzählt er dem Passanten ungefragt Details aus seinem Leben.
Der Sketch ist Teil der fünften Folge der Sendereihe Loriot, die erstmals im Juni 1978 ausgestrahlt wurde. 1981 erschien der Text des Sketches auch in gedruckter Form.
Handlung
Ein Mann, der es eilig hat und sich eine Zigarette anzünden will, fragt auf der Straße einen Rentner, ob er Feuer für ihn habe. Dieser beginnt daraufhin, in seinen Taschen nach Streichhölzern zu suchen, die er angeblich dabei habe. Währenddessen erzählt er dem anderen von seiner Gesundheit und der seiner Frau, wo und was er gerade eingekauft hat, von Magenproblemen bei einer Ferienreise und von seinen Urlaubsplänen in diesem Jahr. Außerdem zeigt er ihm Fotos von seiner Frau und seiner Schwägerin sowie von seinem Hund. Der eilige Herr, der immer ungeduldiger wird, versucht mehrfach sich zu loszueisen, schafft es aber nicht, da der Rentner einfach weiterredet. Zwar findet der Rentner am Ende ein Streichholzheftchen, es ist jedoch leer. Die Zigarette, die der Raucher die ganze Zeit im Mund behalten hatte, beginnt sich inzwischen aufzulösen.
Produktion und Veröffentlichung
Der Sketch entstand für die fünfte Folge der von Radio Bremen produzierten Sendereihe Loriot. Die Dreharbeiten fanden Anfang April 1978 statt.[1] Loriot übernahm die Rolle des Rentners, Heinz Meier spielte den Mann mit der Zigarette. Außerdem hatte Bruno W. Pannek einen kurzen Auftritt als weiterer Passant mit Zigarette auf der Suche nach Feuer, der aber das Weite sucht, als der Rentner anfängt seine Fotos zu zeigen.
Loriot trug in seiner Rolle als Rentner eine Nachbildung der Nase des US-Schauspielers Karl Malden, dessen Fan er war. Sie war vom Maskenbildner Heino Weber für den Sketch Skat aus der vierten Folge modelliert worden; noch einmal kam sie in seinem ersten Spielfilm Ödipussi zum Einsatz, in dem er sie als liebestoller Gast eines Hotels in Italien trägt.[2] Da es bei den Dreharbeiten zu Feuergeben ungewöhnlich kalt war, errötete Loriots Gesicht und die Nase musste mehrfach nachgeschminkt werden.[1] Dennoch hebt sie sich in den Aufnahmen farblich deutlich vom restlichen Gesicht ab.
Eingebettet in Feuergeben ist der Sketch Rindsroulade, in dem sich ein von Loriot gespielter Restaurantbesucher in das Küchengarn seiner Roulade verwickelt. Bevor der Mann das Restaurant betritt, läuft er an den beiden Herrn aus Feuergeben vorbei. Als er das Restaurant am Ende von Feuergeben wieder verlässt, ist er ganz in den Rouladenfaden eingewickelt. Er zündet sich eine Zigarette an und läuft die Straße hinunter. Dabei zieht er die Blicke der beiden Herrn auf sich, wobei dem Jüngeren die Zigarette aus dem Mund fällt.[3] In dem Moment, in dem der Mann das Restaurant betritt, sollte auch der Rentner von hinten zu sehen sein, wie er sich gerade mit seiner linken Hand an die Schulter fasst. Das dafür engagierte Double von Loriot hatte jedoch eine Handprothese, was erst während des Drehs festgestellt wurde. Deshalb musste ein Mitglied des Drehteams einspringen, dem die Haare grau angesprüht wurden. Letztendlich war die Hand in der finalen Szene dann doch nicht zu sehen.[1]
1997 ordnete Loriot sein Fernsehwerk neu und machte aus den ursprünglich sechs 45-minütigen Loriot-Folgen vierzehn Folgen mit einer Laufzeit von je 25 Minuten. Feuergeben ist in der Kombination mit Rindsroulade Teil der elften Folge Von Autos, Pferden, Polizei und Feuerspritzen. Eine gedruckte Textversion des Sketches erschien erstmals 1981 im Kapitel Der Mitmensch des Sammelbands Loriots Dramatische Werke. In dieser Version fehlt sowohl der Auftritt des Rouladenessers als auch der Auftritt des zweiten Mannes mit Zigarette. Die Textversion wurde seitdem in weiteren Sammelbänden von Loriot veröffentlicht.[4]
Analyse und Einordnung
Für den Germanisten Stefan Neumann, der seine Dissertation zu Loriots Leben und Werk verfasste, basiert die Komik des Sketches auf dem Verhalten des Rentners. Die Art, wie er seinen Mitmenschen auf die Nerven gehe, kenne jeder aus eigener Erfahrung; hier sei sie jedoch auf die Spitze getrieben. In seiner Rolle als Störenfried ähnele er Herrn Mosbach aus Skat sowie dem Preisausschreibengewinner aus dem Salamo-Konzert.[5]
Für Neumanns Kollegen Felix Christian Reuter, der ebenfalls über Loriots Werk promovierte, entspricht der ältere Herr dem stereotypen Bild deutscher Rentner. So gilt es als typisch, dass deutsche Senioren vor allem über ihre eigene Gesundheit sprechen. Zudem legten sie großen Wert auf Ordnung. Der Rentner im Sketch zeige dies, wenn er Streichhölzer im Vergleich zu Feuerzeugen lobt, denn „die funktionieren wenigstens…“[6] Als typisch deutsch gilt auch der Hang zum Moralisieren. Dies sei beim Rentner zu beobachten, als er den Passanten belehrt, dass man es mit dem Rauchen ja auch nicht übertreiben sollte.[7]
- Quantitätsmaxime (Sei informativ!)
- Qualitätsmaxime (Sei wahrhaftig!)
- Relationsmaxime (Sei relevant!)
- Ausdrucksmaxime (Sei klar!)
Loriot betonte mehrfach in Interviews die Bedeutung mangelhafter Kommunikation für seine Komik.[9] „Kommunikationsgestörte“ interessierten ihn am meisten und alles, was er als komisch empfinde, entstehe „aus der zerbröselten Kommunikation, aus dem Aneinander-Vorbeireden, aus den Problemen, sich zu äußern, aber auch daraus, das Gesagte zu verstehen.“[10] Bei vielen von Loriots Sketchen beruht die Kommunikationsstörung auf mangelhafter Kooperation der Gesprächspartner.[11] Auch in Feuergeben sieht Felix Christian Reuter beim Rentner das Kooperationsprinzip und die Konversationsmaximen verletzt, wie sie vom Philosophen H. Paul Grice vorgeschlagen wurden. Er überschütte sein Gegenüber mit einer Fülle von Informationen, die für diesen aber gar nicht relevant seien. Dadurch verstoße er gleichzeitig gegen die Quantitäts-, Relations- und Ausdrucksmaxime. Die Qualitätsmaxime verletze er dadurch, dass er sich sicher ist, Streichhölzer dabei zu haben, obwohl dies offenbar nicht der Fall ist.[12]
Für Reuter zeigt der Sketch auch, wie sich das eigentlich positiv bewertete Verhalten der Höflichkeit negativ auf die Gesprächsführung auswirken kann. So sei es unhöflich, jemanden anzuschweigen, während man ihn warten lässt. Wohl auch deshalb rede der Rentner auf den Mann mit der Zigarette ein. Der wiederum hört sich höflich an, was der andere sagt, obwohl es ihn gar nicht interessiert. Seinen Unmut verschweigt er aus Respekt vor dem Rentner, selbst wenn dies seinen eigenen Anliegen zu rauchen oder eilig weiterzugehen widerspricht. Reuter sieht dadurch Ähnlichkeiten zum Sketch Die Nudel, in dem die Höflichkeit ebenso die Auflösung einer Kommunikationsstörung verhindere. Der Versuch, Wartezeit durch ein Gespräch zu überbrücken, daran aber wegen mangelnder Kooperation zu scheitern, finde sich wiederum auch im Sketch Studiointerview.[13]
Ausgaben (Auswahl)
Bildtonträger
- Loriots Vibliothek. Band 5: Der sprechende Hund oder Von Mensch zu Mensch. Warner Home Video, Hamburg 1984, VHS Nr. 5.
- Loriot – Sein großes Sketch-Archiv. Warner Home Video, Hamburg 2001, DVD Nr. 3 (als Teil von Loriot 11).
- Loriot – Die vollständige Fernseh-Edition. Warner Home Video, Hamburg 2007, DVD Nr. 4 (als Teil von Loriot V).
Bücher
- Loriots dramatische Werke. Diogenes, Zürich 1981, ISBN 3-257-01004-4, S. 16–18.
- Menschen, Tiere, Katastrophen. Reclam, Stuttgart 1992, ISBN 3-15-008820-8, S. 25–28.
- Das Frühstücksei. Diogenes, Zürich 2003, ISBN 3-257-02081-3, S. 13–16.
- Gesammelte Prosa. Diogenes, Zürich 2006, ISBN 978-3-257-06481-0, S. 81–85.
Literatur
- Stefan Neumann: Loriot und die Hochkomik. Leben, Werk und Wirken Vicco von Bülows. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2011, ISBN 978-3-86821-298-3.
- Felix Christian Reuter: Chaos, Komik, Kooperation. Loriots Fernsehsketche (= Oliver Jahraus, Stefan Neuhaus [Hrsg.]: FILM – MEDIUM – DISKURS. Band 70). Königshausen & Neumann, Würzburg 2016, ISBN 978-3-8260-5898-1 (zugleich Dissertation an der Universität Trier 2015).
Einzelnachweise
- ↑ a b c Stefan Lukschy: Der Glückliche schlägt keine Hunde. Ein Loriot Porträt. 2. Auflage. Aufbau, Berlin 2013, ISBN 978-3-351-03540-2, S. 136–138.
- ↑ Stefan Lukschy: Der Glückliche schlägt keine Hunde. Ein Loriot Porträt. 2. Auflage. Aufbau, Berlin 2013, ISBN 978-3-351-03540-2, S. 117.
- ↑ Stefan Neumann: Loriot und die Hochkomik. 2011, S. 284
- ↑ Stefan Neumann: Loriot und die Hochkomik. 2011, S. 417.
- ↑ Stefan Neumann: Loriot und die Hochkomik. 2011, S. 288, 291.
- ↑ Felix Christian Reuter: Chaos, Komik, Kooperation. 2016, S. 215.
- ↑ Felix Christian Reuter: Chaos, Komik, Kooperation. 2016, S. 189, 213.
- ↑ Ulla Fix: Text- und Stilanalyse unter dem Aspekt der kommunikativen Ethik. Der Umgang mit den Griceschen Konversationsmaximen in dem Dialog „Das Ei“ von Loriot. In: Angelika Feine, Hans-Joachim Siebert (Hrsg.): Beiträge zur Text- und Stilanalyse (= Sprache – System und Tätigkeit. Band 19). Peter Lang, Frankfurt am Main/Berlin/Bern 1996, ISBN 3-631-48989-7, S. 53–67, hier: 53.
- ↑ Franziska Sperr, Jan Weiler: »Altern ist eine Zumutung«. Ein Gespräch. In: Daniel Keel (Hrsg.): Loriot und die Künste. Eine Chronik unerhörter Begebenheiten aus dem Leben des Vicco von Bülow zu seinem 80. Geburtstag. Diogenes, Zürich 2003, ISBN 3-257-06359-8, S. 154–177, hier: 157 (sueddeutsche.de – ursprünglich erschienen im SZ-Magazin, Nr. 25, 21. Juni 2002). Loriot, Gero von Boehm: Lachen ohne Anlass ist pure Dämlichkeit. In: Daniel Keel, Daniel Kampa (Hrsg.): Bitte sagen Sie jetzt nichts. Gespräche. Diogenes, 2011, ISBN 978-3-257-06787-3, S. 25–54, hier: 30 (ursprünglich im Südwestfunk am 17. Januar 1986 ausgestrahlt).
- ↑ Hellmuth Karasek: „Der Faun und sein Wunschtraum“. In: Der Spiegel. Nr. 10, 1988, S. 216–222, hier: 218 (online).
- ↑ Felix Christian Reuter: Chaos, Komik, Kooperation. 2016, S. 165.
- ↑ Felix Christian Reuter: Chaos, Komik, Kooperation. 2016, S. 160–161.
- ↑ Felix Christian Reuter: Chaos, Komik, Kooperation. 2016, S. 158, 162.