Federalist-Artikel Nr. 64

Der Federalist-Artikel Nr. 64 ist der fünfte von John Jay, einem der Gründerväter der Vereinigten Staaten, verfasste Essay in einer Reihe von 85 Aufsätzen, die 1787–88 in den Zeitungen Independent Journal, New-York Packet und Daily Advertiser erschienen und unter dem Namen Federalist Papers gesammelt veröffentlicht wurden. Es behandelt die Aufgabe des Senats, Verträge zu ratifizieren.
Geschichtlicher Hintergrund
Die 1777 verabschiedeten Konföderationsartikel (Articles of Confederation) der Vereinigten Staaten hatten sich schon wenige Jahre nach ihrer Ratifizierung 1781 als unzureichend erwiesen, um eine effiziente Regierung des Staatenbunds zu gewährleisten. 1787 war die Philadelphia Convention einberufen worden, um die Artikel zu überarbeiten, hatte im Ergebnis aber eine neue Verfassung entworfen. Im September 1787 wurde der Entwurf zur Ratifizierung an Verfassungskonvente in den einzelnen Staaten geleitet. Ab September 1787 agitierten die Gegner der Föderation („Anti-Federalists“) in Zeitungsartikeln gegen die Ratifizierung des Verfassungsentwurfs. Diesen entgegneten auf Seiten der Föderalisten die Aufsätze von Alexander Hamilton, James Madison und John Jay.
Artikel Nr. 64 erschien am 5. März 1788 im Independent Journal unter dem Pseudonym „Publius“. Dass Jay die diplomatischen Aufgaben des Senats behandelte, war kein Zufall: Er war in den 1780ern einer der führenden Außenpolitiker der USA und seit 1784 der Außenminister.[1]
Inhalt
Jay setzt sich hier mit Artikel 2, Abschnitt 2 der Verfassung auseinander:
“[The President] shall have Power, by and with the Advice and Consent of the Senate, to make Treaties, provided two thirds of the Senators present concur.”
„[Der Präsident] hat das Recht, auf Anraten und mit Zustimmung des Senats Verträge zu schließen, vorausgesetzt, dass zwei Drittel der anwesenden Senatoren zustimmen.“[2]
Zu Beginn seines Essays betont Jay, dass das Schließen von Verträgen einer der wichtigsten Aufgaben einer Regierung sei und daher nur gut qualifizierte Männer über diese Gewalt verfügen sollten. Dies sei in der neuen Verfassung gegeben: Das Wahlmännerkollegium, das den Präsidenten wähle, und die Landesparlamente, die die Senatoren wählten, würden allgemein aus aufgeklärten Bürgern bestehen, denen man die Wahl fähiger Politiker zutrauen könne. Im Gegensatz dazu sei das einfache Volk zu ignorant und emotional, um geeignete Kandidaten finden zu können. Ein weiterer Schutzmechanismus sei das Mindestalter von 35 beziehungsweise 30 Jahren für Präsidenten und Senatoren. Auch ihre längeren Amtszeiten seien von Vorteil, da sie so die nötigen Erfahrungen in der Diplomatie sammeln könnten, um weise Entscheidungen zu treffen. Dass mit dem Senat ein Bestandteil der Legislative über die Annahme von Verträgen entscheide, befürwortet Jay, weil Gesetze und Verträge mit einander in Einklang gebracht werden müssten.[3]
Ein weiterer Vorteil des in der Verfassung entworfenen Systems ist Jay zufolge, dass der Präsident alleine Verträge schließen könne. In der Diplomatie sei nämlich oft ein Grad an Geheimhaltung nötig, den der Senat nicht bieten könne. Außerdem könne der Präsident deutlich einfacher als der Senat plötzlich aufkommende Chancen ergreifen. Wenn er den Rat des Senats brauche, könne er diesen frei einholen.[4]
Das Gegenargument der Anti-Föderalisten, dass die Legislative Verträge schließen sollte, weil diese dieselbe Geltungskraft wie Gesetze hätten, weist Jay ab. Immerhin hätten auch Entscheidungen der Gerichte und der Gouverneure dieselbe Geltungskraft wie Gesetze. Auch die Forderung, der Regierung die Fähigkeit zu geben, Verträge wie Gesetze zurückzunehmen, sei fehlgeleitet. Wenn sich die Vereinigten Staaten ohne Absprache mit ihren Vertragspartnern aus ihren Abkommen zurückziehen würde, würden sie bald ihre Glaubwürdigkeit auf der internationalen Bühne verlieren. Die Möglichkeit, dass ein für die USA schlechter Vertrag ratifiziert werden könne, hält Jay für unwahrscheinlich: Die Angst, dass zwei Drittel des Senats ein Vertrag verabschieden könnten, der den Interessen eines Teils des Landes entgegenläuft, sei unbegründet. Zum einen seien alle Bundesstaaten mit zwei Sitzen im Senat vertreten, wodurch alle gleichermaßen die Möglichkeit hätten, ihrer Stimme Verhör zu schaffen. Zum Anderen würde die Bundesregierung, um das Landeswohl zu gewährleisten, auch das Wohl jedes Landesteils stets im Blick haben. Zudem würde ein schlechter Vertrag auch den Senatoren und den Präsidenten als Privatpersonen schaden. Dass zwei Drittel des Senats und der Präsident mit Schmiergeldern zum Schließen eines Vertrags gebracht werden könnten, lehnt Jay als lächerlich ab. Im Notfall könnten sie auch ihres Amtes enthoben werden.[5]
Literatur
- Jack N. Rakove, Colleen A. Sheehan (Hrsg.): The Cambridge Companion to The Federalist. Cambridge University Press, Cambridge 2020, S. 71–72, 203, 580
Weblinks
- Federalist-Artikel Nr. 64 in der Library of Congress, abgerufen am 21. August 2025
Einzelnachweise
- ↑ Quentin P. Taylor: John Jay, The Federalist, and the Constitution In: Jack N. Rakove, Colleen A. Sheehan (Hrsg.): The Cambridge Companion to The Federalist., S. 52–81, hier: S. 70–71
- ↑ Übersetzung von der Website der Library of Congress.
- ↑ Quentin P. Taylor: John Jay, The Federalist, and the Constitution In: Jack N. Rakove, Colleen A. Sheehan (Hrsg.): The Cambridge Companion to The Federalist., S. 52–81, hier: S. 71
- ↑ Quentin P. Taylor: John Jay, The Federalist, and the Constitution In: Jack N. Rakove, Colleen A. Sheehan (Hrsg.): The Cambridge Companion to The Federalist., S. 52–81, hier: S. 71
- ↑ Quentin P. Taylor: John Jay, The Federalist, and the Constitution In: Jack N. Rakove, Colleen A. Sheehan (Hrsg.): The Cambridge Companion to The Federalist., S. 52–81, hier: S. 71–72