Europäische Wissenschaftsstiftung

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Europäischer Wissenschaftsverein in Straßburg

Der Europäische Wissenschaftsverein (englisch: European Science Foundation [ESF]; französisch: Association fondation européenne de la science) ist ein Verein nach dem lokalen Recht von Alsace–Moselle.[1] Der Verein hat seinen Sitz in Straßburg. Im Jahr 2025 zählt der Europäische Wissenschaftsverein zehn Mitglieder aus acht Ländern – Belgien, Bulgarien, Frankreich, Ungarn, Luxemburg, Rumänien, Serbien und der Türkei.[2]

Kritik an den ERIH-Zeitschriftenlisten (2008–2011)

Der European Reference Index for the Humanities (ERIH) wurde 2002 von der European Science Foundation über ihr Standing Committee for the Humanities als Referenzindex geisteswissenschaftlicher Fachzeitschriften eingeführt.[3] Ab 2008 stieß die ursprüngliche A/B/C-Einstufung von ERIH auf Kritik seitens Redakteuren und wissenschaftlicher Fachgesellschaften, die vor einem möglichen Missbrauch für Forschungsevaluierungen warnten; Fachmedien berichteten über koordinierte Proteste und Rückzüge.[4][5] Im Januar 2009 gab die ESF die Buchstabenstufen auf und ersetzte sie durch beschreibende Kategorien.[6] 2014 wurde die Verantwortung für ERIH von der ESF an das norwegische NSD – Norwegian Centre for Research Data übertragen; der Index wurde als ERIH PLUS neu aufgelegt und auf die Sozialwissenschaften ausgeweitet.[7][8]

Diskussionen über Verlagerung und Governance in Straßburg (2012–2014)

Lokale Berichterstattung in Straßburg vermerkte Ende 2012 Befürchtungen, dass die ESF im Zuge der Konsolidierung europäischer Einrichtungen aufgelöst oder nach Brüssel verlagert werden könnte, und berichtete zugleich über die erklärte Präferenz der ESF, in Straßburg zu bleiben. Dieselbe Berichterstattung hob die damals sinkenden Personalzahlen hervor und nannte eine Generalversammlung Ende November 2012 als Entscheidungspunkt.[9] Im Dezember 2012 vertagten die Mitglieder der ESF eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der Organisation bis Ende 2014.[10]

Nachfolge durch Science Europe (2011)

Im Oktober 2011 gründete die Mehrheit der Mitgliedsorganisationen der ESF (nationale Organisationen zur Forschungsförderung und -durchführung) Science Europe, einen in Brüssel ansässigen Verband, der ihre gemeinsamen Interessen vertreten und die Forschungspolitik auf europäischer Ebene koordinieren soll.[11][12] Dies bedeutete eine strategische Verschiebung weg von den traditionellen Aufgaben der ESF – Programmmanagement und Mittelvergabe – hin zu einer Plattform für Interessenvertretung und politische Abstimmung mit den Institutionen der Europäischen Union.[13]

Science Europe übernahm viele der zuvor von der ESF wahrgenommenen Koordinations- und Strategieaufgaben, war jedoch nicht dafür vorgesehen, direkte Förderprogramme zu betreiben.[13] Zwischen 2011 und 2015 baute die ESF ihre Aktivitäten zur Forschungsvernetzung schrittweise ab und übertrug bestimmte Politik- und Repräsentationsfunktionen an Science Europe.[13]

Im Anschluss an diesen Übergang agiert die ESF als Verein nach dem lokalen Recht von Alsace–Moselle, besitzt nicht länger den Rechtsstatus einer Stiftung, und setzt ihre Tätigkeit als kleinere wissenschaftliche Serviceorganisation fort; Schwerpunkt ist u. a. die externe Beschaffung von Forschungsbewertung.[1][14] Science Europe wurde zum wichtigsten Interessenvertretungsorgan der nationalen Forschungsförderer und -durchführer in Europa.[15]

Kontroverse über die Evaluation der portugiesischen Forschungseinheiten (2013–2015)

Die portugiesische Förderorganisation FCT beauftragte die ESF, eine zweistufige Bewertung nationaler F&E-Einheiten zu unterstützen.[16] Verfahren und Ergebnisse wurden von Teilen der portugiesischen Wissenschaftsgemeinschaft bestritten; im April 2015 charakterisierte Science die Bewertung in der Berichterstattung über Führungswechsel bei der FCT als politisch umstritten.[17] Im Oktober 2014 veröffentlichte Nature eine World-View-Kolumne von Amaya Moro-Martín, die auf „ein fehlerhaftes, von der ESF unterstütztes Bewertungsverfahren“ verwies; die ESF verlangte eine Rücknahme und drohte rechtliche Schritte an, wie Retraction Watch berichtete; später erklärte die ESF, „in diesem Stadium“ keine Klage erheben zu wollen.[18][19]

Überleben der Auflösungsabstimmung (2014)

Im Dezember 2014 berichtete Physics World, dass die ESF eine «Auflösungsabstimmung» ihrer Mitglieder „überlebt“ habe, während ihre künftige Rolle ungewiss blieb, da frühere Programme und politische Funktionen eingestellt wurden.[20]

Der damalige Geschäftsführer Martin Hynes räumte ein, dass viele größere nationale Mitgliedsorganisationen – insbesondere in Frankreich, Deutschland und im Vereinigten Königreich – austraten und dass die ESF möglicherweise mit einer kleineren Mitgliederbasis fortbestehen werde. „Die Frage ist, ob es genügend Mitglieder geben wird, um die Organisation mit Glaubwürdigkeit weiterzuführen“, erklärte Hynes und fügte hinzu, dass private Organisationen im Rahmen überarbeiteter Statuten beitreten könnten.[20]

Peter Fletcher vom britischen Science and Technology Facilities Council (STFC) erklärte, dass das STFC und die anderen britischen Forschungsräte dabei seien auszutreten, und bezeichnete die Gründung von Science Europe als „eine positive Gelegenheit für die europäische Wissenschaft“.[20] Die Mitglieder der ESF verabschiedeten Änderungen der Satzung, um neue Kategorien der Mitgliedschaft – einschließlich privater Organisationen – zu ermöglichen. Hynes bezeichnete diese Maßnahmen als notwendig, um eine faktische Auflösung der ESF zu vermeiden.[20] Hinweis: ESF Mitgliederliste siehe hier; im Jahr 2025 hat die ESF zehn Mitglieder, jedoch keine private Organisation.

COST-Programm der Europäischen Kommission: Unabhängigkeit von der ESF und anschließende Expansion (2014)

Das zwischenstaatliche Programm COST (European Cooperation in Science and Technology) – lange von der ESF verwaltet – wurde 2014 als eigenständige COST Gesellschaft nach belgischem Recht rechtlich unabhängig. Durch die Übernahme des COST-Vertrags mit der Europäischen Kommission sollte die neue Vereinigung die Stabilität und Kontinuität der COST-Netzwerkmission sicherstellen; diese Trennung wurde weithin als eine sichtbare Verringerung des Portfolios der ESF wahrgenommen.[21]

Seit der Unabhängigkeit hat COST seine Aktivitäten ausgeweitet: Im Jahresbericht 2024 werden mehr als 40 Mitgliedsorganisationen, 324 aktive COST Actions und über 60.000 beteiligte Forschende und Innovatoren genannt – etwa ein Drittel mehr seit Beginn von Horizon Europe.[22] COST Actions sind darauf ausgelegt, die Zusammenarbeit (Tagungen, Trainingsschulen, Kurzzeit-Forschungsaufenthalte) zu finanzieren, nicht jedoch die Forschung selbst. Sie sind Teil der europäischen Politikfamilie „Widening Participation“; im Rahmen von Horizon 2020 widmete COST 50 % seines Budgets Forschenden aus sogenannten „Widening-Ländern“, um Exzellenz zu verbreiten und die Inklusion im Europäischen Forschungsraum zu stärken.[23][24]

Personalabbau und operative Neuausrichtung (2015–2017)

Regionale Presse berichtete im April 2017, dass die ESF ihre Präsenz in Straßburg „auf anderer Grundlage“ bestätigte und eine Umstellung von rund 120 Beschäftigten auf 19 nach drei Personalabbaurunden (zwei freiwillig, eine verpflichtend) beschrieb, verbunden mit einer Hinwendung zu professionellen Dienstleistungen unter dem Markennamen Science Connect (Externe Beschaffung von Forschungsbewertung) sowie einem mittelfristigen Personalziel von etwa 40; als frühe Kunden wurden u. a. IdEx Bordeaux, die Universität Luxemburg und der AXA Research Fund genannt.[25]

Externe Beschaffung von Forschungsbewertung

Im Rahmen der Begutachtung von Förderanträgen betreibt die ESF ein Gutachterschema, bei dem die eigentliche intellektuelle wissenschaftliche Bewertung ausgelagert wird.[26] Externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler übernehmen die Beurteilungen, während die ESF den administrativen Rahmen bereitstellt (direkte Kontaktaufnahme per E-Mail zur Gewinnung von Gutachtern, Einreichungsportal, Fristen).[27] Die Gutachter arbeiten in der Regel ehrenamtlich oder erhalten von der ESF ein Honorar, eine einmalige und vergleichsweise geringe Aufwandsentschädigung.[28][29][30][31] Die ESF hingegen selbst erhält dabei eine Kommission von der Organisation, die die Begutachtung in Auftrag gibt.[32]

Mitglieder

Die folgenden zehn Mitgliedsorganisationen sind auf der Website des Europäischen Wissenschaftsvereins aufgeführt:[33]

  • Belgien: Fonds de la Recherche Scientifique
  • Bulgarien: Българска академия на науките
  • Frankreich: Institut Français de Recherche pour l'Exploitation de la Mer
  • Ungarn: Magyar Tudományos Akadémia
  • Luxemburg: Fonds National de la Recherche
  • Rumänien: Consiliul Național al Cercetării Științifice
  • Serbien: Српска академија наука и уметности
  • Türkei: Türkiye Bilimsel ve Teknolojik Araştırma Kurumu

Einzelnachweise

  1. a b Statutes of the European Science Foundation. European Science Foundation, 2. März 2016, abgerufen am 13. August 2025.
  2. Membership. In: European Science Foundation. Abgerufen am 13. August 2025 (englisch).
  3. ERIH PLUS Background. In: Norwegian Directorate for Higher Education and Skills. 10. Mai 2017, abgerufen am 12. August 2025 (englisch).
  4. Index of journals scraps controversial grades In: Times Higher Education, 22. Januar 2009. Abgerufen am 12. August 2025 (englisch). 
  5. Zoë Corbyn: Outraged European academics resent 'rankings' In: The Guardian, 27. Juni 2011. Abgerufen am 12. August 2025 (englisch). 
  6. Index of journals scraps controversial grades In: Times Higher Education, 22. Januar 2009. Abgerufen am 12. August 2025 (englisch). 
  7. European Reference Index for the Humanities (ERIH). In: European Science Foundation Archives. 15. Dezember 2016, abgerufen am 12. August 2025 (englisch).
  8. ERIH PLUS. In: Norwegian Directorate for Higher Education and Skills. Abgerufen am 12. August 2025 (englisch).
  9. Le transfert à Bruxelles en question : la Fondation européenne de la science veut rester à Strasbourg, 23. Oktober 2012 (französisch). 
  10. Didier Rose: Quel avenir pour la Fondation européenne de la science ? Deux années décisives, 8. Dezember 2012 (französisch). 
  11. Our Vision, Mission, and Strategy. In: Science Europe. Abgerufen am 13. August 2025.
  12. About us. In: Science Europe. Abgerufen am 13. August 2025.
  13. a b c Martin Hynes: The European Science Foundation; death or mid-life crisis? In: Europhysics News. 46. Jahrgang, Nr. 1, 2015, S. 23–27, doi:10.1051/epn/2015104 (europhysicsnews.org [PDF; abgerufen am 13. August 2025]).
  14. About ESF. European Science Foundation, abgerufen am 13. August 2025.
  15. Our Vision, Mission, and Strategy. In: Science Europe. Abgerufen am 13. August 2025.
  16. Relatório de Atividades 2014. Fundação para a Ciência e a Tecnologia (FCT), 2014, abgerufen am 12. August 2025 (portugiesisch).
  17. Head of Portuguese science foundation leaves under a cloud In: Science, 17. April 2015. Abgerufen am 12. August 2025 (englisch). 
  18. Amaya Moro-Martín: A call to those who care about Europe’s science. In: Nature. 514. Jahrgang, 8. Oktober 2014, S. 141, doi:10.1038/514141a (englisch, nature.com [abgerufen am 12. August 2025]).
  19. European Science Foundation demands retraction of criticism in Nature, threatens legal action. In: Retraction Watch. 12. Oktober 2014, abgerufen am 12. August 2025 (englisch).
  20. a b c d European Science Foundation survives elimination vote. In: Physics World. 17. Dezember 2014, abgerufen am 19. September 2025 (englisch).
  21. The COST Association is up and running. In: COST Association. 19. September 2014, abgerufen am 19. September 2025 (englisch).
  22. COST Annual Report 2024. In: COST Association. 2025, S. 6–7, abgerufen am 19. September 2025 (englisch).
  23. COST Strategic Plan 2018–2021. In: COST Association. 2018, S. 13, abgerufen am 19. September 2025 (englisch).
  24. Widening participation and spreading excellence (Horizon Europe). In: Europäische Kommission. Abgerufen am 19. September 2025 (englisch).
  25. Présence confirmée à Strasbourg. La Fondation européenne de la science se relance, 4. April 2017 (französisch). 
  26. Peer Review Process. In: European Science Foundation. ESF, abgerufen am 19. September 2025.
  27. Reviewer Community. In: European Science Foundation. ESF, abgerufen am 19. September 2025.
  28. Is ESF reviewer invitation legitimate? In: ResearchGate. 2020, abgerufen am 19. September 2025.
  29. European Science Foundation reviewer invitation. In: Academia.edu. 2019, abgerufen am 19. September 2025.
  30. Publisher threatened by European Science Foundation over critical article. In: Retraction Watch. 1. Oktober 2014, abgerufen am 19. September 2025.
  31. ESF Peer Review Portal (SmartSimple). In: SmartSimple. Abgerufen am 19. September 2025.
  32. La Fondation européenne de la science se relance à Strasbourg. In: Club de la presse Strasbourg. 6. Mai 2021, abgerufen am 19. September 2025.
  33. Member Organisations. In: European Science Foundation. ESF, abgerufen am 19. September 2025.